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USAID stellt Zahlungen einPanik in der Ukraine

Medien, kritische Infrastruktur, Kleinbetrieb: kaum ein Bereich enthielt keine US-Hilfen. Nun könnte zum Krieg eine humanitäre Krise hinzu kommen.

Zentrum für Kinder von Binnenflüchtlingen in Saporischschja. Auch dafür stellte USAID finanzielle Mittel zur Verfügung Foto: Dmytro Smolienko/Avalon/imago

Luzk taz | Der Stopp großer Teile der US-Entwicklungshilfe (USAID) hat die Ukraine in Panik versetzt: Vergleiche zu Verzögerungen bei Militärlieferungen im Winter 2024 werden gezogen. Damals ging die Stadt Awdijiwka in den Region Donezk verloren, die an der Front liegt. Ex­per­t*in­nen sprechen von einer möglichen humanitären Krise, da USAID seit dem Beginn des Krieges der größte Geldgeber für Hunderte von Gemeinden und Organisationen war.

„Mehr als 90 Prozent der Mittel sind nicht an Organisationen der Zivilgesellschaft gegangen, sondern direkt an das Budget des ukrainischen Staates und der Gemeinden“, sagt der Geschäftsführer der Internationalen Renaissance-Stiftung, Alexander Suschko. Es sei sehr schwierig, diese Mittel zu ersetzen. USAID habe viele Projekte zum Wiederaufbau der Infrastruktur finanziert und Hilfe für Gemeinden geleistet. Laut Suschko werde jetzt ein erheblicher Teil der Tätigkeiten ausgesetzt werden müssen.

Seit Februar 2022 haben die Vereinigten Staaten der Ukraine über USAID 2,6 Milliarden US-Dollar an humanitärer Hilfe, fünf Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe und mehr als 22,9 Milliarden US-Dollar an direkter Budgethilfe für die ukrainische Regierung zur Verfügung gestellt, um Flüchtlingen zu helfen und Beamte zu bezahlen. Sogar die Stiftung „Wie geht es Dir“ der First Lady Elena Selenskaja, die psychologische Hilfe anbietet, erhielt von USAID Zuwendungen.

Die Behörde finanzierte Landwirte, half kleinen Unternehmen bei der Zertifizierung, rekonstruierte oder modernisierte Energieanlagen, kaufte Ausrüstung für Städte (Generatoren) und Krankenhäuser. Auch Impfungen in der Ukraine wurden größtenteils mit USAID-Geldern durchgeführt. Hinzu kamen Computer für Schulen und Lehrbücher.

Strom und Wärme

In der westukrainischen Stadt Luzk mit 200.000 Ein­woh­ne­r*in­nen finanzierte USAID 2024 mit 500.000 US-Dollar ein Blockheizkraftwerk, das durch die Verbrennung von Gas gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt. Die Anlage wurde zu einer „Versicherung“ für den Fall eines Stromausfalls nach russischen Raketenangriffen.

Die Kleinstadt Boratin in der Nähe von Luzk kam ebenfalls in den Genuss von USAID-Mitteln. Laut der Mitarbeiterin des Rathauses, Aleksandra Los, habe das örtliche Krankenhaus Geräte für Diagnostik erhalten. Die Amerikaner kauften einen mobilen Lichtmast mit Generator, ein automatisiertes Außenbeleuchtungssteuerungssystem, Generatoren, Kleidung für Feuerwehrleute und Ausrüstung für Schulkantinen. Das Abschlussforum eines Projektes zur Unterstützung Jugendlicher, das Ende Januar hätte stattfinden sollen, wurde wegen der Einstellung der USAID-Hilfen verschoben.

In Boratin ist zu hören, dass die Gemeinde diese Hilfe dringend brauche, da die Haushaltseinnahmen während des Krieges zurückgegangen seien – auch, weil viele Steuerzahler das Land verlassen hätten. Für die, die geblieben seien, müsste die Situation verbessert werden – insbesondere für Geflüchtete aus der Ostukraine.

Auch bei den Medien geht die Angst um. Dutzende von ihnen haben Zuschüsse erhalten, insbesondere für investigative Projekte. „Nach dem Einbruch des Werbemarktes 2022 konnten sie nur so überleben“, sagt Natalja Pachaytschuk, Direktorin des Netzwerks lokaler Websites Rayon.in.ua. Jetzt würden ukrainische Medien nicht nur um Zuwendungen bei anderen Organisationen nachsuchen, sondern auch zu kostenpflichtige Abonnements übergehen müssen.

Immer noch optimistisch

„Ich will mir gar nicht ausmalen, wie und wann die Redaktionen sich entschließen, ein ehrliches Gespräch mit ihren Le­se­r*in­nen zu führen, um für ihre Teams an weitere Ressourcen für die Entwicklung zu kommen“, sagt Pachaytschuk.

Trotz allem: Alexander Suschko von der Renaissance-Stiftung hat sich noch etwas Optimismus bewahrt. Im Krieg habe die ukrainische Gesellschaft einen großen Schritt bei der Entwicklung einer Spenden- und Crowdfunding-Kultur gemacht. Stiftungen, die die Armee unterstützten, erhielten seit Langem zehnmal mehr Mittel von Privatpersonen als von internationalen Gebern.

„Aber um zu spenden, müssen die Leute ja das Geld von irgendwoher nehmen“, sagt Suschko. „Für eine nachhaltige Spendenkultur brauchen wir eine Mittelschicht, die nicht nur ans Überleben denken muss, sondern auch noch etwas abgeben kann.“

Aus dem Russischen: Barbara Oertel

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8 Kommentare

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  • Ich denke, der Stop von USAID wird den Krieg viel schneller beenden als die Einstellung von Waffenlieferungen es täte.



    Denn so lohnt sich die Fortführung des Krieges um den Preis tausender junger Menschenleben für die korrupte Elite der Ukraine nicht mehr.



    Wenn keine Chance mehr besteht, durch Umleitung der USAID-Hilfe auf Privatkonten Tag für Tag am Krieg zu verdienen, dann wird auch der ukrainischen Elite sehr schnell das Interesse am Krieg vergehen.



    Selensky wird das akzeptieren oder untergehen. Echte Unterstützer hat er nach all seinen Personalrochaden ohnehin kaum noch. Derzeit hält ihn die Gier der Anderen an der Macht aber das Argument stirbt gerade.



    Gut so für das Volk der Ukraine, dem der Krieg mehrheitlich zum Halse heraushängt und das schon lange zur Aufgabe des Donbass (und der dortigen russischen Bevölkerung) bereit ist wenn es dafür Frieden gibt.

  • Die Hilfe könnte z.B. von den Europäern übernommen werde, wenn es ihnen Ernst wäre mit der Unterstützung der Ukraine bis zu einem gerechten Frieden.

    • @Manfred Peter:

      Ich gebe Ihnen insoweit Recht, als es den EU 27 gemeinsam sicher möglich ist, den Ausfall von USAID finanziell zu ersetzen, ohne dass sie sich durch die Zusatzzahlungen überlasten. Insoweit - mal los, EU. Mit einem Ausfall der US Militärhilfen würden wir Europäer allerdings nicht mehr fertig, das ist neben Geld eine Frage der Kapazitäten. Die Miragejets der Franzosen sind z.B nicht umsonst erst jetzt bei der Ukraine im Zulauf.



      Ich hätte nur eine Bitte: Könnte man auf Sätze wie "Die Hilfe könnte z.B. von den Europäern übernommen werde, wenn es ihnen Ernst wäre mit der Unterstützung der Ukraine bis zu einem gerechten Frieden." vielleicht allmählich mal verzichten? Ich bin diese ständige Vorwurfshaltung nur noch satt, ich ertrags nicht mehr. 1. Es ist nicht wahr, dass Europa zu wenig leistet, EU +Mitgliedsstaaten zusammen haben bereits, alle Hilfen zusammengerechnet, mehr geleistet als die USA. Hinzukommen die Kosten für die Sanktionen, die die EU Staaten deutlich härter treffen als die USA. 2. Keine Hilfe, die realiter erwartbar ist, wird der Ukraine noch einen "gerechten Frieden" schenken können. Max. erwartbar ist ein tragfähiger Waffenstillstand ca. an der jetzigen Frontlinie.

      • @Fossibaerin:

        Die Aussage, ob zu viel oder zu wenig geleistet wurde, müßte anhand der Bedürfnisse des angegriffenen Landes getroffen werden. Wenn man sich anschaut, daß sich die Russen hinter riesigen Minenfeldern einbetonieren konnten, bevor die Offensive der Ukrainer endlich anlief, dann kann die Unterstützung in dieser Zeit ganz offensichtlich nicht bedarfsgerecht gewesen sein.

  • Es geht nicht nur um die Ukraine.

    "In Kambodscha pausiert die Minenräumung, in Myanmar schließen Hospitäler, Millionen sind von Hunger bedroht. Der Stopp der US-Auslandshilfen dürfte weltweit bittere Folgen haben."

    Quelle: www.zdf.de/nachric...aid-trump-100.html

  • Ich glaube fast, dass Trump und Putin mit äußerlich unterschiedlichen Attituden faktisch gleich schädlich für die Menschheit sind.

    • @Erfahrungssammler:

      Da kann man Ihnen nur Recht geben. Beides Verbrecher.

    • @Erfahrungssammler:

      Da kann ich Ihnen nur zustimmen!



      Was wir sehen ist das kriegerische Ringen zweier imperialistischer Großmächte - zu unser aller Lasten.