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US-Urteil gegen GreenpeaceAuf das Recht ist kein Verlass

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Greenpeace muss wegen Rufschädigung eines Erdölkonzerns eine happige Strafe zahlen. Der Fall zeigt die Risiken des Rechts für die Klimabewegung.

Monatelange protestiert die indigene Bevölkerung gegen den Bau der Pipeline, 22.2.2017 Foto: Michael Nigro/imago

E s ist eine Entscheidung, die sich zutiefst absurd anfühlt: Wegen seiner Beteiligung an den Protesten gegen den Bau einer Pipeline soll der US-Ableger von Greenpeace 660 Millionen Euro Strafe zahlen. Grundlage für die astronomisch hohe Summe sind die Gewinnverluste, die das Erdölunternehmen Energy Transfer durch die Schädigung seines Rufes erlitten habe. Die Jury des Gerichts in North Dakota verurteilt also eine Umweltorganisation dafür, dass sie tut, wofür sie sich gegründet hat: fossile Großkonzerne zu kritisieren. Sollte es zu einer Zahlung kommen, könnte das das Ende der Umweltorganisation bedeuten.

Trotz aller Absurdität zeigt der Fall vor allem eines: Im Kampf für mehr Klimaschutz ist das Recht ein unzuverlässiger Verbündeter. Die Bewegung täte gut daran, den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit nicht zu vergessen. Konkret wirft Energy Transfer Greenpeace vor, die Proteste gegen die North-Dakota-Pipeline im Jahr 2016 „orchestriert“ zu haben. Damals protestierten monatelang Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen zusammen mit der indigenen Bevölkerung gegen den Bau des Infrastrukturprojekts in dem US-Bundesstaat. Mitglieder des indigenen Volkes Standing Rock Sioux fürchteten, die Pipeline würde die Wasserversorgung gefährden.

Die Entscheidung der Jury, der abenteuerlichen Argumentation des Ölkonzerns zu folgen, sollte die Klimabewegung aufhorchen lassen. In den vergangenen Jahren setzten Ak­ti­vis­t:in­nen immer mehr Hoffnung darauf, Staaten und Konzerne durch Gerichtsprozesse zum Klimaschutz zu zwingen. Wenn Strafzahlungen so hoch sind, könne es sich ein Unternehmen schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten, Klima und Natur zu zerstören, lautet das Kalkül.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2021, die Klimapolitik der damaligen Bundesregierung als unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären, gilt als Paradebeispiel für diesen juristischen Klimaaktivismus. Eine Reihe weiterer Klagen folgten; jüngstes Beispiel ist der peruanische Bergführer Saúl Luciano Lliuya, der gerade den Energieriesen RWE verklagt, weil sein Haus durch Überschwemmungen bedroht ist.

An der Ursache ändert sich nichts

Klimaklagen sind wichtig, um Aufmerksamkeit auf die schreiende Ungerechtigkeit der Klimakatastrophe zu lenken und Staaten ihre eigene Inkonsequenz vor Augen zu halten. Doch es wäre gefährlich, sich der Illusion hinzugeben, sie könnten an der Ursache der Klima­krise etwas ändern: dem fortwährenden Wachstumszwang unseres Wirtschaftssystems und dem damit einhergehenden Hunger nach Rohstoffen.

Dies macht das Greenpeace-Urteil schmerzlich bewusst. Anstatt ein wirkungsvoller Hebel für Veränderung zu sein, wird das Recht zum Werkzeug von Großkonzernen. Letztlich führt kein Weg am Kampf für politische Mehrheiten für echten Klimaschutz vorbei.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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4 Kommentare

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  • Danke für den Kommentar!



    Und was die politischen Mehrheiten betrifft: die bekommt man nur, wenn sie ohne Feindbilder gesucht werden. Da ist dann das gesamte demokratische Spektrum gefragt.

  • Dss ist das Urteil eines Bezirksgerichts mit 9 Geschworenen.Bei uns wäre das ein Urteil des Amtsgerichts mit 9 Schöffen.

    Gegen das Urteil wird Greenpaece natürlich angehen

  • Man wird mittelfristig nicht am Thema Deindustrialisierung vorbeikommen. Time will tell.

    • @aujau:

      "In the long run we are all dead" (Kostolany)