US-Präsident in Angola: Wettlauf um Afrikas Rohstoffe
Zum Höhepunkt seiner Afrikareise besucht Joe Biden Angola. Mit dem Infrastrukturprojekt „Lobito Corridor“ will der Westen China Konkurrenz machen.
Die Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Sambia führt mitten durch diesen riesigen „geologischen Skandal“, in dem sich über die Hälfte der Kobaltreserven der Welt befindet und über ein Zehntel der Kupferreserven, in einmalig hohen Konzentrationen, und unzählige andere wertvolle Rohstoffe. Sämtliche strategische Mineralien für die globale Energiewende sind hier zu finden.
Kongos Uran und Angolas Eisenbahn sicherten den Sieg der Weltkriegsalliierten über Japan und damit das Ende des Zweiten Weltkrieges. Über die zu Kolonialzeiten errichtete „Benguela Railway“ aus dem damals portugiesischen Angola in das damalige Belgisch-Kongo wurde 1940 eingelagertes Uranerz aus der Mine Shinkolobwe bei Likasi in Sicherheit gebracht, damit es nicht in deutsche Hände fällt.
Von dort wurde es in die USA verschifft: rund 1.000 Tonnen Uranerz mit weltweit einzigartigen Urankonzentrationen von 65 Prozent – normal sind 0,6 Prozent. Damit wurden unter anderem die Atombomben gebaut, die die USA 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abwarfen.
An diesem Mittwoch ist US-Präsident Joe Biden nach Lobito gereist. Es ist die erste Afrikareise eines US-Präsidenten seit Barack Obama vor neun Jahren, Angola ist die einzige Station und Lobito die wichtigste Etappe. Mit seinen Amtskollegen aus Angola, der Demokratischen Republik Kongo und Sambia, Joao Lourenco, Felix Tshisekedi und Hakainde Hichilema, traf sich Biden am Hafen zu einem Gipfel, der laut Kongos führender Tageszeitung Le Potentiel „Afrikas ökonomische Integration beschleunigen“ und „den Welthandel neu definieren“ sollte. Es geht um den „Lobito Corridor“, ebenjene Eisenbahnstrecke.
„Ein historischer Augenblick“, heißt es aus dem US-Außenministerium. Es gebe für die USA in Afrika „keinen wichtigeren Partner als Angola“, erklärte Biden am Montag in der Hauptstadt Luanda.
Die Bergbaustädte von Kongos Südregion Katanga, aneinandergereiht wie an einer 300 Kilometer langen Perlenschnur zwischen Lubumbashi und Kolwezi, sind nicht nur ein „geologischer Skandal“, wie einst die europäischen Forscher staunten. Gigantische Tagebauminen, unter Missachtung jeglicher Umweltstandards entstanden, prägen eine Mondlandschaft.
„Heterogenit“ nennen die Kongolesen das Erz unter ihren Füßen – weil es so viele verschiedene Mineralien enthält, manche giftig oder radioaktiv, so genau weiß das niemand vor Ort. Die taz erlebte vor zwanzig Jahren in der Bergbauzone um Likasi, wie Anwohner im eigenen Hinterhof den Boden ausgruben und verkauften, in der sicheren Annahme, dass er wertvoll war. Zugleich gab es nicht einmal sauberes Wasser für die zerlumpten Straßenkinder, deren Eltern in irgendeiner Grube am Ortsrand Geld zum Überleben verdienten.
Katastrophale Arbeitsbedingungen
Inzwischen wurde in Kongos Bergbau viel investiert, aber der rohstoffreichste Landstrich der Welt bleibt zugleich einer ihrer ärmsten. Die industrielle Förderung, die über den Export nach Asien Milliardengewinne erwirtschaftet und strengen Lieferkettenregulierungen unterworfen ist, bildet nur eine Fassade. Dahinter kratzen Kongolesen in undurchsichtigen Ketten von Subunternehmem, teils unter direkter Kontrolle des Militärs, den Boden aus – unter horrenden Bedingungen.
Der indischstämmige US-Journalist Siddarth Kara hat das in seinem Buch „Blutrotes Kobalt“ eindrücklich dokumentiert. Auf Sambias Seite des „Copperbelt“ ist die Lage besser, aber auch hier kommt nur wenig vom Exportreichtum bei der Bevölkerung an.
Die meisten Mineralien aus dem Kupfergürtel gehen per Lastwagen über Sambia in die Häfen von Tansania oder Südafrika – lange, korruptionsanfällige Strecken. Die Eisenbahnlinie nach Angola ist nicht nur deutlich kürzer und schneller. Sie ist auch ideal, um die afrikanischen Mineralien nicht nach Osten Richtung China zu verschiffen, sondern nach Westen Richtung Amerika – wie 1940 das Uran aus Shinkolobwe.
Jahrzehntelang war das unmöglich. Die koloniale Eisenbahn verfiel nach Angolas Unabhängigkeit 1975, dann war Angola Bürgerkriegsland, das Gebiet großflächig vermint. Erst 2005 vereinbarten Kongo, Angola und Sambia den Wiederaufbau der Strecke, mit zunächst 500 Millionen US-Dollar aus China. Erste Teilstrecken in Angola gingen 2006 in Betrieb.
Kongolesische Tageszeitung „Le Potentiel“
Die Brücke über den Grenzfluss zur DR Kongo eröffnete 2014 neu. In den Jahren danach begann auch die Sanierung der kongolesischen Strecke. Zu Kolonialzeiten traf sie an der Minenstadt Tenke auf die innerkongolesische Eisenbahn, die es damals noch gab.
Streit um Mine Tenke-Fungurume
Tenke-Fungurume am Ende der Bahnstrecke – der Name bezieht sich auf zwei Hügel, zwischen denen sich ein 30 Kilometer langer Tagebau mit geschätzt 103 Millionen Tonnen Kupfer- und Kobaltreserven befindet, eine der größten Lagerstätten der Welt – illustriert gut, worum es Biden heute geht. Als die Mine nach den Wirren des Kongokrieges wieder zum Leben erweckt wurde und 2009 die Förderung wieder begann, war sie das größte US-Investitionsprojekt in der DR Kongo.
Aber unter politischem Druck – Kongos damaliger Präsident Joseph Kabila neigte eher China zu – musste der US-Betreiber Freeport-McMoRann 2016 seinen 56-Prozent-Anteil an China Molybdenum verkaufen, für magere 2,65 Milliarden Dollar. Der 24-Prozent-Anteil des kanadischen Minderheitseigners Lundin ging damals für 1,14 Milliarden US-Dollar an die von Hunter Biden, Sohn von Joe Biden, mitgegründete Schanghaier Investitionsfirma BHR (Bohai Harvest), die ihn zwei Jahre später an China Molybdenum weiterreichte.
Kaum war die chinesische Seite der alleinige ausländische Partner, behauptete sie, die Mine sei nicht mehr profitabel, und stellte die fälligen Zahlungen an Kongo ein, später auch die Förderung. Als sie sie 2022 wieder aufnehmen wollte, blockierte Kongo die Exporte und verlangte erst eine Nachzahlung von 7,6 Milliarden US-Dollar. Der Streit wurde erst vergangenes Jahr beigelegt, beide Seiten einigten sich auf 2 Milliarden.
14 Prozent des Kobalts der Welt kommen aus Tenke-Fungurume, es ist die zweitgrößte Kobaltmine der Welt und die fünftgrößte Kupfermine. Wenn das über Angola in die USA ginge, wäre es eine entscheidende Verschiebung in der globalen Rohstoffwirtschaft.
Kongos Präsident erklärt Reform des Bergbaus zu Priorität
Bisher bringt nur eine Bergbaufirma in der DR Kongo Mineralien per Eisenbahn nach Angola. Ivanhoe Mines aus Kanada, das die Kupfer- und Kobaltminen von Kamoa-Kakula am Stadtrand von Kolwezi betreibt, lud am 23. Dezember 2023 erstmals 1.100 Tonnen Kupferkonzentrat in Kolwezi auf zwei Güterzüge, die nach acht Tagen den Hafen Lobito erreichten.
Zum Vergleich: Auf den Straßen nach Südafrika und Tansania dauert es 40 bis 50 Tage bis zum Meer. „Unsere erste Probefahrt ist ein wichtiger Meilenstein im Bau einer neuen Lieferkette, die Zentralafrikas Kupfergürtel mit den Weltmärkten verbindet“, freute sich der Konzern.
