US-Prozess um Tod von Ahmaud Arbery: Drei Mal lebenslänglich
Drei Weiße sind im US-Bundesstaat Georgia wegen Mordes am Schwarzen Jogger Arbery verurteilt worden. Rassismus durchzog auch den Prozess.
Der jüngere McMichael ist unter anderem wegen heimtückischen und schweren Mordes verurteilt worden, die beiden älteren Männer wegen schweren Mordes. Alle drei Männer sind der schweren Körperverletzung und Freiheitsberaubung schuldig.
„Es war ein langer Kampf“, fügte die Mutter des Ermordeten am Mittwoch hinzu. Sie dankte allen, die zum Zustandekommen dieses Urteils, an das sie selbst lange nicht geglaubt hat, geholfen haben: „Ohne Euch, die Ihr demonstriert habt, und ohne Euch, die Ihr gebetet habt, wäre es nicht möglich gewesen.“ Auch der Vater des Toten, Marcus Arbery, dankte den Unterstützern und sagte: „Wir haben den Lynchmord besiegt.“
Der 25-jährige Ahmaud Arbery war am Nachmittag des 23. Februars 2020, ein Sonntag, durch die Straße gejoggt, an der seine Mörder lebten. Unterwegs in dem mehrheitlich von Weißen bewohntem Stadtteil Satilla Shores, knapp zwei Meilen von seinem eigenen Wohnort entfernt, schaute sich Arbery eine Baustelle an. Er überschritt keine Barrieren, er stahl nichts, er schaute sich um.
Minutenlange Verfolgungsjagd
Für die drei weißen Männer, die ihn nicht kannten, war das genug. Als er vor ihrer Ausfahrt vorbei joggte, nahmen die beiden McMichaels ihre Schusswaffen und sprangen in ihren Pickup. Nachbar Bryan tat es ihnen gleich. Während sie den Jogger minutenlang auf den Straßen von Satilla Shores verfolgten, schrie einer der McMichaels ihm zu: „Wenn Du nicht stehen bleibst, jage ich Dir eine Kugel in den Kopf“. Der ältere McMichael verständigte auch die Polizei über seine Verfolgungsjagd. Seine Begründung: „Da ist ein schwarzer Mann, der die Straße entlang rennt“.
Als die McMichaels die Straße mit ihrem Pickup blockierten, rannte Arbery um den Wagen herum. Doch davor lauerte ihm der jüngere McMichael mit seinem Gewehr auf. Es kam zu einem kurzen Handgemenge. McMichael schoss drei Mal und traf Arbery in die Brust und in den Kopf. In den letzten Momenten des Joggers, der zu seinen Füßen starb, nannte der jüngere McMichael ihn einen „fucking N…r“. Der ältere McMichael beschrieb den Jogger später als „Ratte in der Falle“.
Die drei weißen Männer fühlten sich im Recht. Sie wollten eine „Bürgerfestnahme“ machen, die damals in Georgia noch legal war. Beim Prozess machten sie außerdem „Selbstverteidigung“ geltend. In dem entlang ethnischer Grenzen tief gespaltenen südlichen Georgia hatten sie monatelang die Behörden auf ihrer Seite. Die Polizei ließ sie noch am selben Tag wieder nach Hause gehen. Drei verschiedene Bezirksstaatsanwälte verschleppten den Fall. Einer davon erklärte, dass eine Anklage unnötig sei.
Ohne das Video, das Bryan von der Tat gefilmt hat, wäre es möglicherweise nie zu dem Prozess gekommen. Erst nachdem das Video im Mai 2020 öffentlich wurde, und ein Aufschrei der Empörung durch die USA ging, wurden die drei Männer angeklagt.
Für die Mutter eine harte Prüfung
Unterdessen gab die Mutter des Ermordeten ihren Arbeitsplatz auf und konzentrierte sich ganz auf die Aufklärung des Falls. Im Bundesstaat Georgia setzte Cooper-Jones durch, dass das Gesetz über Bürgerfestnahmen entschärft wurde. Auf Bundesebene traf sie unter anderem mit Ex-Präsident Donald Trump zusammen, um für eine Polizeireform zu werben. Während des Prozesses saßen mehrfach Schwarze Prediger und Bürgerrechtler neben ihr im Saal.
Für die Mutter waren die zwei Prozesswochen eine harte Prüfung. Im Gerichtssaal sprach Staatsanwältin Linda Dunikoski den Rassismus als Tatmotiv nur einmal offen an: „Sie entschieden, Ahmaud Arbery anzugreifen, weil er ein Schwarzer Mann war, der auf der Straße rannte“.
Doch auch der Prozess an sich war umstritten. Die Verteidiger lehnten – mit einer Ausnahme – alle Schwarzen Geschworenen ab. Sie protestierten wegen „zu vieler“ Schwarzer Priester im Gericht. Und am Montag dieser Woche schlug Verteidigerin Laura Hogue in ihrem Schlussplädoyer einen Ton an, der das Opfer entmenschlichen sollte. Als sie sagte, Arbery habe „lange, dreckige Fußnägel“ gehabt, verließ dessen Mutter den Saal.
Anders als bei dem Mordprozess in Kenosha, Wisconsin, der parallel lief, und der in der vergangenen Woche mit dem Freispruch des wegen mehrfachen Mordes Angeklagten Kyle Rittenhouse endete, ließen sich die Geschworenen in Georgia nicht von von der „Selbstverteidigung“ überzeugen. Anders war auch, dass die drei weißen Männer keine nationale Bewegung hinter sich hatten, die ihre Verteidigung finanziell und politisch unterstützte.
Für die drei Verurteilten bedeutet das Urteil lebenslänglich. Alle drei überlegen, Berufung einzulegen. Doch zunächst steht ihnen ein weiterer Prozess vor einem Bundesgericht bevor. Dort werden sie wegen Hassverbrechen angeklagt. Und dort werden die rassistischen Dimensionen ihres Verbrechens zur Sprache kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich