Übernahme von ProSiebenSat.1: Wenn Berlusconi kocht, schmeckt die Suppe nicht
Pier Silvio Berlusconi hat ProSiebenSat.1 übernommen und die Spitze ausgetauscht. Wenn Fernsehen ist wie Kochen, dann brodelt es in der Senderküche.
B ei den Münchner Medientagen findet alle Jahre wieder ein kleines Get-together der ProSiebenSat.1-Führung und ihrer Pressestelle mit Journalisten statt. Auch diesmal wurde wie immer eingeladen, gleich für den Auftakt-Mittwoch.
Bloß dass dann am Mittwochmorgen die Mail kam, dass aufgrund der aktuellen Lage „keine Vertreter des Vorstands“ teilnehmen würden. Denn die waren am Vortag ja alle in bestem Einvernehmen gegangen. Wer’s glaubt. Natürlich haben alle nochmal höflich zum Abschied geheuchelt.
Ex-Vorstandschef Bert Habets schrieb auf LinkedIn, er werde „vor allem die Menschen vermissen“, Sternchen inklusive. „Die kreativen, leidenschaftlichen und engagierten Kollegen, die nie vor neuen Ideen zurückschrecken – die Veränderungen annehmen und Dinge bewegen“, hätten „diese Reise zu etwas ganz Besonderem gemacht!“ Seinem Nachfolger aus Italien wünschte Habets sogar noch „alles Gute und viel Erfolg dabei, dieses großartige Unternehmen in seine nächste Phase zu führen“.
Da wurde Martin Mildner, ehemals Finanzvorstand der Sendergruppe, schon etwas deutlicher und vor allem ehrlicher. Der schrieb, nun ende nicht nur ein Kapitel für ihn selbst, sondern auch für ProSiebenSat.1 „als eigenständiges Medienunternehmen“.
Weimer mahnt Berlusconi
Ein bisschen muss einem der Laden schon leidtun. Denn seine Mitarbeitenden wurden schon immer alle paar Jahre vor vollendete Tatsachen gestellt, die sie dann ausbaden durften. Viel eigenen Spielraum wird es in Unterföhring nicht mehr geben. „Steht das MFE-Logo schon an der Wand vom ProSieben-Hauptquartier?“, fragt die Mitbewohnerin. Natürlich lässt sich viel über das Programm der Privaten, meckern. Aber da verschwindet mal eben die eine Hälfte des deutschen Privatfernsehens. Und keineN stört’s.
Nur der unvermeidliche Medienstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) nahm bei den Medientagen nochmal Anlauf und mahnte den neuen ProSiebenSat.1-Überboss Pier Silvio Berlusconi, sich brav an seine Versprechen zu halten, nicht redaktionell-journalistisch in die Sender reinzupfuschen. Weimer will also „genau hinschauen“, ob sich Berlusconi an die Zusagen hält, die er Weimer Anfang September bei einem Besuch in Berlin gegeben hat.
Damals habe ihm Berlusconi erklärt, dass gutes Fernsehen am Ende genauso wie gutes Kochen funktioniert, ließ sich Weimer in München in den Topf gucken. Um dann selbst Berlusconi ein frisches „Ich empfehle Ihnen: Lassen Sie die Redaktionen in Unterföhring herzhaft kochen, aber achten Sie darauf, dass die Dinge bei den Mitarbeitern nicht anbrennen“ ins Rezeptbuch zu schreiben.
Doch angebrannt ist die ganze Chose schon mit der nicht ganz freundlichen Übernahme durch MFE. Bleibt zu hoffen, dass auch dieses Mal ProSiebenSat.1 nicht ganz abbrennt. „Alle haben nun in die Suppe gespuckt und es schmeckt furchtbar“, meint die Mitbewohnerin.
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