USA greifen Iran an: Frieden predigen, Krieg betreiben
Nach dem US-Militärschlag gegen Iran kann das Mullahregime kaum reagieren, ohne sich selbst zu schaden. Der Welt droht eine Ausweitung der Kampfzone.

Wenige Minuten später lobte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den US-Präsidenten für seine „mutige Entscheidung“ von historischer Tragweite. Er habe dem „gefährlichsten Regime die gefährlichsten Waffen der Welt“ verwehrt. „Erst kommt Stärke, dann kommt Frieden“, sagte er in einer Videobotschaft.
Irans Außenminister Abbas Araghchi sprach dagegen von einer „unverzeihlichen Verletzung des Völkerrechts“. „Mein Land wird angegriffen und wir müssen darauf antworten, auf der Basis des Rechtes, uns selbst zu verteidigen“, ließ er verlauten.
Gleichzeitig spielten die Iraner das Ganze zunächst herunter. Das sensible nukleare Material sei ohnehin schon zuvor an andere sichere Orte gebracht worden, die Schäden nicht so groß. Im Staatsfernsehen drohte das Regime jedoch: „Kein US-Soldat in der Region ist mehr sicher.“
Nichts tun, angreifen oder abwarten?
Damit stieß es ins gleiche Horn wie Trump, der in einer kurzen TV-Ansprache später nachsetzte: „Entweder wird es Frieden geben oder es eine Tragödie für den Iran, die weitaus größer sein wird, als wir es in den vergangenen acht Tagen erlebt haben.“ Herunterspielen und gleichzeitig drohen, das scheint die Methode, um die Lage nicht weiter zu eskalieren, in der sich Trump und die iranische Führung derzeit einig sind.
Dass das nicht den Krieg zwischen Israel und Iran betrifft, wurde wenige Stunden später deutlich, als israelische Kampfjets erneut Stellungen im Iran angriffen und dieser erneut Raketen in Richtung Israel schickte. Doch das ist bisher „more of the same“, also einfach eine Fortführung der letzten acht Tage und keine Eskalation.
Das iranische Regime steht dennoch unter Zugzwang und hat jetzt drei Möglichkeiten zu reagieren: 1. Nicht zu antworten – ein eher unwahrscheinliches Szenario. 2. Sofort mit dem verbliebenen militärischen Potenzial zuzuschlagen. Oder 3. Auf den für sie richtigen Zeitpunkt zu warten und diese Wartzeit in die Länge zu ziehen. Und vor allem, den Konflikt mit Israel und den USA auf die Region auszuweiten.
Eine der schon seit Tagen diskutierten Möglichkeiten wäre ein Angriff auf US-Stützpunkte oder Interessen in der Region. Um die 40.000 US-Soldaten sind im Irak, im Kuwait, Bahrain, Katar und Saudi-Arabien stationiert. Am verwundbarsten sind die Basen im Irak, da diese nicht nur von iranischen Raketen, sondern auch am Boden von dem Iran hörigen schiitischen Milizen angegriffen werden könnten.
Unfallgefahr auf der Straße von Hormus
Schon vor Ende des Angriffs auf Iran wurden alle US-Stützpunkte im Irak in Alarmbereitschaft gesetzt. Alles nicht wirklich notwendige Personal war dort schon vor dem ersten israelischen Angriff auf den Iran abgezogen worden. Auch einige Kriegsschiffe sollen die US-Marinebasis in Bahrain verlassen haben, um kein einfaches Angriffsziel zu bieten. Nicht von Bunkern geschützte Flugzeuge wurden zu sicheren Basen geflogen. Gleichzeitig bekommen die US-Truppen Verstärkung zur See. Der US-Flugzeugträger Carl Vinson ist auf dem Weg zum Golf, die Nimitz, ein zweiter Flugzeugträger, soll dort in wenigen Tagen eintreffen.
Doch die wirkliche Trumpfkarte in den Händen der iranischen Führung ist die Sperrung der für den globalen Energiemarkt wichtigen Straße von Hormus am arabisch-persischen Golf, durch die mindestens 20 Prozent des weltweit verbrauchten Öls und Flüssiggases verschifft wird. Der Iran könnte dort Schiffe beschießen oder die Meerenge verminen und sie so de facto dicht machen. Zusätzlich könnte die iranische Führung die Huthis im Jemen anweisen, verstärkt die Schifffahrt im Roten Meer anzugreifen. Beides hätte ernsthafte Folgen für den Welthandel.
Eine andere Möglichkeit wäre, strategisch wichtige Ölanlagen in der Region anzugreifen, entweder selbst oder mithilfe der Huthi-Miliz. Das wäre ein Déjà-vu von 2019, als zwei zentrale Ölanlagen der saudischen Ölfirma Aramco in Abqaiq und Khurais durch Drohnen und Marschflugkörper vom Jemen aus angegriffen worden waren. Damals war die saudische Ölproduktion über Nacht um etwa die Hälfte ausgefallen. Der Ölpreis stieg am Tag darauf um 20 Prozent.
Iran könnte so den globalen Ölhandel massiv stören und den US-Angriff für alle schmerzhaft machen. Doch zwischen dem letzten Angriff auf saudische Ölanlagen und heute liegt eine diplomatische Annäherung zwischen den einstigen Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien.
Mit den Saudis nicht verderben
Dieser von China vermittelte Prozess hatte im Frühjahr 2023 dazu geführt, dass die beiden Länder wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten und dass Stellvertreterkonflikte in der Region, beispielsweise im Jemen, entschärft wurden. Mit einem Angriff auf saudische Ölanlagen würde die iranische Führung diesen für sie wichtigen Ausgleich in der unmittelbaren Nachbarschaft aufs Spiel setzen.
Saudi-Arabien hatte die ursprünglichen israelischen Angriffe auf Iran als „eine Verletzung des Völkerrechts“ verurteilt. Den jetzigen US-Angriff auf die iranischen Atomanlagen sieht das Außenministerium in Riad „mit großer Sorge“.
Zudem kann der Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag aussteigen. Das wäre auch eine Karte in der Hand der iranischen Führung, falls es doch wieder zu Verhandlungen kommt. Der Sperrvertrag hat bisher der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien die Möglichkeit gegeben, das iranische Nuklearprogramm zumindest teilweise zu überwachen und zu kontrollieren, um bei einer militärischen Nutzung Alarm zu geben.
Er stünde in einem solchen Fall gleichauf mit Israel, der bisher einzigen Atommacht im Nahen Osten. Es gibt nur Schätzungen über die Anzahl israelischer atomarer Sprengköpfe. Das Internationale Institut für Strategische Studien in London hatte sie 2009 auf 200 Sprengköpfe geschätzt. Andere Beobachter sprechen sogar von 400. Anders als Iran hat Israel den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet.
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