Für Kongos Präsidenten Tshisekedi, der das Land seit 2019 regiert, war das wie ein verspätetes Wahlgeschenk. Am 20. Dezember 2023 hatten Wahlen in der DR Kongo stattgefunden, die er schließlich haushoch gewann. Tshisekedi hat nun die Reform des Bergbaus im Kupfergürtel zu einer Priorität erklärt. Subunternehmen sollen in kongolesischer Hand sein, Kongo soll seine Anteile an der Förderung selbst auf den Weltmarkt bringen, staatliche Abnehmer der informellen Produktion Hunderttausender Schürfer sollen asiatische Zwischenhändler verdrängen.
Direkt nach seiner Wiederwahl flog Tshisekedi nach Peking und verhandelte die unfairen China-Verträge seines Vorgängers Kabila aus dem Jahr 2006 neu, was Kongo bis 2040 sieben Milliarden US-Dollar zusätzlich bringen soll. Viele Kritiker werfen Tshisekedi vor, lukrative Pfründen für seine Freunde schaffen zu wollen, aber grundsätzlich wird die nationalistische Orientierung begrüßt.
600 Milliarden US-Dollar bei G7 angekündigt
Inzwischen rollen zweimal wöchentlich Züge voller Kupferkonzentrat über die Eisenbahnstrecke nach Lobito. Das ist auch im Sinne der westlichen Partner, die sowohl Angola als auch die DR Kongo aus dem Einflussgebiet Chinas lösen wollen.
Beim G7-Gipfel in Deutschland 2022 war eine „Globale Partnerschaft für Infrastruktur und Investitionen“ (GPII) im Umfang von 600 Milliarden US-Dollar angekündigt worden, als ausdrückliche Kampfansage an Chinas „Neue Seidenstraße“. Die baut im Globalen Süden Infrastruktur zu vermeintlich günstigen Konditionen, aber erzeugt oft Schuldenfallen: Angola etwa schuldet China inzwischen 1,8 Milliarden US-Dollar für Eisenbahnarbeiten auf Kredit.
Der „Lobito Corridor“ wurde am Rande des G20-Gipfels 2023 als erstes konkretes GPII-Projekt festgelegt. Daran hängt nun also die Glaubwürdigkeit des Westens in der Rivalität mit China in Afrika. Bereits Anfang 2023 gründeten die Regierungen Kongos, Angolas und Sambias die gemeinsame Aufsichtsbehörde Lobito Corridor Transit Transport Facilitation Agency (LCTTFA).
Ein Konsortium „Lobito Atlantic Railway“ unter Führung der globalen Handelsfirma Trafigura erhielt 2022 von Angolas Regierung den Zuschlag zum Betrieb der Bahnstrecke. Es soll in Angola 450 Millionen US-Dollar investieren und in der DR Kongo weitere 100 Millionen.
Ambitionen prallen aufeinander
Bei Bidens Besuch steht nun eine zweite Strecke zur Debatte, die aus Angola direkt nach Sambia führen soll, um auch Sambias Kupfer über Angola exportieren zu können. Ebenfalls in der Diskussion ist eine Anbindung des Lobito-Projekts an die bestehende Eisenbahn aus Sambia nach Tansania.
Die „Tazara“ (Tanzania-Zambia Railway) war in den 1960er Jahren von China gebaut worden, um Tansania und Sambia als Frontstaaten im Kampf gegen Apartheidherrschaft und weißen Siedlerkolonialismus im südlichen Afrika aus der Abhängigkeit vom Westen zu lösen. 1976 in Betrieb genommen, wird sie heute kaum genutzt; 2022 vereinbarten Tansania und China einen Neubau, um sie mit anderen Bahnstrecken kompatibel zu machen – etwa der aus Sambia nach Angola.
Insofern könnten die Ambitionen Chinas und der USA in Sambia und im Süden der DR Kongo demnächst produktiv aufeinandertreffen – oder aufeinanderprallen. Es hängt sehr viel an Bidens Visite in Angola. Vielleicht zu viel für einen scheidenden Präsidenten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles