Überraschender Besuch: Spahn und Miersch gemeinsam in Kyjiw eingetroffen
Die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD sind nach ihrem Teambuilding zusammen in die Ukraine gereist. Es soll auch um weitere Unterstützung gehen.

Die gemeinsame Reise zeige, „dass nicht nur die Regierung fest an der Seite der Ukraine steht, sondern auch das Parlament, die Mehrheit im Parlament, die Koalitionsfraktionen“, sagte Spahn auf der Zugfahrt von Polen nach Kyjiw. „Es ist insofern ein gutes Zeichen für die Ukraine, aber auch ein gutes Zeichen für die Entschlossenheit der Koalition.“
Miersch bezeichnete den gemeinsamen Besuch als „klares Signal der Unterstützung der Ukraine“. Es sei „ganz entscheidend, dass das ein gemeinsames Signal ist“.
Der Besuch ist ein Novum: Zwar waren auch zu Zeiten der Ampel-Regierung Mitglieder unterschiedlicher Koalitionsparteien gemeinsam in Kyjiw, aber nicht auf Ebene der Fraktionschefs. Sowohl für Spahn als auch für Miersch ist es der erste Ukraine-Besuch überhaupt.
Miersch zu Bundeswehreinsatz: „Schließen nichts aus“
Der Bundestag spielt eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung des vor dreieinhalb Jahren von Russland angegriffenen Landes. Er bewilligt Haushaltsmittel für die Unterstützung der Ukraine und hätte das letzte Wort, wenn es nach einem Waffenstillstand um die Entsendung deutscher Soldaten gehen würde. Dazu hat die Bundesregierung sich noch nicht klar positioniert.
Spahn betonte, dass die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine eine gut ausgerüstete ukrainische Armee sei. „Das, was die ukrainische Armee leisten kann, kann keine andere Armee leisten.“ Deswegen müsse sie bestmöglich ausgestattet werden. Eine Debatte über alles, was darüber hinausgehe, sei verfrüht. Das unterstrich auch Miersch – er sagte zu einer möglichen Entsendung von Bundeswehrsoldaten aber auch: „Wir schließen nichts aus.“
Ein anderes ehemaliges Streitthema in Sachen Ukraine haben Union und SPD inzwischen durch ein Schweigegelübde vom Tisch genommen. Über eine mögliche Lieferung der von der Ukraine bis nach Moskau reichenden Taurus-Marschflugkörper wird – wie auch über andere deutsche Waffensysteme für die Ukraine – nicht mehr öffentlich gesprochen. Begründung: Man wolle Russland darüber im Ungewissen lassen.
Besuch bei deutschen Soldaten
Spahn und Miersch fuhren wie alle ausländischen Besucher wegen der Sperrung des Luftraums mit dem Zug von Polen nach Kyjiw. Auf dem Weg besuchten die beiden im polnischen Rzeszów Bundeswehrsoldaten, die dort mit zwei Patriot-Luftabwehrsystemen den Flughafen schützen, der als wichtigster Umschlagplatz für die Versorgung der Ukraine mit westlichen Waffen gilt. Nirgendwo sonst sind Bundeswehrsoldaten dem Krieg so nahe. Der Flugplatz ist etwa 60 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
Die gemeinsame Reise ist nicht nur ein Signal an die Ukraine, sondern auch an die eigenen Parteien und die deutsche Öffentlichkeit. Spahn und Miersch wollen zeigen, dass Union und SPD nach dem holprigen Start der Koalition an einem Strang ziehen. Damit schließen sie an die gemeinsame Klausurtagung der beiden Fraktionsvorstände Ende vergangener Woche an, bei der ein Neustart von Schwarz-Rot zelebriert wurde. Miersch hatte zum Ende der Tagung gesagt, zwischen ihm und Spahn sei „etwas gewachsen“, und man könne „wirklich miteinander was Gutes hinkriegen“.
In Würzburg hatten die Koalitionsspitzen die Bedeutung des Ukraine-Kriegs für die Sicherheit Europas herausgestellt. „Wir werden alles tun, damit sich die Ukraine gegen Russland verteidigen und aus einer Position der Stärke verhandeln kann“, erklärten die Fraktionsspitzen.
Die Hoffnung auf ernsthafte Verhandlungen ist in den vergangenen zwei Wochen seit dem Treffen von US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin aber wieder geschwunden. Der in Aussicht gestellte Gipfel zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist nicht zustande gekommen. Eine Reaktion der Europäer darauf wird für die nächsten Tage erwartet. Wie Trump mit der Situation umgehen wird, ist noch offen.
Weiter massive russische Angriffe
Spahn will den Besuch auch als Signal an Putin verstanden wissen. „Es ist Putin, der Krieg will, der keinen Frieden will“, sagte er auf der Fahrt nach Kyjiw. Wenn er nicht an den Verhandlungstisch kommen wolle, sei Deutschland bereit, die Ukraine weiter militärisch zu unterstützen.
Die Luftangriffe auf die Ukraine haben nach dem Russland-USA-Gipfel in Alaska wieder zugenommen – auch auf die Hauptstadt Kyjiw. Am Donnerstag wurde ein Wohnhaus am östlichen Stadtrand durch eine Rakete stark zerstört – mehr als 20 Menschen kamen ums Leben. Zudem schlugen zwei Marschflugkörper in einem Haus in der Innenstadt ein. Infolge der Explosionen wurden die nahe gelegenen Gebäude der Vertretung der Europäischen Union und des britischen Kulturinstituts British Council in Mitleidenschaft gezogen.
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