Übergriffe auf Frauen mit Behinderung: Gewalt in betreuter Wohngruppe
In einer Gruppe für Erwachsene mit Behinderungen in Bremen sollen Mitarbeiter gewalttätig geworden sein. Opfer sind drei junge Frauen.
Alle drei jungen Frauen der Wohngruppe seien demnach körperlicher und verbaler sowie psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen. Die Einrichtungsleitung und mehrere Mitarbeiter der Wohngruppe seien nach Bekanntwerden der Vorwürfe vergangene Woche unverzüglich vorübergehend freigestellt worden. Friedehorst habe Strafanzeige erstattet und die Wohn- und Betreuungsaufsicht der Sozialbehörde unterrichtet.
Der taz bestätigt Stiftungsvorsteher Pastor Manfred Meyer die Vorfälle. Was genau passiert ist, werde jetzt geprüft. Nachdem eine Mitarbeiterin auf mögliche Vorfälle hingewiesen habe, habe die Stiftung sofort die Polizei eingeschaltet. „Es geht nach dem, was wir wissen und wo wir begründeten Anlass haben, das anzunehmen, um körperliche und psychische Gewalt“, sagt Meyer. Es gehe dabei ausdrücklich nicht um sexualisierte Gewalt.
Die Bewohner:innen würden nun psychologisch unterstützt, in Abstimmung mit der Wohn- und Betreuungsaufsicht des Landes Bremen sollten sie ärztlich untersucht werden. Der Stiftung sei es wichtig, „dass wir die Bewohnerinnen nach Bekanntwerden der Verdachtsmomente sofort schützen“, sagt Meyer. Auch weil es im Land Bremen kaum ein anderes Angebot gebe, diese Personengruppe zu versorgen.
Wohngruppe befand sich im Aufbau
Bei der Wohngruppe handelt es sich laut der Leistungsvereinbarung zwischen der Sozialbehörde und der Stiftung um ein „intensivpädagogisches Angebot in einer Besonderen Wohnform für erwachsene Menschen“ (IBW) mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, „die massivste Selbst- und/oder Fremdgefährdung sowie massivste herausfordernde Verhaltensweisen zeigen und noch nicht in der Lage sind, in einer weniger strukturierten und intensiv begleiteten Wohnform zu leben.“
Dort lebten auch Menschen, „deren gesellschaftliche Normfähigkeit beschränkt ist“ und die gegenüber sich selbst und anderen in bestimmten Situationen zur Gewalt neigen, so Meyer. In anderen Bundesländern würden diese Menschen in geschlossenen Einrichtungen untergebracht, betont die Sozialbehörde.
Entstanden ist das Angebot im Rahmen der Reform des 2023 vollständig in Kraft getretenen Bundesteilhabegesetzes, bei der die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe herausgenommen und zu einem Leistungsrecht innerhalb des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) wird. Das Gesetz soll die Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderungen stärken, Verbände kritisieren aber auch eine zu geringe finanzielle Ausstattung, zu hohe bürokratische Hürden und mangelnde Flexibilität, was eine individuelle Gestaltung der Unterstützung erschwert.
Vorgang soll aufgearbeitet werden
Die Wohngruppe ist die dritte dieser Art bei der Friedehorst. Sie existiert erst seit dem 10. Juni dieses Jahres und befindet sich noch im Aufbau. Eine weitere Wohngruppe mit fünf Personen gebe es schon länger, in einem anderen Setting werde zudem ein Jugendlicher einzeln betreut. Zur personellen Ausstattung der Wohngruppen gehört ein Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr im Einsatz ist.
Die Friedehorst wurde als diakonische Stiftung des kirchlichen Rechts 1947 auf dem Gelände einer ehemaligen Wehrmachtskaserne in der Rotdornallee in Bremen-Lesum gegründet. 1956 war sie die erste Einrichtung in Norddeutschland, die Ausbildungskurse für junge Menschen mit Behinderung anbot.
Die Behörde kündigt an, den Vorgang „umfassend und mit externer Expertise“ aufzuarbeiten. Am Donnerstag kommender Woche will die Sozialsenatorin der Fachdeputation für Soziales, Jugend und Integration in nichtöffentlicher Sitzung Bericht erstatten. Die Stiftung Friedehorst wolle zudem ihr pädagogisches Konzept für diese Wohngruppen prüfen, sagt Mayer.
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