Überforderte BAMF-Mitarbeiter: Regierung hat keine Ahnung
Die BAMF-Mitarbeiter stehen seit der Zunahme der Flüchtlingszahlen unter Druck. Eine Linken-Abgeordnete wollte von der Regierung wissen, wie sehr.
Nach dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 wurde das heillos überforderte BAMF in Windeseile zu einer möglichst effizienten und schnellen Erledigungsfabrik umgebaut – mit schwerwiegenden Folgen für viele Asylsuchende, die allzu oft fehlerhafte und rechtswidrige Ablehnungsbescheide erhielten. Allein im Jahr 2017 gab es 32.486 Bescheide des BAMF, die von den Verwaltungsgerichten im Sinne der Geflüchteten korrigiert werden mussten. Die Erfolgsquote liegt bei 40,8 Prozent. Ein Armutszeugnis für die Behörde.
Mit dafür verantwortlich sein dürfte die Überlastung vieler BAMF-MitarbeiterInnen. „Der politische Druck, schnell eine große Zahl von Anträgen zu entscheiden, ging auf die Knochen aller Beschäftigten, die bis an ihre persönliche Grenze gearbeitet haben“, beklagt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Entsprechend hoch soll der Krankenstand sein. Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Jutta Krellmann wollte nun Genaueres wissen. Doch bei der Bundesregierung biss sie damit auf Granit.
In einer schriftlichen Anfrage hatte Krellmann wissen wollen, wie hoch die Zahl der krankheitsbedingten Fehlzeiten im BAMF ist. Und sie wollte erfahren, inwieweit eine nach dem Arbeitsschutzgesetz seit 2014 vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastungen bei der Arbeit im BAMF durchgeführt wurde.
Die Antworten der Bundesregierung, die der taz vorliegen, fallen dürftig aus. „Aufgrund des Personalaufwuchses von rund 200 Prozent im Jahr 2016 (von rd. 3.000 auf 9.000 Stellen) ist eine belastbare Fehlzeitenstatistik nicht darstellbar“, ist da zum einen nachlesbar. „Im BAMF wurde bislang keine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt“, heißt es zum anderen. Aber sie sei aktuell „in Planung“ und werde „als Pilot in einer Abteilung des BAMF starten“.
Ein Skandal
Wann das sein wird, darüber macht das Schreiben keine Angaben. Zum Vergleich: Im übergeordneten Bundesinnenministerium liegt der Anteil der Beschäftigten, für die seit 2014 eine Gefährdungsbeurteilung „psychische Belastung“ durchgeführt wurde, nach Auskunft der Bundesregierung bei 100 Prozent. Ebenso verhält es sich im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Die Situation der Beschäftigten im BAMF sei ein Skandal, kommentiert Krellmann. „Das Versagen von Bundesinnenminister Seehofer grenzt an vorsätzliche Körperverletzung“, empört sich die Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linksfraktion. Ständig Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen und gleichzeitig die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu ignorieren, seien nur zwei Seiten derselben Medaille.
„Seit Jahren wird die Behörde systematisch an die Wand gefahren: Dauerbefristungen, Überstundenberge und Burnout-Bedingungen“, konstatiert Krellmann. Die Beschäftigten müssten für die politische Inkompetenz von Seehofer und seinem Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) den Kopf hinhalten. Das sei empörend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr