US-Verfahren gegen Flüchtlingshelfer: Hilfe ist kein Verbrechen
Scott Warren war angeklagt, weil er in der Wüste Wasser an papierlose Migranten verteilt hatte. Ins Gefängnis muss er aber nicht – vorerst.
Warren war des „Transports von zwei papierlosen Migranten“ angeklagt, und weil er sie angeblich vor der Grenzpolizei versteckt habe. In dem Prozess vor dem Geschworenengericht in Tucson riskierte er eine Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren. Menschenrechtsgruppen quer durch die USA, aber auch Sprecher der Vereinten Nationen verstanden die Anklage gegen ihn als einen neuen Versuch, die humanitäre Hilfe für Migranten zu kriminalisieren.
Nachdem es zu keinem Urteil gekommen war, sagte Warrens Hauptverteidiger, Anwalt Gregory Kuykendall, am Dienstagabend: „Humanitäre Hilfe ist kein Verbrechen.“ Der Anwalt betrachtet die Anklage gegen Warren als „Teil von Trumps Strategie, Migranten abzuschrecken“.
Die Anklage, die während des Prozesses vergeblich darzulegen versucht hatte, dass Warren kein humanitärer Helfer, sondern ein Krimineller sei, verließ den Gerichtssaal ohne Kommentar.
Tausende Tote in der Wüste
Seit 15 Jahren versuchen Mitglieder von No More Deaths und anderen Hilfsorganisationen das Massensterben in der Sonora-Wüste südlich von Tucson einzudämmen. Der Grenzabschnitt ist der tödlichste zwischen den USA und Mexiko. Allein in den letzten 20 Jahren sind dort die Gebeine von 7.242 Menschen gefunden wurden. Experten vermuten, dass dort noch sehr viel mehr Menschen bei dem Versuch umgekommen sind, auf diesem Weg in die USA zu gelangen.
Der im Grenzstädtchen Ajo lebende Warren ist nicht nur Wasserträger, sondern hat als Freiwilliger der christlich motivierten Gruppe No More Deaths auch die Überreste von Todesopfern geborgen.
Als er im Januar 2018 zu einem Treffpunkt und Lagerplatz für Wasser und Lebensmittel kam, den No More Deaths seit Jahren in der Nähe von Ajo benutzt, überraschten ihn dort zwei junge Männer aus Honduras und El Salvador. Sie waren ausgehungert, hatten Durst und Blasen an den Füßen. Warren holte medizinischen Rat und erlaubte den beiden anschließend, in „The Barn“ zu übernachten, um wieder zu Kräften zu kommen.
Am dritten Tag organisierten Grenzschützer und der örtliche Sheriff eine Großrazzia, bei der sie Warren und die beiden Migranten in Handschellen abführten. Schon vor der jüngsten Anklage gegen Warren hat die Justiz mindestens acht weitere Freiwillige der Gruppe No More Deaths gerichtlich verfolgt.
Für den Geografen Scott Warren bedeutet das Ende des Prozesses ohne eine Verurteilung zunächst lediglich einen Aufschub. Am 2. Juli will ein Bundesrichter in Tucson entscheiden, ob er Warren vor einem Bundesgericht erneut anklagen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern