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US-Journalist vor Gericht in MoskauFaustpfand für Putin

Evan Gershkovich steht in Jekaterinburg wegen angeblicher Spionage vor Gericht. Putin möchte mit dem Prozess einen Gefangenenaustausch erzwingen.

Vielleicht eines der letzten Bilder: Gershkovich vor Gericht in Jekaterinburg am 26. Juni Foto: Evgenia Novozhenina/reuters

Moskau taz | Den Kopf kahlrasiert, die Arme verschränkt: So steht Evan Gershkovich am Mittwochmorgen in einer Glasbox des Swerdlowsker Gebietsgerichts in Jekaterinburg, etwa 1.800 Kilometer östlich von Moskau entfernt. Sagen darf der 32-jährige US-Korrespondent nichts. Nur wenige Minuten dürfen einige Fo­to­gra­f*in­nen und Kameraleute den aus Moskau hierhergekarrten Journalisten filmen. Die kurze Sitzung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Es könnten die vorerst letzten Bilder des inhaftierten Amerikaners sein. Er wird gefangen gehalten in einem unmenschlichen System, weil er seinen Job machte. Einen „hervorragenden Job“, wie die Chefredakteurin des Wall Street Journal, Emma Tucker, für den Gershkovich seit Januar 2022 arbeitete, in einem Brief vor der Verhandlung schrieb. Von einem Prozess zu sprechen, sei unfair gegenüber Evan, führte sie weiter aus.

Was in der Millionenstadt am Ural aufgeführt wird, ist in der Tat eine Justizfarce. Der russische Geheimdienst FSB, der Gershkovich im März 2023 in Jekaterinburg festnahm, will ihn auf frischer Tat ertappt haben. Der Vorwurf: Spionage. Gershkovich, so sagt es der russische Generalstaatsanwalt, soll „im Auftrag des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA geheime Informationen über die Herstellung und Reparatur von Militärtechnik durch den Rüstungsbetrieb Uralwagonsawod gesammelt und dabei sorgfältige Methoden der Konspiration beachtet“ haben.

Doch auch nach knapp 15 Monaten U-Haft haben die russischen Behörden keine Beweise vorgelegt. Gershkovich ist der erste ausländische und vom russischen Außenministerium akkreditierte Journalist, der sich wegen Spionage verantworten muss. Sein Fall ist auch ein Zeichen an alle noch verbliebenen ausländischen Kor­re­spon­den­t*in­nen in Russland. „Alles ist möglich“, teilt das russische Regime so mit.

2018 war der joviale Journalist nach Moskau gekommen. Er war geradezu gierig darauf, Russland zu bereisen und kennenzulernen. Für die bis vor Kriegsbeginn in Moskau erscheinende englischsprachige Zeitung The Moscow Times schrieb er seine ersten Reportagen, wechselte später zur Agence France Press, danach zum Wall Street Journal.

Freispruch mehr als unwahrscheinlich

In den 1970ern waren seine Eltern aus der Sowjetunion in die USA emigriert, die beiden Kinder, mit denen sie stets Russisch sprachen, sollten es besser haben. Sollten in Freiheit leben, keine Repressionen erleben müssen. Nun dürfte ihr Jüngster zu 20 Jahren Strafkolonie verurteilt werden, keine Anklage wegen Spionage endete in Russland jemals mit einem Freispruch.

Die Verurteilung dürfte Gershkovich dennoch auf Freiheit hoffen lassen. Fast schon unverhohlen erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin im Februar, die Geheimdienste beider Seiten verhandelten über die Bedingungen eines möglichen Austauschs. In einem der mit den USA verbündeten Länder sitze schließlich ein Mensch im Gefängnis, der aus patriotischen Motiven in einer europäischen Hauptstadt einen Banditen liquidiert habe, sagte der Kremlchef damals.

Damit meinte er wohl den sogenannten Tiergarten-Mörder, der im August 2019 den früheren tschetschenischen Feldkommandeur Selimchan Changoschwili getötet hatte. 2021 wurde der FSB-Killer Wadim Krassikow in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt, diesen will Putin freipressen. Gershkovich ist so zu einem Faustpfand des Kreml geworden. Die Verhandlung soll am 13. August fortgesetzt werden.

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6 Kommentare

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  • Im Februar, wenige Tage nach der Ermordung von Alexei Nawalny, hat seine Stiftung von diesen, wohl schon seit Herbst 23 laufenden Austauschverhandlungen, berichtet. Demnach habe sich Putin (zum Schein) auf einen Austausch Krasikow gegen Gershkovich und einen weiteren Amerikaner eingelassen, und darauf, auch Nawalny freizulassen und abzuschieben. Letzteres soll Bedingung der Bundesregierung gewesen sein, um sich überhaupt auf die Freilassung eine verurteilten Mörders einzulassen.



    Als die Bundesregierung diese grundsätzliche Bereitschaft endlich gezeigt hat, hat Putin Nawalny sofort umbringen lassen, und setzt nun seine "Verhandlungen" fort. Er hat die Bundesregierung weichgekocht und setzt darauf, Krasikow jetzt gegen andere Geiseln austauschen zu können. Davon hat er genug (auch Deutsche), und kann bei Bedarf weitere nehmen.



    Darstellung des FBK vom Februar 2024 (mit englischen Untertiteln):



    www.youtube.com/watch?v=jqevNxQ2T8Y



    De facto hat Putin diese Version auf der im Artikel erwähnten Pressekonferenz nach der Präsidentschaftswahl bestätigt, sinngemäß: Ich war ja bereit, ihn auszutauschen, aber dann ist er leider gestorben.

  • Wo sind die ganzen Leute, die noch gestern eifrig für ihre Lichtgestalt Assange kommentiert haben?

    Ach ja, hier geht's ja nicht gegen die Amerikaner.

    • @Suryo:

      Vielleicht sind diese Leute aber auch sehr beschäftigt mit den ganzen Demos gegen China wegen dessen Genozid an den Uighuren.

  • In den RAF-Jahren hatte sich die damalige Bundesregierung unter Helmut Schmidt zu einer harten Linie entschlossen und einen Austausch inhaftierter RAFler gegen Entführte (Schleyer/Landshut) abgelehnt - allein schon deshalb, weil weitere Erpressungsversuche absehbar gewesen wären.

    Ich kann nur hoffen, dass die jetzige Bundesregierung ähnlich konsequent verfährt und derartige Deals mit dem international gesuchten Kriegsverbrecher W.W. Putin und seinem Gangsterregime ablehnt.

  • Für Assange haben viele demonstriert, denen fehlt jetzt der Charakter für Evan Gershkovich zu demonstrieren.



    Ach der sitzt ja in Russland im Gefängnis, da kann man nichts machen.

  • Das ist alles fürchterlich!! ...........Wie das Schicksal von Julian Assange