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US-Wahlkämpfer Joe BidenDer blasse Kandidat

Im US-Wahlkampf sieht sich Trumps Herausforderer Biden durch den Dauerbeschuss des Präsidenten in die Enge getrieben. Er kommt nicht in die Offensive.

Die Mutter von Jacob Blake hält die Rede, die ein verantwortungsvoller Präsident hätte halten müssen Foto: Stephen Maturen/reuters

Berlin taz | Der Herausforderer von US-Präsident Donald Trump bei den Wahlen am 3. November bleibt in den derzeitigen Auseinandersetzungen um rassistische Polizeigewalt und gewalttätige Proteste seltsam blass. Nicht Demokrat Joe Biden hielt die um Versöhnung und Heilung bemühte Rede, die eigentlich ein verantwortungsbewusster Präsident hätte halten müssen, sondern Julia Jackson, die Mutter des von Polizisten in Kenosha schwer verletzten Jacob Blake. Dass Biden im Unterschied zu Donald Trump ausgiebig mit Blakes Familie telefoniert hatte, bringt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht viel. Jedenfalls nicht, um Biden als vertrauenswürdigen und zielstrebigen handelnden Akteur ins Bild zu setzen.

Biden steht unter Dauerbeschuss des amtierenden Präsidenten. In Dutzenden Tweets, Interviews, Reden und Pressekonferenzen beschwört Trump das Schreckensszenario eines in Chaos und Gewalt versinkenden Landes, sollte im November Joe Biden gewählt werden, diese Marionette der Linksradikalen.

Und Biden sieht keine Alternative, als sich dagegen zu wehren. Sagt Trump, Biden sei wie alle Demokraten „zu schwach gegenüber Kriminellen“, dann verwendet er bedeutsame Redezeit darauf, zu erklären, dass Brandschatzen, Plündern und Unruhestiftung kein legitimer Protest seien. Sagt Trump, Biden wolle die USA den Chaoten auf der Straße überlassen, fragt Biden im gewollt legeren Alte-Männer-Outfit, ob er vielleicht aussehe wie ein radikaler Unruhestifter.

Biden entwickelt einige gute Formulierungen, aber selbst die sind passiv und nur reagierend. Die derzeit sichtbare Gewalt entwickele sich ja „nicht in einem zukünftigen Biden-Amerika, sondern in Trumps Amerika von heute“, sagte Biden am Montag. „Fühlen Sie sich wirklich sicher in Trumps Amerika?“

Relativ wehrlos nimmt Biden eine Beleidigung nach der anderen von Trumps Twitter-Account entgegen. Der stellt ihn als halbdementen alten Mann dar, der besser weiter im Keller seines Hauses in Delaware bleibe, um sich nicht selbst zu schaden.

Da bräuchte es Schlagfertigkeit von Biden. Stattdessen versendete seine Kampagne am Dienstag ein 17-minütiges Video von Biden und seiner Vizekandidatin Kamala Harris, in dem beide in einem Kaminzimmer „ein sozial distanziertes Gespräch“ mit drei Meter Abstand zueinander führen. Das ist so langweilig und selbstbezogen, dass Trump mit seiner Einschätzung sogar recht haben könnte.

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21 Kommentare

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  • Was ich so mitbekomme ist "blass" sein ein Vorteil. Viele US-Amerikaner sehnen sich nach etwas Langeweile. Sehnen sich nach etwas Normalität.

    Und was soll sich Biden mit Trump im Schlamm wälzen? Glaubt irgendjemand dass es da für ihn irgendwas zu gewinnen gibt? Man gewinnt nicht gegen Trump indem man Trump 2.0 wird.

    Zumal er durchaus weiß die Finger in die Wunde zu legen indem er sich z.B. mit den Leuten in Kenosha unterhält.

    Natürlich muss er Wahlkampf betreiben, aber doch nicht auf dem Terrain das Trump vorgibt. Ein Biden-Sieg ist keine ausgemachte Sache, aber was das angeht gibt es größere Probleme als Tweets von Le Bigly Cheeto himself. Z.B. den Angriff der Trump-Administration auf die Briefwahl und den USPS. Oder Trumps Aufruf zu Wahlbetrug der dann von Bill Barr verteidigt wird. Soll Trump tweeten was er will, man muss nicht über jeden Stock springen den jemand hinhält. Eine Sache die die Deutsche Medienlandschaft endlich mal lernen könnte.

  • Warum sollte Biden auf den Schwachsinn was Trump redet antworten !

    Ich hoffe nur die Wähler haben was daraus gelernt und wählen ihn ab.

    • @Doma69 :

      nur gegen Trump zu sein, wird nicht reichen....

  • Biden führt in den Umfragen durchschnittlich mit 7,4%, ich sehe also keinen Grund, warum er seine Strategie ändern sollte - nur weil ein deutscher Schreiberling ihn zu blass findet?

    • @Gveskojeno:

      Dann werfen Sie doch mal einen Blick auf die Umfragen von 2016.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Am 3.09.2016 hatte Clinton gerade mal einen Vorsprung von 3,5% vor Trump, weniger als halb so viel wie Biden jetzt hat. Außerdem hatte sie gerade mal 42,1% in Umfragen, während Biden heute 50,3% hat. Biden ist ganz offensichtlich viel stärker als Clinton.

        • @Gveskojeno:

          Es gab auch Umfragen, in denen C. weiter vorn lag. Die Werte schwankten. Und das tun sie auch jetzt. Deshalb kann ich Ihren Optimismus nicht teilen.

          Nebenbei zeigt ein Blick auf die Bilanz des Duos Obama/Biden, dass sie es auch nicht können. Im Falle es Sieges von Biden wettet man im Kreml bestimmt schon, welchen Landstrich man als nächstes von ihm geschenkt bekommt.

          Also ist es im Grunde egal, wer gewinnt. Ich erwarte von niemanden etwas Gutes.

        • @Gveskojeno:

          Leider sind nationale Umfragen hinsichtlich ihrer Aussagekraft begrenzt.

          • @RagnarDannesjkoeld:

            Biden hat z.B. in CNNs Umfrage in 15 Swing States einen Vorsprung von 5%. Egal, wie man es dreht und wendet, alle Daten deuten darauf hin, dass Biden der Favorit ist. Es ist journalistischer Pfusch, wenn man sich ein Narrativ aus den Fingern saugt, Biden habe Probleme, weil er blass sei.

  • DIE Überschrift und darunter ein Foto von Poc - ernsthaft? Ein Wortspiel eher für die Bild, meint ihr nicht...?

  • 9G
    92489 (Profil gelöscht)

    Ohje wetten es wird wieder Trump

  • "Das ist so langweilig und selbstbezogen, dass Trump mit seiner Einschätzung sogar recht haben könnte."

    Könnte? Es ist einfach unfassbar, daß der DNC jemanden wie Biden überhaupt in die Nähe der Kandidatur ließ - und jetzt haben sie den Salat.

    Es war doch bereits nach der Wahl 2016 klar: Sollte Trumps Präsidentschaft erfolgreich sein (und ja, er hat durchaus zahlreiche Erfolge vorzuweisen) muss der demokratische Herausforderer jemand sein, der bisher mit der Bundespolitik nichts am Hut hatte, am besten ebenfalls ein Quereinsteiger. Denn gegen einen erfolgreichen politischen Außenseiter kann sich nunmal kein bereits etablierter Politiker durchsetzen. Und was macht die Demokraten? Sie schicken so ziemlich das älteste Urgestein, daß sie finden konnten.............

    Eigentlich überflüssig zu erwähnen, daß es trotz Pandemie, trotz Wirtschaftskrise, trotz Ausschreitungen für die Demokraten nicht läuft.

    2 Beispiele: während des Parteitags der Demokraten sind Trumps (!!!) Umfragewerte gestiegen. So etwas hat es wohl noch nie zuvor gegeben. Jetzt, 2 Wochen später, reagiert der DNC so langsam darauf: Biden wird am Donnerstag Kenosha besuchen - nachdem er, der demokratische Gouverneur und der demokratische Bürgermeister Trump für seinen Besuch scharf kritisiert haben........

    Trumps "keep America great" Linie mag vielleicht einfältig und ziemlich geradeaus sein. Aber im Gegensatz zu Biden hat er wenigstens eine konsistente Linie.

    • @Tobias Schmidt:

      Unsinn. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Trump einen Anstieg der Umfragewerte hatte während des demokratischen Parteitags, und nach dem republikanischen Parteitag hatte Trump den Umfragen zufolge lediglich einen mickrigen Anstieg von 2%, der wieder im Begriff ist, zu verblassen.

  • Am Morgen des 04.11.2020 werden wir leider ein deja-vu mit 2016 erleben......

    Biden hat zu sehr auf BLM gesetzt, das fällt ihm jetzt durch die Gewalt voll auf die Füße. Jeder weitere Krawall wird Biden schaden und von Trump ausgeschlachtet werden bis auf den letzten Knochen.

    Zur Erinnerung: Der Anteil der black americans an der Gesamtbevölkerung in den USA beträgt 13% - unbestritten eine gesellschaftlich relevante Gruppe, aber eben auch nicht mehr als die AfD-Supporter bei uns.

    Und jeder der die USA - v.a. jenseits der Metropolen- etwas kennt, weiß, dass die anderen PoC-Gruppen mitnichten alle pro Demokraten (Biden) und gegen Trump sind.

    • @MEYER_Kurt:

      Deine These widerspricht den Fakten, dass BLM auch von Weißen mehrheitlich positiv rezipiert wird und dass die Wähler sagen, dass Trump sich bei den Protesten inkompetent anstellt.