Übertragung der Fußball Bundesliga: Das Runde bleibt im Eckigen
Bundesligafußball soll weiterhin im Free-TV angeboten werden. Fehlt dem deutschen Sport jetzt ganz viel Geld und damit die Wettbewerbsfähigkeit?
Was erlauben Kartellamt? So lautete sinngemäß die Reaktion vieler Fußballfunktionäre in den vergangenen Tagen, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass die Kontrollbehörde das von der Deutschen Fußball Liga (DFL) vorgesehene Vermarktungsmodell für die TV-Rechte ab der Saison 2009/10 nicht akzeptieren wird. Keine Luca Tonis könnten mehr verpflichten werden, hieß es - wobei so getan wurde, als hätten sämtliche Hoffnungsträger aus der Ferne hier derart eingeschlagen wie der Italiener -, zudem sei die Finanzierung neuer Stadien gefährdet. DFB-Boss Theo Zwanziger dramatisierte: "Das Kartellamt gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Fußballs", das gelte auch für "unsere Nationalmannschaften".
Solche Klagelieder werden uns wohl erhalten bleiben. Am Donnerstag haben die Wettbewerbswächter das "Vermarktungsmodell förmlich untersagt, wenn die DFL daran festhalten sollte", weil es eine "deutliche" Verschlechterung der "Rahmenbedingungen zulasten der Verbraucher" mit sich bringe. Die Behörde sagt, im Interesse des Verbrauchers müsse eine Zusammenfassung der Samstagsbegegnungen im Free-TV vor 20 Uhr, mithin "an einem weiten Bevölkerungskreisen zugänglichen Sendeplatz" (Kartellamtsboss Bernhard Heitzer), festgeschrieben werden. Die Argumentation dahinter: Gibt es eine derart zeitnahe Sendung nicht, ist der Bundesliga-interessierte Zuschauer gezwungen, den Pay-TV-Sender Premiere zu abonnieren, der nachmittags live überträgt, oder seine Leidenschaft für die Eliteliga zu zügeln - was auch den Klubs und ihren Werbepartnern kaum recht sein dürfte.
Viele Fußballapparatschiks befürchten nun, dem Vertrag mit der als Makler vorgesehenen Leo-Kirch-Firma Sirius sei die Basis entzogen, weil diese die Rechte nicht mehr zu dem geplant hohen Preis an Premiere verkaufen könne. Von 80 Millionen Euro Mindereinnahmen pro Saison ist die Rede. Droht deshalb der Untergang der Fußballstandorts Deutschland? Wird wegen der Entscheidung der Kartellis der Unterschied zwischen der spanischen und deutschen Nationalelf, wie er sich im EM-Finale offenbarte, mittelfristig noch größer? Letztere Thematik streifte der Fußballfreund Heitzer am Donnerstag, als er auf die TV-Rechte-Lage in England anspielte, die hiesige Funktionäre gern als paradiesisch preisen: "Das Abschneiden der englischen Nationalmannschaft in internationalen Wettbewerben (EM, WM) scheint von den Segnungen der hohen Pay-TV-Renditen nicht eben befördert zu sein." In England gibt es keinerlei Ligafußball im Free-TV vor 22 Uhr.
Die Frage, wie wettbewerbsfähig der hiesige Fußball ist, hängt von vielerlei ab, auch davon, ob Vorstände ähnlich kompetent sind wie die Kollegen internationaler Spitzenclubs, des Weiteren von der Modernität des Trainings und der Effizienz der Talentsichtung. In all diesen Bereichen haben die deutschen Vereine in den letzten Jahren aufgeholt, aber Nachholbedarf besteht noch.
Im aktuellen Wirbel ist im Übrigen untergegangen, dass die Kartellis keine Einwände haben gegen die von Sirius und der DFL vorgesehene Zersplitterung der Spieltage und die Ausdehnung der Anstoßtermine in der 1. Liga auf den frühen Nachmittag und in der 2. Liga auf 12.30 Uhr (sonntags) bzw. 13 Uhr (samstags) - obwohl dies für einen Teil der Verbraucher Nachteile bedeutet, nämlich Fans, die das Stadion der Couch vorziehen.
Sollte Sirius nun endgültig aus dem Spiel sein, muss das für die Branche kein Nachteil sein. Die Entscheidung der Behörde könnte die DFL zum Anlass nehmen, auf die Einschaltung derartiger Zwischenhändler, die bei den TV-Deals ja auch auf ihre Kosten kommen wollen, zu verzichten und sich statt dessen mit Leuten zu verstärken, die kompetent genug sind, Verhandlungen mit den Sendern direkt zu führen. Thomas Kupfer, Autor des auf europaweiten Recherchen basierenden Buch "Erfolgreiches Fußballclub-Management. Analysen - Beispiele - Lösungen" (2006), sieht eine der "großen Schwächen" des deutschen Fußballs grundsätzlich darin, dass "Drittfirmen" hier so eine starke Rolle spielen. Viele Vereine überlassen ihre Vermarktung Agenturen wie etwa Sportfive; an allen Einnahmen aus TV-Rechte-Verkauf, Bandenwerbung und Stadionnamensrechtvermietung sind solche Zwischenhändler beteiligt. Ähnliche Regelungen gibt es in Bereichen wie Merchandising und vor allem Catering.
Bernd Hoffmann, der Vorstandschef des HSV, der im Oktober auf der DFL-Mitgliederversammlung als Einziger gegen den eilig verabschiedeten Deal mit Sirius stimmte, sagte damals, er stelle "grundsätzlich infrage, ob man das Agenturmodell braucht. Ich hätte eine Menge Sympathie dafür, alles selbst auszuverhandeln." Wer könnte das besser wissen als Hoffmann? Er stand früher an der Spitze der Agentur Sportfive.
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