US-Präsident zur Irak-Bombardierung: „Keine Frage von Wochen“
US-Präsident Obama sucht bei seinen Landsleuten Unterstützung für den neuen Irak-Einsatz. Und er warnt: Es wird keinen schnellen Erfolg geben.
NEW YORK taz | Wieder flimmern Bilder von Bombardements im Irak über die Bildschirme in den USA. Durch ein Visier sind Ziele vor, während und nach dem Beschuss aus US-Kriegsflugzeugen zu sehen. Die Aufnahmen in Schwarzweiß und ohne Ton kommen direkt aus dem Pentagon.
Dazu erklären Nachrichtensprecher aus dem Off, dass die Angriffe sich gegen die Artillerie, gegen gepanzerte Fahrzeuge oder gegen einen Konvoi von Kämpfern des Islamischen Staates (IS, ehemals Isis) richten, die dabei seien, jesidische Zivilisten zu beschießen. Die Sprecher fügen hinzu, dass andere US-Militärflugzeuge Lebensmittel und Wasser über dem Sindschar-Massiv abgeworfen haben.
Die am Donnerstag begonnene neue US-Militärkampagne im Irak klingt wie der gute Krieg, gegen den niemand etwas einwenden kann – weder in den USA noch in der UNO. Aus Europa erklärt nicht nur der Premierminister von Großbritannien seine Unterstützung, sondern auch François Hollande. Frankreich, das 2003 vergeblich versucht hat, die Irakinvasion zu verhindern, gibt den USA grünes Licht.
Die neuen Bombardements sollen Zigtausende hilflose Menschen retten, die sich vor dem angedrohten Massaker der IS in eine baum-, schatten- und wasserlose Ödnis geflüchtet haben. Sie sollen nicht nur US-amerikanisches diplomatisches und militärisches Personal in der kurdischen Stadt Erbil schützen, sondern einen „Genozid“ verhindern und „Terroristen“ aufhalten. So hat Barack Obama es am Donnerstag begründet.
Lässige Erklärungen zum Krieg
Bevor er in seinen Sommerurlaub in Martha’s Vineyard abfliegt, tritt Obama am Samstag erneut vor die Kameras. Er tut es nicht in einem militärischen Umfeld, sondern er veranstaltet eine Pressekonferenz auf der Wiese hinter dem Weißen Haus. Ohne Krawatte und betont lässig.
Es geht darum, seine Landsleute von der Notwendigkeit der neuen Bombardements zu überzeugen. Nachdem fast 4.500 Soldaten tot aus dem Irak zurückgekommen sind, nachdem die USA Hunderte von Milliarden in die Irakkriegsführung investiert haben, nachdem längst klar ist, dass es dort keine „Massenvernichtungswaffen“ gab und nachdem die Erfolge in Sachen Freiheit und Demokratie im Irak nur mit sehr viel Willen erkennbar sind, ist in den USA nur noch eine Minderheit der Bevölkerung bereit, im und für den Irak zu kämpfen.
Auf der Wiese hinter dem Weißen Haus lobt Obama den Mut und die Einsatzbereitschaft seiner Soldaten. Seine Verweise auf „Terroristen“, „Genozid“ und „US-Staatsangehörige“ sind wichtige Stichwörter zur legalen Absicherung der Operation, zu der Obama weder ein Mandat des US-Kongress noch der Vereinten Nationen hat.
Obama stellt keine „Mission accomplished“ in Aussicht. Er lässt seine Landsleute wissen, dass der neue Krieg im Irak „keine Frage von Wochen“ sei, sondern ein langfristiges Projekt, dessen Ende nicht absehbar sei. Er gibt auch zu, dass die US-Nachrichtendienste die Stärke der islamistischen IS-Miliz unterschätzt hätten. „Ihre Bewegung in den zurückliegenden Monaten war stärker, als die Geheimdienste geschätzt haben“, sagt er.
Was ist das Ziel?
An der Heimatfront antwortet ihm darauf umgehend sein einstiger Kontrahent John McCain, dass diese Information nicht stimme. Zahlreiche Dienste – von CIA über FBI bis hin zu Ministerium für Heimatsicherheit –hätten seit Langem vor dem Erstarken der Isis gewarnt, twittert McCain.
Obama fordert immer wieder den Irak auf, endlich eine Regierung zu bilden, die alle Kräfte des Landes – insbesondere die Sunniten – berücksichtige. Und er besteht erneut darauf, dass er keine US-Kampftruppen zurück in den Irak schicken werde.
Viele Fragen bleiben offen: Obama kündigt einen „Korridor“ an, durch den die Jesiden befreit werden sollen. Er sagt aber nicht, wie er den ohne US-Truppen am Boden organisieren will. Er mahnt die irakische politische Spitze zur Einbeziehung der Sunniten.
Obama erklärt aber nicht, wieso das nun funktionieren soll, nachdem alle bisherigen diplomatischen Bemühungen Washingtons gescheitert sind. Und er antwortet auch nicht auf die Frage, ob es das Ziel des neuen Irakkriegs sei, die IS einzudämmen oder zu zerstören. Was den neuen Irakkrieg zu einem Erfolg machen würde, bleibt offen.
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