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UNHCR-Flüchtlingskommissar zu Flucht„Die Zahlen sind besorgniserregend“

Die UN zählen weltweit 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht. Den Großteil der Flüchtenden nehmen arme Staaten auf – und nicht etwa die EU.

Die meisten Flüchtenden bleiben im Land oder in einem Nachbarland – wie diese Syrer im Libanon Foto: dpa

Berlin taz | Und wieder ein neuer Rekord: Zum 31. Dezember 2018 haben die UN weltweit 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht gezählt. Es waren 2,3 Millionen mehr als ein Jahr zuvor – und doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Es ist die höchste Zahl von Flüchtlingen, die der UNHCR je registriert hat. Damit ist heute jeder 108. Mensch auf der Erde auf der Flucht. Im Schnitt wird heute alle zwei Sekunden ein Mensch vertrieben, das sind 37.000 pro Tag. Jeder zweite davon ist minderjährig.

Zum ersten Mal kam ein UNHCR-Flüchtlingskommissar nach Berlin, um den UN-Flüchtlingsbericht vorzustellen. Dies sei ein „sehr angemessener Ort“, sagte Filipo Grandi. Deutschland sei ein wichtiger Geber und spiele eine immer wichtigere Rolle im weltweiten Flüchtlingsschutz. Vor allem seit sich die USA aus den UN-Aufnahmeprogrammen weitgehend verabschiedet haben und auch dem UN-Migrationspakt nicht beigetreten sind, setzen die Vereinten Nationen stärker auf die seit 2015 als flüchtlingsfreundlich wahrgenommene Bundesrepublik. Entsprechend artig gab sich Grandi, der am Dienstag eine Rede mit dem Titel: „Flüchtlingskrise oder Krise der Solidarität“ in der Freien Universität Berlin gehalten hatte. Deutschland „verweigert Menschen in Not nicht seine Hilfe und seinen Schutz und die Integration macht große Fortschritte“, sagte er.

Allerdings, das sagte Grandi nicht, hat die ganze EU ihre Grenzen zuletzt weitgehend geschlossen, sodass die Flüchtlingszahlen hierzulande seit Jahren stark sinken. Deutschland zahlt, lässt aber nur noch sehr wenige Menschen herein. Und so nehmen weiterhin arme Staaten das Gros der Vertriebenen auf der Welt auf, auch das zeigt der UN-Bericht: 91 Prozent aller Flüchtlinge leben nicht in der EU, nur 16 Prozent in reichen Staaten. Diese haben im Schnitt 2,7 Flüchtlinge pro 1.000 Einwohnern aufgenommen, mittlere und arme Länder hingegen 5,8 Flüchtlinge pro 1.000 Bewohner. Vier von fünf Vertriebenen weltweit haben in einem direkten Nachbarland Schutz gefunden. Die ärmsten Länder der Erde erwirtschaften nur 1,25 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, beherbergen aber ein Drittel aller Flüchtlinge.

Die Zahlen sind „besorgniserregend“, sagte Grandi. 80 Prozent der Vertrieben seien heute bereits länger als fünf Jahre auf der Flucht. Bei jedem fünften sind es sogar 20 Jahre oder mehr. „Die meisten Flüchtlinge, die ich spreche, wollen nach Hause“, sagte Grandi, „aber sie können nicht, weil es nicht gelungen ist, die Gründe, die sie vertrieben haben, zu beseitigen.“ Seit Jahren kritisieren die UN die Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft, Konflikte zu lösen. „In dieser Welt ist es sehr schwierig, Frieden zu schaffen“, sagte Grandi. Und das sei eines der größten Probleme beim Flüchtlingsschutz.

Auch in Lateinamerika immer mehr Menschen auf der Flucht

In Afrika produziert der Südsudan die meisten Flüchtlinge, global liegt weiterhin Syrien an erster Stelle. Zu den Millionen Flüchtlingen in- und außerhalb des Landes kamen zuletzt noch rund 300.000 neu vertriebene Menschen in der Region Idlib im Norden des Landes hinzu. Auch in Lateinamerika, wo zwischenzeitlich relative Stabilität herrschte, seien immer mehr Menschen auf der Flucht: In Zentralamerika werden sie von bewaffneten Gangs vertrieben. Die größte Zahl der neuen Asylbewerber kam im Jahr 2018 aus Venezuela: 341.800.

