US-Börse gesteht Facebook-Panne ein: Der Geld-Computer menschelt
Eine Verzögerung von zwei Millisekunden beim Börsenstart von Facebook soll das Handelssystem von Nasdaq überfordert haben. Die Panne könnte teuer werden.
BERLIN taz | Technische Probleme der größten elektronischen US-Börse haben am vergangenen Freitag maßgeblich zu dem turbulenten Facebook-Börsenstart beigetragen. Am Freitag blieben Käufer und Verkäufer von Facebook-Aktien an der New Yorker Nasdaq-Börse über Stunden darüber im Unklaren, ob ihre Aufträge durchgeführt wurden.
Ein überlastetes Computersystem war offenbar die Ursache dafür, dass der Handel mit Facebook-Aktien bis zum frühen Nachmittag im Blindflug ablief. „Das war nicht unsere Sternstunde“, sagte Robert Greifeld in einer Telefonkonferenz. Der Nasdaq-Chef nannte die technische Panne „demütigend und peinlich“.
Seit 40 Jahren werden bei der „Nationalen Vereinigung von Wertpapierhändlern für Automatische Angebote“ Aktien in rasender Geschwindigkeit automatisch mit Hilfe von Computersystemen gehandelt. Die Nasdaq ist bevorzugter Handelsplatz für Technologiewerte. Konzerne wie Google, Apple und Microsoft sind dort gelistet.
Die Aktien von Facebook sind mittlerweile unter ihren Ausgabepreis von 38 Dollar gefallen. Die Papiere notierten am Montag im frühen Handel mit 33,05 Dollar fast 14 Prozent tiefer als zum Handelsschluss am Freitag. Das Unternehmen hatte am Freitag sein Börsendebüt hingelegt und die Experten dabei enttäuscht. Zumeist waren Kurszuwächse von rund zehn Prozent oder etwas mehr für den ersten Handelstag vorausgesagt worden, tatsächlich schlossen die Papiere aber nur 0,6 Prozent über ihrem Ausgabekurs. Sie waren aber nicht unter die Marke von 38 Dollar gefallen, was auch an Stützungskäufen der börsenbegleitenden Bank Morgan Stanley lag.
Für die Hightech-Börse ist das Computerdebakel bei Facebooks Börsengang besonders peinlich. Erste Probleme sollen sich schon am frühen Freitag Morgen angekündigt haben, als Aufträge für Facebook-Aktien nicht korrekt verbucht wurden.
Zahlreiche Stornierungen
Aufträge und Stornierungen von Millionen Aktien hätten sich im weiteren Verlauf so akkumuliert, dass das Computersystem überfordert gewesen sei, so Greifeld. „Wegen der Masse an Käufen und Verkäufen benötigte das Computersystem fünf Millisekunden anstatt der üblichen drei Millisekunden, um den Startpreis der Facebook-Aktie zu berechnen“, sagte Greifeld.
Während der verzögerten Preisberechnung sorgten jedoch zahlreiche Stornierungen von Facebook-Aktien dafür, dass die Preiskalkulation das System schließlich in einer Endlosschleife verharren ließ. Der für 11.00 Uhr angesetzte Börsenstart verzögerte sich um 32 Minuten.
Broker berichten von turbulenten Stunden der Ungewissheit. „Wir brauchen Klarheit!“, brüllten nach Aussage des Brokers John Hale Dutzende Händler ihre Systemtechniker an. Die Eingriffe der Nasdaq-Techniker sorgten schließlich dafür, dass alle Facebook-Transaktionen, die am Freitag zwischen 11.11 Uhr und 11.30 erfolgten, spurlos verschwanden.
Erst um 13.50 Uhr New Yorker Zeit bekamen die Händler erste Rückmeldungen, ob ihre Aufträge erfolgreich durchgeführt wurden. Zum Handelsstart um 11.32 Uhr notierte die Facebook-Aktie mit 42,05 US-Dollar. Im Lauf der Tages verlor das Papier etwa 10 Prozent und schloss mit 38,27 Dollar.
Buchungen des Tages werden nachgeprüft
Am Montag verlor die Aktie an der Frankfurter Börse weitere 3 Prozent und sank damit auf 37,16 Dollar – also unter ihren Ausgabekurs von 38 Dollar. Eric Noll, Vizechef der Nasdaq, stellte betroffenen Facebook-Investoren am Montag Entschädigungen in Aussicht.
Man werde alle Buchungen des Tages nachprüfen, um festzustellen, welche Investoren durch die Computerpanne Anspruch auf Entschädigungen hätten, sagte Noll dem Wall Street Journal. Auch die US-Börsenaufsicht SEC untersucht den Vorfall. Der Aktienkurs des Nasdaq-Betreibers, der Nasdaq OMX Group, verlor am Montag fast 5 Prozent.
Der Facebook-Fehlstart ist für das Unternehmen auch eine schwere Schlappe gegenüber seinem schärfsten und fast doppelt so großen Rivalen: Der Verbund der Börsen New York Stock Exchange (NYSE) und Euronext verfügt anders als die Nasdaq noch über den klassischen Parketthandel. Sein Marktwert beträgt rund 6,3 Milliarden US-Dollar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern