Überwachung des Internets: Wenn FBI und Microsoft tüfteln
„Prism ist nun in der Lage, Skype-Kommunikation zu sammeln“, zitiert Glenn Greenwald ein Schreiben der NSA. Und was weiß Skype davon?
BERLIN taz | Wie freiwillig ist sie eigentlich, die Zusammenarbeit zwischen IT-Konzernen und dem US-Geheimdienst NSA?
Kurz nach den ersten Enthüllungen über das Überwachungsprogramm Prism beeilten sich die Unternehmen zu dementieren: Man gebe keine Nutzerdaten ohne gerichtliche Anordnung heraus und schon gar nicht freiwillig oder über Hintertüren, lautete die Antwort von Microsoft, Yahoo, Google und den anderen aus der Internet- und Telekommunikationsbranche. Doch dass die Geheimdienste ihre Daten nicht allein aus dem Anzapfen von Unterseekabeln, der erzwungenen Herausgabe von Daten über die Geheimdienstgerichte Fisa und der Kooperation mit anderen Geheimdiensten bekommen, zeigt Glenn Greenwald in seinem neuen Buch „Die globale Überwachung“.
Er beschreibt dort unter anderem mehrere Programme, mit denen die NSA Zugang zu den Daten von Telekommunikationsfirmen erhält. Die Firmen übernehmen für ausländische Anbieter etwa den Aufbau oder die Wartung der Netzwerke – und leiten die Kommunikationsdaten von Nutzern der anderen Anbieter so an die NSA weiter. Die Kooperation scheint fruchtbar zu sein. Greenwald zitiert aus Dokumenten, denen zufolge drei Viertel der im Rahmen des Programms „Fairview“ erhaltenen Metadaten aus einer einzigen Quelle stammen.
Darüber hinaus kommt den US-Geheimdiensten zugute, dass ein Großteil des Datenverkehrs im Internet irgendwann einmal über US-Infrastuktur läuft. Greenwald zufolge kooperieren auch Unternehmen, die Zugriff auf diese sogenannten Flaschenhälse haben, mit der NSA. Um welche Unternehmen es sich dabei handelt, bleibt geheim – dem Autor zufolge werden in den von Snowden gesicherten Unterlagen nur Codenamen verwendet, die wahre Identität sei eines der am besten gehüteten Geheimnisse der NSA.
Dementis fürs Image
Die großen Internetdienstleister und IT-Unternehmen haben nach den Prism-Enthüllungen eine Zusammenarbeit dementiert. Greenwald weist in seinem Buch auf Lücken in der Argumentation hin: Wer das Vorhandensein einer technischen Hintertür bestreitet, kann immer noch auf anderen Wegen Daten liefern, wer keinen „direkten Zugang“ gewährt, einen indirekten ermöglichen. Zudem: Wenn es – wie von den Konzernen dargestellt – bei Prism nur um ein etwas nachgerüstetes Programm gehe, mit dem Daten herausgegeben würden, zu deren Weitergabe die Unternehmen gesetzlich sowieso verpflichtet seien – warum klage Yahoo dann dagegen?
Greenwald präsentiert ein Dokument, das die an Prism teilnehmenden Dienste aufführt und dabei praktisch alle großen Namen nennt: Google und Facebook, Microsoft, Apple, Youtube, Skype und AOL. Am Beispiel Microsoft zeigt Greenwald, wie bereitwillig das Unternehmen mit der NSA kooperiert haben soll. Demnach hat der Konzern unter anderem bei seinem E-Mail-Dienst Outlook und beim Telefonie-Angebot Skype aktiv daran mitgewirkt, dass Geheimdienste Zugang zu Nutzerdaten bekommen, die ihnen ohne Hilfe verbogen geblieben wären.
„Prism ist nun in der Lage, Skype-Kommunikation zu sammeln“, heißt es in einem zitierten Schreiben vom 3. April 2013. Ein anderes Schreiben aus dem Jahr 2012, als Microsoft eine neue SSL-Verschlüsselung für seine Outlook-Kunden eingeführt hat, wird noch deutlicher: „MS (Microsoft, Anm. d. Red.) hat in Zusammenarbeit mit dem FBI eine Überwachungsmöglichkeit für das neue SSL entwickelt.“
Greenwalds These: Ziel der US-Regierung sei eine vollständige Abschaffung der digitalen Privatsphäre, weltweit. Ein Ziel, von dem so mancher IT-Konzern nicht so weit entfernt zu sein scheint. Trotzdem bedeuten die Berichte für die Unternehmen vor allem einen Imageschaden. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zeigte sich verärgert: „Die Regierung hat gesagt, macht euch keine Sorgen, wir spionieren keine Amerikaner aus. Wunderbar, das ist wirklich hilfreich für Unternehmen, die mit Menschen in der ganzen Welt arbeiten wollen.“
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