UN-Klimakonferenz in Doha: In die Wüste geschickt
Wenn keine Rückschritte schon ein Fortschritt sind: Auf der UN-Klimakonferenz in Doha wird über das Klimaabkommen 2015 verhandelt. Die EU fällt dabei als Vorreiter aus.
BERLIN taz | Ausgerechnet Doha. Die Hauptstadt des Emirats Katar steht bislang für Luxus, Verschwendung – und das Scheitern internationaler Verhandlungen. Hier gibt es das weltweit höchste Einkommen pro Einwohner und den weltweit höchsten CO2-Ausstoß, hier begann 2001 die erfolglose Doha-Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation WTO. Die Erfolgsaussichten für die aktuelle Klimakonferenz sind ebenfalls eher dürr.
Denn mitten in Eurokrise, globaler Konjunkturschwäche und Konflikten wie im Gazastreifen fehle der politische Wille zu einer Lösung, beklagen Politiker und Umweltschützer, die sich zur 18. UN-Klimakonferenz auf den Weg in die Wüste machten. „Es wird in Doha keinen Durchbruch geben“, meint der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament, Jo Leinen. Zufrieden wären die Europäer schon mit technischen Fortschritten, einem Fahrplan für die Zukunft und vor allem: keinen Rückschritten.
Die Klimakonferenz 2011 im südafrikanischen Durban hatte durchaus Fortschritte gebracht: Bis 2015 soll ein weltweites Klimaschutzabkommen stehen, das 2020 in Kraft treten soll. Dafür fordern EU und Umweltschützer nun einen Fahrplan. Das Kioto-Protokoll soll dazu bis 2020 verlängert werden.
Außerdem müssen die Staaten in Doha den Grünen Klimafonds, der die armen Länder beim Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll, mit ausreichenden Finanzmitteln ausstatten. Und schließlich müssten schärfere Klimaziele vereinbart werden, wenn die globale Erwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll.
Vier Grad wärmer
Die Warnungen der Experten werden dabei immer dringlicher. Erstmals hat nun auch die Weltbank gemahnt, die Welt sei auf einem Pfad, der die Atmosphäre bis 2100 um bis zu vier Grad aufheize. „Das kann und muss verhindert werden!“, sagte der neue Weltbank-Chef Jim Yong Kim.
Der UN-Klimarat IPCC hat in einer internen Analyse vorgerechnet, dass der Klimawandel schneller voranschreitet als bislang gedacht und das Ziel, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, kaum noch zu erreichen ist.
Das Umweltprogramm der UN, Unep, hat gezeigt, dass die bisherigen Klimaziele der Länder bei weitem nicht ausreichen. Und die europäische Umweltagentur EEA stellt fest, dass schon „überall in Europa die Wirkungen des Klimawandels zu fühlen sind“.
Doch auch wenn die Alarmglocken schrillen – ein Umlenken zeichnet sich bei den Klimadiplomaten nicht ab. Der Ausstoß von Klimagasen steigt weltweit weiter an. Da nützt es auch nichts, dass die Emissionen in den USA und Europa durch Wirtschaftskrisen und Klimaschutz zurückgegangen sind.
Sechs Milliarden zu wenig
Von den versprochenen 30 Milliarden Dollar, die die reichen den armen Ländern bis 2013 für Hilfen gegen den Klimawandel versprochen hatten, wurden laut dem britischen Forschungsinstituts iied nur knapp 24 Milliarden bewilligt.
Das System der „Maßnahmen zur sauberen Entwicklung“ (CDM), mit dem Emissionen in Entwicklungsländern kostengünstig vermieden werden, steht laut einer UN-internen Untersuchung wegen Missmanagement und dem Preisverfall für CO2-Zertifikate vor dem Kollaps.
Die EU hat ihren Nimbus als Vorreiter im Klimaschutz eingebüßt. Die Eurokrise zieht Geld und Aufmerksamkeit ab. Vor allem die Staaten in Osteuropa sperren sich gegen das Ziel, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 30 Prozent zu vermindern. Doch selbst wenn es dazu käme – ob es als Signal ankommt, ist fraglich. Denn von den beiden wichtigsten Kontrahenten, den USA und China, gibt es bislang keine Hinweise auf Bewegung.
Deutschland fährt allerdings als gefragter Gesprächspartner nach Doha. Viele Länder wollen wissen, ob Atomausstieg und schneller Ausbau von Windkraft und Sonnenstrom wirklich die Zukunft made in Germany zeigen oder nur teutonische Spinnerei sind. Für Ottmar Edenhofer, den Chefökonomen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), ist die Antwort klar: „Die deutsche Energiewende ist mindestens so wichtig wie die Konferenz von Doha.“
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