Über uns die Milchstraße: Auf zu den Sternen
Sterne im Havelland und Sterne über der Krim: Sie leuchten gleich hell und sind doch nicht gleich. Über eine Nachtwanderung im Sternenpark.
M eine Bekannte Jekaterina nahm einmal an einer „Sternfahrt“ mit Pkws zu Deutschlands erstem Sternenpark teil. Als einen solchen bestimmt und benannt hatte ihn eine „International Dark Sky Association“ in Arizona, die sich dem Kampf gegen „Lichtverschmutzung“ widmet. Das „Dark Sky Reserve“ ist ein über 1.000 Quadratkilometer großes „Nachtschutzgebiet“ bei Gülpe im Havelland. Darin gibt es zehn Beobachtungsplätze, von denen aus man des Nachts in die Sterne guckt, wobei der Norden des Reservats besonders dunkel, also für Himmelsbetrachtungen sehr geeignet ist, weil es dort kaum menschliche Ansiedlungen gibt.
Die Teilnehmer der „Sternfahrt“ bestanden aus neun von verschiedenen Orten angereisten Russen, darunter astronomisch und ornithologisch Interessierte. Sie hatten sich Karten mit den fünf „Highlights“ des Sternenparks ausgedruckt: den WestHavelländer Astrotreff (WHAT), den Sternenblick Parey (SBP), das Optikmuseum (OPM), den Optikpark (OPP) und das Naturparkzentrum (NPZ), wo sie ein Buch über den Park – „Zurück zur Nacht“ – erwarben.
Das Westhavelland ist ein bedeutender Rastplatz für Zugvögel, vor allem für Kraniche und Wildgänse. Um diese zu beobachten, hätten die Sternfahrer jedoch schon tagsüber dort sein müssen, denn dann kreisen diese Vögel in Massen am Himmel. Die Hobbyornithologen verdross es jedoch nicht, dass sie zu spät losgefahren waren, denn dafür ziehen dort nach Sonnenuntergang unzählige Sterne, Kometen und die internationale Weltraumstation ISS ihre Bahnen, wie es in einem Interneteintrag über die vier deutschen Sternenparks heißt.
Ein Teilnehmer erzählte, dass allein die Milchstraße aus etwa 200 Milliarden Sternen bestehe, von denen man nur einen winzigen Bruchteil sehe, denn sie habe einen Durchmesser von rund 100.000 Lichtjahren. Selbst mit den besten Teleskopen ließen sich nur 50 Milliarden Galaxien beobachten. Eine Galaxie ist eine durch Gravitation zusammengehaltene Ansammlung von Sternen, Planetensystemen, Gasnebeln, Staubwolken und dunkler Materie.
Jekaterina, die bis dahin mit mäßigem Erfolg Nachtwanderungen durch Mitte für Berlintouristen angeboten hatte, interessierte sich vor allem für die Beobachtung einiger Sterne wie Orion und Sirius und das Sternbild des Großen Bären. Mit diesen hat es eine besondere Bewandtnis. Es sind an den Himmel versetzte Ermordete: Artemis, die große olympische Göttin der Jagd, des Waldes, der Geburt und des Mondes, Hüterin der Frauen und Kinder, hatte den Himmelsjäger Orion quasi aus Versehen, weil ihr Bruder Apollo sie vorsätzlich irregeführt hatte, mit Pfeil und Bogen getötet. Daraufhin blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn, den sie eigentlich heiraten wollte, zusammen mit seinem Hund Sirius zu verstirnen.
Dieser griechische Mythos hat sein Pendant bei den kanadischen Schwarzfußindianern: Eine ihrer Urmütter heiratete einen Grizzlybären und wurde dadurch selbst zu einem Grizzly. Ihre Familie wollte die zur Bärin gewordene Tochter daraufhin töten, aber sie kam ihnen zuvor, tötete ihre Familie mit Pfeil und Bogen, starb dabei jedoch selbst. Alle zusammen bilden seither das Sternbild des Großen Bären.
Von einem der Amateurastronomen ließ Jekaterina sich diese Himmelskörper zeigen, fand sie aber enttäuschend. Die gelernte Starkstromingenieurin bekam wenig später eine Stelle im Weddinger Kulturamt. Dort musste sie jedoch die Toiletten putzen, was sie so deprimierte, dass sie kündigte und zurück nach Moskau zog.
2018 fuhr sie zu einer Verwandten auf die inzwischen von Russland annektierte Krim, wo sie erst einmal blieb. Mir mailte sie, dass der nächtliche Himmel über der Krim noch viel weniger lichtverschmutzt sei als der über dem Westhavelland und man deswegen viel mehr Sterne und Sputniks sähe. Die gemeinen Amis hätten die russische Halbinsel oder Teile davon jedoch nicht als „Dark Sky Reserve“ anerkennen wollen.
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