Überwachung in Unternehmen: Auch der NDR lässt bluten
Als die NDR-Journalisten Daimlers umstrittene Bluttests anprangerten, entfachten sie eine breite öffentliche Diskussion. Nun wurde bekannt: Der NDR lässt selbst zur Ader.
![](https://taz.de/picture/332331/14/ndr_02.jpg)
Seit einer Woche diskutieren nun Unternehmen und Arbeitsrechtler, welche Daten ihrer Beschäftigten die Firmen beanspruchen dürfen. Nun aber berichten Beschäftigte des NDR, dass auch der Sender selbst Stellenbewerber zum Bluttest bitte.
Als eine "Unverschämheit" habe sie die Blutuntersuchung im Bewerbungsverfahren empfunden, sagte eine NDR-Journalistin der taz. Grundsätzlich sei es dem Sender damit auch möglich, Hinweise auf eine Schwangerschaft zu erhalten, die er rechtlich gar nicht erfragen dürfe.
Der NDR bestätigte, dass allen Bewerbern, die einen Arbeitsvertrag erhalten sollen, Blut abgenommen werde. "Der Betriebsarzt teilt dem NDR lediglich mit, ob ein Bewerber für die vorgesehene Tätigkeit geeignet ist oder nicht", sagte Pressesprecher Martin Gartzke. Die Einzelheiten der Diagnose würde der Arzt nicht weitergeben.
Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn kritisierte diese Praxis des NDR. "Das ist nicht zu rechtfertigen", sagte der Arbeitsrechtsexperte. In der Handhabung der Blutuntersuchungen beim Sender sieht er einen "Verstoß gegen das Datenschutzgesetz". Darin sei festgelegt, dass Arbeitgeber von Arbeitnehmern nur die "erforderlichen" Daten erheben dürften. Lediglich diejenigen Informationen seien für die Einstellung relevant, so Thüsing, die zur Beurteilung der Eignung eines Bewerbers notwendig seien.
Welchen Aufschluss aber soll eine Blutuntersuchung darüber geben, ob jemand ein geeigneter und guter Journalist ist? Beim NDR heißt es, die Blutwerte lieferten Anhaltspunkte, ob der jeweilige Beschäftigte "die vorgesehene Wochenarbeitszeit wird bewältigen können". "In diesem Fall überschreitet der NDR die rechtliche Grenze", erklärte dazu Gerrit Forst, Arbeitsrechtler der Uni Bonn.
Martina Perreng, Arbeitsrechtsexpertin beim Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), betonte: "Nur in wenigen Ausnahmefällen kann man sagen, dass gravierende Einschränkungen einen Arbeitnehmer daran hindern, seinen Beruf auszuüben. Nur solche Informationen darf das Unternehmen beanspruchen". Als Beispiel nennt sie den Fall eines Schlosser-Lehrlings, der epileptische Anfälle erlitt. Wegen der Gefahr im Umgang mit Maschinen konnte die Firma die Ausbildung beenden.
Derartige Einzelfälle würden aber keine flächendeckenden Blutuntersuchungen rechtfertigen. An den Blutwerten lassen sich unter anderem Informationen über Schwangerschaft und Gendefekte ablesen, die die Arbeitnehmer nicht preiszugeben brauchen.
Nicht wenige Unternehmen neigen dagegen dazu, den Spielraum, den die Gesetze lassen, sehr weit auszulegen. So räumten der Hamburger Kosmetik-Hersteller Beiersdorf und das Darmstädter Pharma-Unternehmen Merck ein, ebenfalls das Blut aller aller Stellenbewerber zu untersuchen, die gute Aussichten auf einen Job haben.
Auch der Autokonzern Daimler gab in der vergangenen Woche zu, Bewerber einer Blutuntersuchung zu unterziehen. Das Thema wird deshalb so kontrovers diskutiert, weil in jüngster Zeit einige Unternehmen unkorrekt oder illegal mit den Daten von Beschäftigten und Kunden umgegangen sind.
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