Von den 70,8 Millionen sind rund 26 Millionen Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aus ihrem Land geflohen sind, darin enthalten sind 5,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge. Hinzu kommen etwa 3,5 Millionen Asylbewerber, bei denen die Entscheidung über ein Asylgesuch noch aussteht. Die größte Gruppe sind mit 41,3 Millionen die Binnenvertriebenen, also Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind.

Grandi sagte, die Lage sei auch deshalb kompliziert, weil Menschen nicht nur vor Kriegen fliehen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen, wegen des Klimawandels oder wegen Epidemien wie Ebola im Ostkongo. Er kritisierte, dass populistische Politiker die Bewegung von Menschen manipulativ als „Invasion“ oder „Gefahr für Werte, Sicherheit und Wirtschaft“ darstellen und viele Stimmen gewinnen, wenn sie etwa versprechen, Mauern oder Zäune zu bauen. „Diese Attitüde löst das Problem nicht“, sagte Grandi. „Es bleibt da, vielleicht nicht ganz so nah, aber es existiert weiter und kommt wieder.“

Die meisten Flüchtlinge weltweit nahm die Türkei auf (3,7 Millionen), gefolgt von Pakistan (1,4 Millionen) und Uganda (1,1 Millionen), Sudan (1,07 Millionen) und Deutschland (1,06 Millionen). Menschen, die lange Zeit im Land leben und dadurch eine dauerhaften Aufenthaltstitel bekommen, werden in dieser Zählung nicht berücksichtigt.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 70,8 Millionen Geflüchtete inner- , außerhalb ihrer Heimatländer, aufgrund von Landgrapping, Ackersterben infolge von Klimawandel von Menschenhand, industrieller Monokultur Agrarwirtschaft, Überdüngung, Verschuldung, Failed States, Krisen, Kriegen humanitären Katastrophen, u. a. infolge fehlender Ressourcen Vorhaltung, mangelndem Management der Folgen von Natur Großereignissen, Erdbeben, Überflutungen, Tsunamis, bei 230 Millionen Arbeitsmigranten*nnen weltweit, zeigt, dass das bisherige Verständnis asymmetrischer Weltwirtschaft, Handel, Wandel, Verkehr, Staatszugehörigkeit zu Gunsten immer weniger, zu Lasten immer mehr Menschen nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist. Folge, Geflüchtete erhalten kein Recht auf Beratung, Wiedereinsetzung in ihren vorherigen Stand im Heimatland zu betreiben, im Status abgesichert durch UNO, IWF, Weltbank.







    Vergleichbar dem Klimawandel von Menschenhand infolge weltweiter Industrialisierung, mit wachsender Teilhabe Milliarden Menschen an Handel, Wandel, Verkehr, Mobilität, Social Media zu Lande, zu Wasser, in der Luft mit seinen zunehmenden Ausschlägen Richtung extremer Wetterlagen in die eine wie andere Richtung, erleben wir technologischen Fortschritt von Menschenhand seit Jahrzehnten als Vorgang der Spaltung der Menschheit in Blöcke wie im Kalten Krieg 1948-1989, abnehmender Teil der Menschheit lebt in sog "Komfortzonen" der Rundum Versorgung, Rechtssicherheit, Frieden, ansteigender Teil der Menschheit vegetiert fern von menschenwürdiger Unterkunft, freiem Zugang zu Trinkwasser, Nahrung, Unterhalt durch Beschäftigung im Zentrum humanitärer Katastrophen von Menschenhand wider besseres Wissen und Vermögens der Völker.



    Energiewirtschaft, Finanzindustrie entdeckt Förderung erneuerbarer Energie Wind, Wasser, Sonne statt fossiler Brennstoffe als nachhaltige Anlage. Warum geschieht das nicht in Förderung der Grundversorgung aller Menschen mit Unterkunft Trinkwasser, Nahrung, Arbeit, Bildung, Mobilität statt Krisen, Krieg?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Dem Appell an den Autor, das "Positive" zu sehen, kann und will ich mich hier nicht anschließen.

    Das wäre genauso, als würde ich bei Einäugigen deren Sehfähigkeit loben. Wobei bei Letzteren äußere Faktoren die Einschränkung determinieren. Beim Aufnahmeverhalten der einzelnen Länder sind diese, und zwar ganz alleine, für ihr Handeln selbstverantwortlich.

    Dass der Großteil der Flüchtenden von armen Ländern aufgenommen werden, wundert mich nicht wirklich. Dieses Phänomen ist auch im Kleinen, im persönlichen Umgang untereinander wirksam:

    Die Bereitschaft zu Helfen ist umgekehrt reziprok zum eigenen Einkommen: je höher das Einkommen, desto geringer der wellfare-Faktor.

    Gates und Andere sind da Sonderfälle.

  • Der letzte Satz ist entscheidend. Vielleicht kann sich die taz-Redaktion auch einfach mal freuen über die besondere Rolle, die Deutschland hier spielt. In Deutschland leben weltweit die meisten anerkannten Flüchtlinge (verglichen mit anderen Industrieländern). Wir machen nicht alles perfekt, aber wir machen vieles besser als andere vergleichbare Länder. Es wäre auch einfach mal ein Moment gewesen, um positiv zu berichten.

    • @casio:

      Habe ich beim Lesen auch gedacht. Die anderen Länder sind direkte Nachbarn der Kriegskänder, und ein Land in der Mitte eines anderen Kontinents steht in den Top 5. Interessant ist immer, wie hardcorenationalistisch die "Bleiberecht-für-alle"- Fraktion an dieser Stelle ist. Nur im gelobten Deutschland, dem offenbar einzigen Paradies auf Erden, sollen Flüchtlinge unterkommen. Und in den Top 5 ohne Nachbar eines Kriegslands zu sein, reicht Herrn Jakob immer noch nicht. Interessant auch die 5, 5 Mio Palästinenser. Also die vierte Generation nach 1948. Wäre es da nicht angebracht mal zu fragen, wieso die Palästinenser auch in der vierten Generation nicht die Staatsbürgerschaft der Fluchtländer angeboten bekommen?

      • @Cleopatra:

        "Nur im gelobten Deutschland, dem offenbar einzigen Paradies auf Erden, sollen Flüchtlinge unterkommen. Und in den Top 5 ohne Nachbar eines Kriegslands zu sein, reicht Herrn Jakob immer noch nicht."

        Es macht für den eigenen äußeren, inneren, sozialen Frieden Sinn, Ressourcen für Unterkunft, Unterhalt durch Arbeit, Bildung, Ausbildung Geflüchteter, Migration verstetigt aufzubauen und zu sichern, um angesichts erst kommender Ströme Geflüchteter durch Klimakriege, klimatisch bedingte Großereignisse, Erdbeben, Tsunamis, Überflutungen durch Dauerregen gewappnnet zu sein, drohend humanitären Katastrophen nach besten Kräften, Vermögen nach Völkerrecht entgegenzuwirken. Zumal Deutschland, neben anderen Ländern der EU, andere nicht, Interventionspartei in Syrien, Afghanistan, Mali, Niger an insgesamt gegenwärtig 11 Bundeswehreinsatzorten im Ausland ist, damit de jure das Dublin Abkommen außer Kraft gesetzt hat.

        Deutschland als Kriegspartei nach Genfer Flüchtlingskonvention 1922, Haager Landkriegsordnung 1872 zur Aufnahme weitere Geflüchteter verpflichtet ist, im Fall des Zuwiderhandelns, wie Frankreich, England, USA, Russland, Saudi Arabien Anklagen durch den Internationalen Strafgerichtshof Den Haag nach Weltrecht absehbar wie das Amen in der Kirche zu gegenwärtigen hat und wenn es zehn Jahre dauert.

        Um da auf der sicheren Seite zu sein, müsste Deutschland noch viel mehr tun, wie Christian Jakob n. m. E. richtig mutmaßt. vor allem seine Interventionspolitik u. a. Seit an Seit mit Frankreich, gemäß Aachener Vertrag 2019 mit Militärkomponente, an Nato, an EU Partnern vorbei, im inzwischen gefährlichsten Bundeswehreinsatz in Mali, wie Bundsverteidigungsministerin Ursula von der Leyen meint, u. a. CFA Franc Währungszonen Ländern der Sahelzone, Zentralafrika beenden, ehemals französischen Kolonien, mit 150 Millionen Bürgern angekoppelt an Eurozone.

        Wieso darüber auch hier nicht gesprochen wird statt über Geflüchtete, ist das AfD Rätsel aus Feigheit vor "Freunden"?