UN-Klimakonferenz in Bonn: Wer den Schaden hat

Wenn wegen des Klimawandels Länder verwüstet werden, muss jemand für den Wiederaufbau bezahlen. Darüber wird dieser Tage in Bonn diskutiert.

Zerstörte Straße in Dominica.

Sturmschäden in Dominica, mit verursacht durch Treibhausgase aus anderen Staaten. Und wer baut die Brücke jetzt wieder auf? Foto: dpa

BONN taz | Inzwischen ist es schon eine schlechte alte Tradition: Die UN-Staaten treffen sich zur Klimakonferenz – und einer von ihnen wird durch einen heftigen Sturm verwüstet. Traf es in den letzten beiden Jahren die Philippinen, zerstörte am Mittwoch dieser Woche der Tropensturm „Erika“ die Karibikinsel Dominica.

In zwölf Stunden fielen 30 Zentimeter Regen, mehr als 25 Menschen starben in Schlammlawinen, die Hälfte der 72.000 Einwohner war ohne Strom, Straßen und Brücken wurden zerstört. Premierminister Roosevelt Skerrit nannte die Zerstörung an seinem Land „monumental. Der Sturm könnte unsere Entwicklung um 20 Jahre zurückgeworfen haben“.

Ein Ausläufer dieses Sturms weht nun auch in Bonn. Bei der Konferenz am Rhein, die den Klimagipfel von Paris im Dezember vorbereitet, debattieren die Delegierten, ob Hilfe nach einer Katastrophe wie „Erika“ in Zukunft im Klimaabkommen geregelt werden soll: „Loss and Damage“, (Verlust und Schaden) ist zu einem der heißesten Eisen in den Verhandlungen geworden. Es ist der neueste Versuch der 193 UN-Staaten, die Gefahren des Klimawandels zu begrenzen – und das Eingeständnis, dass der Klimaschutz bislang erfolglos war.

Denn am Beginn der Klimakonferenzen vor 20 Jahren wurde nur darüber diskutiert, wie die Emissionen von Treibhausgasen zu verringern sind. Dann, als die Emissionen immer weiter stiegen, ging es auch um Anpassung an den Klimawandel. Und jetzt, wo klar ist, dass auch höhere Deiche und neue Getreidesorten nicht gegen Klimaschäden schützen, reden die Delegierten über Schadenersatz.

„Loss and Damage“

Das heißt: Eigentlich reden vor allem die Entwicklungsländer in der Gruppe der „G 77“ und die Umweltgruppen über das Thema. Die Industriestaaten wollen „Loss and Damage“ am liebsten ganz klein halten. Die Unterschiede zeigen sich auch in den Konzepten, die am heutigen Freitag in Bonn präsentiert werden. Die „G 77“ wollen, dass „Loss and Damage“ im rechtlich verbindlichen Kern des Pariser Abkommens verankert wird, dass die Befassung mit dem Thema durch einen eigenen Verhandlungsstrang in Zukunft gesichert ist und dass die UN ein eigenes Gremium für Klimaflüchtlinge einrichtet.

Das Thema soll nicht im völkerrechtlich verbindlichen Teil des Pariser Abkommens Platz finden.

Der Vorschlag von EU, USA, Schweiz und Australien hängt das Thema viel niedriger. Die Industriestaaten wollen nur zusichern, dass sich die Konferenz weiter mit dem Thema befasst, „seine Bedeutung anerkennt“ und sich „aufgeschlossen gegenüber den Bedürfnissen der verwundbarsten Länder zeigt“, wie es in dem Text heißt. Und das Thema soll nicht im völkerrechtlich verbindlichen Teil des Pariser Abkommens Platz finden.

Das finden die Umweltgruppen einen Skandal. „Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auf die verwundbarsten Menschen in Paris ausgeklammert werden sollen“, sagt Julie-Anne Richards von der NGO „Climate Action Programme“. Für sie geht es nicht nur um Soforthilfe bei Katastrophen, sondern auch um die Abmilderung von langsamen Prozessen wie den Anstieg des Meeresspiegels oder die Versalzung von Feldern.

Die Kosten für solchen Schadensersatz können gewaltig sein. Es gibt keine genaue Daten, aber Richards beruft sich auf UN-Schätzungen, nach denen bei ungebremsten Klimawandel allein in Afrika Mitte des Jahrhunderts in jedem Jahr Schäden von etwa 100 Milliarden Dollar anfallen könnten.

Das verrückte K-Wort

Die Industriestaaten wehren sich gegen neue Verpflichtungen. Katastrophen wie Wirbelstürme seien bislang weder exakt auf den Klimawandel zurückzuführen noch einzelnen Ländern zuzuordnen, heißt es. „Und die Schäden nach einer Katastrophe entstehen zum Teil auch durch Missmanagement, Korruption oder schlechte Landnutzung, die mit dem Klimawandel nichts zu tun haben“, sagt ein Delegierter.

Vor allem fürchten die Industrieländer „das verrückte K-Wort“, nämlich Kompensation für Schäden nach Gerichtsverfahren, in denen sie als Hauptschuldige des Klimawandels belangt werden. Waren solche Prozesse früher Science Fiction, rücken sie heute immer näher: So klagt derzeit ein peruanischer Bergführer mit Hilfe der deutschen Umweltorganisation „Germanwatch“ gegen den Energiekonzern RWE, weil sein Dorf von schmelzenden Gletschern bedroht wird.

Und in den Niederlanden hat gerade ein Gericht die Regierung dazu verurteilt, ernsthaften Klimaschutz zu betreiben. Die Finanzierung des Schadenersatzes müsste auch nicht vollständig aus dem Staatshaushalt kommen, schlagen die Aktivisten des „Climate Action Programme“ vor. Sie fordern eine zusätzliche Steuer auf die Ausbeutung von Kohle, Öl und Gas, um damit den Opfern des Klimawandels zu helfen.

„Bei einem geringen Preis von zwei Dollar pro Tonne CO2 würde das 50 Milliarden Dollar im Jahr aufbringen“, sagt Richards. „Das reicht nicht aus, aber es wäre ein signifikanter Anteil an den Schäden.“

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