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US-Klage gegen GoogleVon Google lernen

Kommentar von Svenja Bergt

Google steht unter dem Verdacht, seine Marktmacht zu missbrauchen, vor Gericht. Der Ausgang des Verfahrens könnte auch für andere Konzerne interessant werden.

Entscheidende Wochen stehen Google und der gesamten Tech-Branche bevor Foto: Eric Gaillard/reuters

E s ist ein aufsehenerregendes Gerichtsverfahren, das derzeit in den USA läuft. Angeklagt ist kein Geringerer als Google. Als „Prozess des Jahrzehnts“ wird das Verfahren von Be­ob­ach­te­r:in­nen bezeichnet, als eines mit weitreichenden Folgen für die Technologiebranche. Die Aufregung hat vor allem damit zu tun, dass Google am Ende eine Zerschlagung drohen könnte. Doch für die Tech-Branche und auch die Politik geht es um mehr.

Denn was in den kommenden Wochen in Washington verhandelt wird, das weist nicht nur einen wichtigen Blick in die Vergangenheit, sondern auch einen in die Zukunft. Auf Klagen des US-Justizministeriums und der Ge­ne­ral­an­wäl­t:in­nen mehrerer Bundesstaaten muss das Gericht entscheiden, ob Google seine Marktmacht auf dem Suchmaschinenmarkt missbraucht hat, um potenzielle Konkurrenten an den Rand zu drängen.

Etwa mittels milliardenschwerer Verträge, aufgrund deren die Smartphone-Hersteller Apple und Samsung die Google-Suche auf ihren Geräten vorinstallierten. Das ist von Bedeutung, weil die Hersteller das Nadelöhr sind: Auch wenn auf Samsung-Geräten wie auf dem größten Teil der auf dem Markt befindlichen Smartphones Googles Betriebssystem Android installiert ist – die Hersteller passen das System an ihre Geräte an und haben so den maßgeblichen letzten Zugriff.

Da der Großteil der Nut­ze­r:in­nen mit dem vorliebnimmt, was die Hersteller ihnen vorsetzen, sind die Standardeinstellungen oder -Apps ein mächtiger Hebel. Wer hier eine gute Position hat, wird an Marktmacht gewinnen. „In diesem Verfahren geht es um die Zukunft des Internets und darum, ob Googles Suchmaschine jemals eine ernsthafte Konkurrenz bekommen wird“, so brachte es Staatsanwalt Kenneth Dintzer zum Prozessauftakt auf den Punkt. Google bestreitet die Vorwürfe des Machtmissbrauchs.

Signal an die gesamte Tech-Branche

Wenn Google verliert, muss das Gericht über die Konsequenzen entscheiden. Kommt es zur Zerschlagung wie in den 1980er Jahren beim Telekommunikationskonzern AT&T? Der wurde damals in sieben regionale Unternehmen aufgespalten und die Marktmacht damit reduziert. Oder wird es so laufen wie bei Microsoft um die Jahrtausendwende? Microsoft war aus dem Prozess um Marktmachtmissbrauch zugunsten seines Browsers Internet Explorer mit ein paar technischen Anpassungen äußerst billig davongekommen – und hatte unterdessen auch noch den Konkurrenten Netscape erfolgreich verdrängt.

Der Prozess ist, jenseits der konkreten Frage, ob Googles Geschäftspolitik nun legal war oder nicht, auch ein Signal an die Tech-Branche. Die hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in den USA eine ziemlich komfortable Position erarbeitet. Eine Position, in der sie vor allzu unbequemer Regulierung durch die Politik sicher schien. In den kommenden Monaten könnte nun weiteren Unternehmen Unangenehmeres drohen.

In der letzten Septemberwoche hat die US-Behörde FTC eine lang erwartete Kartellklage gegen Amazon eingereicht. Darin beschuldigt sie den Onlinehändler unter anderem, Verkäufer zu bestrafen, die ihre Waren unter den Preisen von Amazon anbieten. Und Apple bekommt zunehmend Gegenwind, weil es auf seinen iOS-Geräten keine alternativen App-Stores zulässt, gleichzeitig aber von App-Anbietern dicke Provisionen kassiert.

So weit die USA. Wenn bereits im Heimatland von Big Tech das Problembewusstsein zuzunehmen scheint – wie sieht es dann diesseits des Atlantiks aus? Die EU-Kommission hat jüngst eines der maßgeblichen Elemente der Plattformregulierung Digital Markets Act (DMA) aktiviert. Sechs Konzerne – Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Alphabet, zu dem Google gehört, und Bytedance mit der Videoplattform Tiktok – stehen nun unter besonderer Beobachtung und müssen beispielsweise Unternehmenskäufe an die EU-Kommission melden.

Politische Versäumnisse

Im Vergleich zu vorherigen Regulierungsvorhaben wie der Datenschutz-Grundverordnung sind die Sanktionen im DMA deutlich schärfer – etwa was die Höhe der Geldbußen bei Verstößen angeht. Und bei „systematischen Zuwiderhandlungen“ gegen die neuen Regeln steht als letztes Mittel auch eine Zerschlagung im Raum. Es gibt also durchaus Lerneffekte, wenn sich auch erst zeigen muss, ob sie ausreichend sind.

Die Tech-Branche hat sich eine Position erarbeitet, in der sie vor allzu unbequemer Regulierung sicher schien

Denn diese Verfahren sind auch eine unbequeme Botschaft in Richtung Politik: Ganz offensichtlich wurde hier in der Vergangenheit einiges in Sachen Regulierung versäumt. Etwas, das die marktbeherrschende Stellung und ihren mutmaßlichen Missbrauch verhindert hätte. So lässt sich aus der Vergangenheit etwa lernen, dass Zeit Fakten schafft. Ist ein Markt erst einmal abgesteckt, haben es kleine Anbieter ungleich schwerer, noch Fuß zu fassen.

Und: Es ist leichter – oder zumindest weniger schwierig –, früh strengere Regeln zu machen, als hinterher aufzuräumen. Das ist besonders wichtig, weil es für diese Entscheidungen in der Regel Zeitfenster gibt, in denen ein Durchgreifen besonders wirkungsvoll ist. Oder umgekehrt, dass durch eine fehlende rechtzeitige Regulierung ein Markt undurchlässig werden kann. Das Zeitfenster öffnet sich, wenn sich eine neue Technologie in der Anfangsphase der Marktdurchsetzung befindet.

Diese Anfangsphase ist aktuell bei Diensten mit künstlicher Intelligenz (KI) zu beobachten. Das Abstecken der Märkte hat schon begonnen: Microsoft ist bei OpenAI eingestiegen, dem Anbieter des populären Textgenerators ChatGPT. Google versucht mit Bard nachzulegen, was etwas verzweifelt wirkt, aber angesichts der Marktmacht von Google und dem Mutterkonzern Alphabet unbedingt ernst zu nehmen ist. Und Meta baut gerade ein ganzes Arsenal von KI-Chatbots in seine Dienste ein.

Neue Technologie, alte Namen, was wenig verwunderlich ist angesichts der Summen, die die Konzerne in Entwicklung und Marketing investieren können. Hier wird sich zeigen, ob die Gesetzgeber mutig genug sind, den marktmächtigen Unternehmen etwas entgegenzusetzen.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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