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UN-Resolution zum UkrainekriegKein großer Triumph

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

141 Staaten fordern Russlands Abzug aus der Ukraine. Aber von einer breiten internationalen Isolation Russlands kann weiterhin nicht die Rede sein.

Die Auszählung der Abstimmungsergebnisse am 23. Februar Foto: John Angelillo/UPI Photo/imago

E s mag als diplomatischer Erfolg des Westens gelten, dass erneut eine große Mehrheit von 141 Staaten in der UN-Generalversammlung einer Resolution zugestimmt hat, die den sofortigen Abzug der russischen Truppen aus dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine verlangt. So mag sich etwa die deutsche Bundesregierung freuen, dass Brasilien mitgestimmt hat – hatte doch Brasiliens Präsident Lula da Silva noch vor vier Wochen dem deutschen Bundeskanzler bei dessen Besuch eine klare Abfuhr erteilt, als der den Schulterschluss für die Ukraine vorschlug.

Dennoch aber kann auch dieses Ergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, dass von einer globalen Isolation Russlands nicht die Rede sein kann. China, Indien, Südafrika und 29 weitere Staaten enthielten sich, elf weitere stimmten gar nicht erst mit. Von den sieben Diktaturen, die dagegen stimmten, ganz zu schweigen.

Aber auch von denen, die zugestimmt haben, sind längst nicht alle bereit, weitergehende Konsequenzen zu ziehen, um die Forderungen der Resolution auch durchzusetzen. Selbst Nato-Mitglied Türkei hat die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland seit Kriegsbeginn eher ausgebaut.

Das Gefühl, der 24. Februar 2022 teile die Weltgeschichte erneut in ein Vorher und ein Nachher und eröffne eine neue globale Auseinandersetzung zwischen Tyrannei und Völkerrecht, bei der die Nato auf der Seite des Rechts stünde, wird außerhalb Europas kaum geteilt. Wie auch, angesichts historischer Erfahrungen, die mit dieser Erzählung schlicht nicht in Einklang zu bringen sind?

Positionierungs-Dilemma

Offensichtlich scheint hingegen, dass eine Neuordnung der Beziehungen der großen Mächte mit offenem Ausgang begonnen hat. Das stürzt insbesondere die Länder des Globalen Südens in Positionierungs-Dilemmata – wer nicht von einer Seite abhängig sein will, pflegt seine Beziehungen auch zur anderen, wenn schon nicht militärisch, dann zumindest wirtschaftlich und politisch. Wer da aus Europa daherkommt und mit moralischer Verwerflichkeit angesichts des russischen Vernichtungskrieges gegen die Ukraine argumentiert, dürfte bestenfalls ein müdes Lächeln ernten.

Die erneute Aufforderung der UN-Generalversammlung an Russland, seine Truppen zurückzuziehen und die Angriffe einzustellen, ist insofern sicher besser, als wenn es sie nicht gegeben hätte. Ein großer Triumph allerdings ist sie nicht, den Frieden bringt sie erst recht nicht. Gestorben wird weiter – übrigens nicht nur in der Ukraine.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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5 Kommentare

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  • Was China betrifft wundert es mich, dass es sich mit einer Stimmenthaltung begnügte und nicht gegen die Resolution (und damit für den „Freund“ Russland) stimmte. Oder war es nur ein Trick, um als unparteiischer „Vermittler“ zwischen Russland und der Ukraine akzeptiert zu werden?



    Was von Chinas Friedensplan zu hören ist, wird er die „Freundschaft“ mit Russland nicht über Gebühr belasten. Die Frage ist nur, ob dann die Ukraine einen Nutzen davon hat.



    Bekanntlich hat China ein ähnlich gelagertes Problem mit Taiwan, dessen Souveränität es nicht anerkennt. Da kaum zu erwarten ist, dass sich die Taiwanesen freiwillig ergeben, wird Xi JinPing nichts anderes übrigbleiben, als entsprechend seiner mehrfach geäußerten Absicht militärisch gegen Taiwan loszuschlagen. Dann wird er seinerseits auf Putins Beistand in der UNO und der Welt angewiesen sein.

  • "Das Gefühl, der 24. Februar 2022 teile die Weltgeschichte erneut in ein Vorher und ein Nachher und eröffne eine neue globale Auseinandersetzung zwischen Tyrannei und Völkerrecht, bei der die Nato auf der Seite des Rechts stünde, wird außerhalb Europas kaum geteilt"

    Kaum ist natürlich sehr relativ. Wenn auch nicht bindend ist es das deutlichste Ergebnis einer UN Resolution aller Zeiten. Läßt man mal Europa außen vor haben mit 107 zu zu 47 (inkl. aller Enthaltungen und Nichtteilnahmen) mehr als Zwei Drittel aller Staaten die Resolution untezeichnet. Dagegen gestimmt haben außerhalb Europas ganze 5 Staaten. Nordkorea, Syrien, Mali, Nicaragua und Eritrea. Nicht einmal der Iran oder Venezuela. Und dass Länder wie Indien und China, die eng mit Rußland zusammenarbeiten und selbst territoriale Ansprüche auf das Gebiet ihrer Nachbar hegen, dass nicht verurteilen, verwundert wenig.

    Und wie der Autor selbst erwähnt, gehts bei den Enthaltungen mehr um eigene wirtschaftliche und strategische Interessen, als um moralische Fragen.

  • Ich glaube die wenigsten von uns hat das Abstimmungsergebnis als "Großer Triumph" wahrgenommen aber der Hinweis ist ja trotz dem ok.



    Wenn Herr Pickert weiß, dass "sie den Frieden erst recht nicht bringt" - weiß er denn im Umkehrschluss auch was den Frieden tatsächliche "erst recht" bringen würde?

  • Moralische oder rechtliche Fragen dürften wohl eher von untergeordneter Bedeutung sein, wenn wirtschaftliche Beziehunen auf dem Spiel stehen. Da eine solche Resolution eh unverbindlich ist, könnte man sich eine solche auch sparen. Das erinnert an ein Stimmungsbild in der Schule.

    • 6G
      669190 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Exakt. Erinnern Sie sich noch an das frühere TV-Testbild?



      Wäre doch mal ‘ne Maßnahme gewesen, das an dieser Stelle abzudrucken, oder?