USA registrieren Briefverkehr: Mal eben den Empfänger scannen
Laut „New York Times“ scannen die US-Behörden alle Postsendungen im Land – und gewinnen unendlich viele Daten. Wie lange sie sie speichern, ist offen.
BERLIN taz | Den Vertrag mit dem Telefonanbieter kündigen, einen Brief an die Großmutter schreiben, ein Paket ins Ausland schicken. Es gibt immer noch viele Gründe, zur Post zu gehen. Mit dem Smartphone mag man im Café digital seinen Kaffee bezahlen können und auch eine digitale Unterschrift ist kein Problem mehr, doch die weiß-blauen Wagen des „United States Postal Service“ gehören zum Alltagsbild auf amerikanischen Straßen.
Fast 160 Milliarden Postsendungen bearbeitete die US-Behörde laut Jahresbericht im Jahr 2012 – und jede davon wurde abfotografiert.
Wie die New York Times berichtet, lassen die USA den gesamten Briefverkehr des Landes über das Programm „Mail Isolation Control and Tracking“ registrieren. Absender und Empfänger werden so festgehalten und auf Anfrage an Strafverfolgungsbehörden weitergeben – ohne dass vorher eine richterliche Genehmigung nötig ist.
Die in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Abhörmethoden von Telefonverbindungen und Internetdaten durch den US-Geheimdienst NSA mögen technisch anspruchsvoller sein, doch die Daten auf Briefen und Paketen sind nicht weniger wertvoll. Nicht nur Absender und Empfänger, auch wo die Post aufgeben wurde, kann so jederzeit nachverfolgt werden.
Wie die Zeitung schreibt, reicht für den Zugang zu diesen Informationen ein schriftlicher Antrag, den die Post im Normalfall nicht ablehnen würde. Ein Überblick über Wege und Beziehungsgeflechte kann so erstellt werden.
Hintergrund Anthrax-Anschläge
Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 hat der republikanische Präsident George W. Bush unter dem „USA Patriot Act“ eine Reihe von Maßnahmen durchgesetzt, um Behörden wie FBI, CIA und NSA leichteren Zugang zu Informationen zu gewähren und etwa Abhörmaßnahmen ohne viel Prozedere zu ermöglichen.
Die Registrierung des Briefverkehrs, so schreibt die New York Times, soll ebenfalls auf das Jahr 2001 zurückgehen. Zwölf Jahre später oft in Vergessenheit geraten gab es nach dem 11. September eine Reihe von Anthrax-Anschlägen, bei denen Briefe mit dem Milzbranderreger an Regierungsstellen und Politiker verschickt wurden. Fünf Menschen starben durch die Briefe. Danach soll das „Mail Isolation Control an Tracking“-Programm installiert worden sein.
Wie lange die Daten gespeichert werden, ist unklar, doch macht es erneut das Ausmaß deutlich, in dem die USA bereit sind, ihre eigenen Bürger auszuspionieren.
Wertvolle Datenquelle
Ein Briefträger, der ab und an einen flüchtigen Blick auf einen Brief werfen mag ist das eine, eine systematische Sammlung aller verschickten und verschifften Postsendungen etwas völlig anderes. Kundenströme von Geschäftsleuten, Bankdaten, Kreditkartenunternehmen – nichts bleibt verborgen. Das Öffnen von Briefen ist so fast sekundär – und dafür braucht es nach wie vor eine richterliche Anordnung. Die oft als veraltet und konservativ unterschätze Post wird so zu einer weiteren wertvollen Datenquelle für die Behörden.
Viele Amerikaner – der Patriot Act wurde 2001 mit überwältigender Mehrheit beider Parteien im Kongress verabschiedet – nehmen die Einschränkung von Bürgerrechten und Privatsphäre für ein Gefühl erhöhter Sicherheit seit Jahren in Kauf. Doch es gibt auch erste kritische Stimmen.
Mark Udall, Senator im US-Bundesstaat Colorado und Mitglied des Geheimdienstausschusses, sagte dem US-Fernsehsender ABC nach Bekanntwerden des Prism-Skandals: „Ich denke, wir sollten den Patriot Act erneuern und die Masse an Daten begrenzen, die die NSA sammelt.“ Der neue Skandal um die Postsendungen verleiht seiner Forderung weiteres Gewicht. Doch noch ist er eine Einzelstimme im Kanon der Politiker, die die Maßnahmen ihrer Regierung rechtfertigen.
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