Überschwemmungen in Australien: Wenn Regenbomben normal werden
Die größte Stadt Australiens steht vor einer Flutkatastrophe. Experten warnen, dass derartige Extreme zu einer konstanten Gefahr werden könnten.
![eine Frau und ein Mann stehen auf einer Straße fast bis zur Hüfte im Wasser eine Frau und ein Mann stehen auf einer Straße fast bis zur Hüfte im Wasser](https://taz.de/picture/5424417/14/Australien-Ueberschwemmung-1.jpeg)
Die Stadt und das Gebiet südlich der Metropole müssten sich auf Überschwemmungen gefasst machen, wie sie in den vergangenen Tagen nördlich liegenden Städte wie Ipswich, Lismore und Ballina durchgemacht hatten. Dort sind weiterhin Hunderte von Häusern bis zum Dach überflutet. Straßen können nur in Booten befahren werden. Die Landwirtin und Grünen-Kandidatin Sue Higginson berichtete auf Twitter aus Lismore: „Leute stehen auf ihren Dächern oder haben im Dachboden Zuflucht gesucht. Einige schreien um ihr Leben, während das Wasser weiter steigt.“ Der stellvertretende Ministerpräsident von New South Wales, Paul Toole, sprach am Mittwoch von einem „katastrophalen Ereignis“. Die Regierungschefin von Queensland, Annastacia Palaszcuk, nannte die Situation „unbeschreiblich“. Viele Menschen seien obdachlos, weinten und wüssten nicht, wie es weitergehen solle.
Eine sogenannte Regenbombe – tagelang anhaltender, intensiver Regenfall – sei die Folge einer Kombination mehrerer klimatischer Faktoren, erklärt der Meteorologe Ben Domensino. Ein Tiefdruckgebiet liefere die Feuchtigkeit, während gleichzeitig höher in der Atmosphäre kältere Luft zu Instabilität führe. Das habe zur Folge, dass Feuchtigkeit in die Atmosphäre hochgetrieben werde, um danach als Starkregen auf die Erde zu fallen. Am Mittwoch warnte der Wetterdienst in Queensland zudem vor „gigantischem Hagel“ und möglicherweise zerstörerischen Windböen.
Während Rettungskräfte versuchen, Menschenleben und Tiere in Sicherheit zu bringen, streiten Politiker und ExpertInnen über die Ursachen des Extremregens. Wie Dominic Perottet, der konservative Premier des Bundesstaates New South Wales, erklärte, handle es sich bei den Überflutungen um ein Ereignis, das „einmal in 1.000 Jahren“ stattfinde. Professorin Lesley Hughes von der unabhängigen Expertengruppe Climate Council dagegen warnte, solche Katastrophen würden bald zur Norm, wenn es nicht gelinge, die globale Klimaerhitzung unter Kontrolle zu bringen.
Klimaforscher warnen seit Langem
Weitere Akademiker bestätigten diese Woche, dass die Veränderung des globalen Klimas mit für die eskalierende Wettersituation verantwortlich sei. Mitglieder der konservativen Regierung von Premierminister Scott Morrison verurteilten solche Äußerungen postwendend als „unangebracht“, zu einem Zeitpunkt, an dem „noch immer Menschen aus den Fluten gerettet werden müssen“. Die für Katastrophenhilfe zuständige Ministerin Bridget McKenzie sagte, „niemand hätte die Situation voraussehen können“. Dabei warnen Klimaforscher schon seit Jahren vor einer Intensivierung von Wetterextremen wie Überschwemmungen, Dürre und Waldbränden.
Genau dieses Szenarium wurde diese Woche im neusten Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderungen (IPCC) bestätigt. In einem Kapitel über die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auf die australisch-asiatische Region warnt der IPCC vor „kaskadenartigen, sich verstärkenden und kumulativen Auswirkungen auf Städte, Siedlungen, Infrastruktur, Versorgungsketten und Dienstleistungen aufgrund von Waldbränden, Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen, Stürmen und dem Anstieg des Meeresspiegels“. Sowohl in Australien als auch in Neuseeland werde mit einer Zunahme von Wetterextremen gerechnet, die zu intensiveren Buschbränden, Dürren und Überschwemmungen führen und „eine konstante Gefahr für Menschen und Ökosysteme“ würden.
Im Süden und Osten Australiens sowie im Norden und Osten Neuseelands werde „mit extremerem Feuerwetter gerechnet. Die Intensität der Niederschläge wird voraussichtlich zunehmen, und im Süden und Osten Australiens sowie im Norden Neuseelands wird es häufiger zu Dürreperioden kommen“, heißt es in dem Bericht. Die Forscher warnen, der Anstieg des Meeresspiegels könne die Ökologie und menschliche Behausung in niedrig gelegenen Küstengebieten zerstören. Aufgrund von Hitzewellen werde die Sterblichkeitsrate von Menschen und Wildtieren in ganz Australien zunehmen.
Neun spezifische Risiken für Australien
Vor zwei Jahren tobten entlang der australischen Ostküste die schwersten Waldbrände der Geschichte. Hunderttausende von Hek-tar Wald standen zeitweise in Flammen. 34 Menschen kamen in den Feuern um. Hunderte weitere starben an den Folgen von Rauchvergiftung. Mindestens drei Milliarden Säugetiere, Vögel und Reptilien kamen um. Trotz solch deutlicher Anzeichen von Klimaveränderung weigert sich die australische Regierung, ernsthafte Anstrengungen zum Klimaschutz zu unternehmen, wie Kritiker sagen. So plant Canberra eine im internationalen Vergleich minimale Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 von zwischen 26 und 28 Prozent im Vergleich zu 2005 und strebt Klimaneutralität erst bis 2050 an. Gleichzeitig hält die Regierung Morrison strikt am Gebrauch und der Förderung fossiler Brennstoffe fest. Australien ist einer der führenden Exporteure klimaschädigender Kohle.
Der IPCC-Bericht nennt neun spezifische Risiken für die australisch-pazifische Region, darunter der Verlust und die Zerstörung der australischen Korallenriffe, der Verlust der biologischen Vielfalt und der Baumbestände in alpinen Gebieten sowie der Verlust der ökologisch wichtigen Unterwasser-Kelpwälder in Südaustralien. Grosse Riffsysteme wie das Great Barrier Reef stehen als Folge höherer Wassertemperaturen bereits unter starkem ökologischem Stress. „Auf vielen kleinen Inseln, insbesondere im Pazifik und im Indischen Ozean, wurden schwere Korallenbleiche und ein Rückgang des Korallenbestands beobachtet“, heißt es in dem Bericht. „Bei einer Erwärmung um mehr als 1,5 Grad wird weltweit mit einem weiteren Verlust von 70-90 Prozent der riffbildenden Korallen gerechnet, wobei 99 Prozent der Korallen bei einer Erwärmung um 2 Grad oder mehr gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum verloren gehen“, so die Forscher.
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