UN-Experte in tunesischer Haft: Moncef Kartas droht die Todesstrafe
Tunesien hält ein Mitglied der UN-Expertengruppe zu Libyen fest. Er genießt eigentlich Immuität und hat einen deutschen Pass.
Doch seit dem 26. März sitzt Kartas in einem Untersuchungsgefängnis in Tunis. Vertreter der deutschen Botschaft und der Vereinten Nationen durften den 56-Jährigen mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen noch nicht besuchen. Da er mit tunesischem Pass einreiste, „sind nur wir zuständig“, erklärte der Sprecher der Antiterrorbehörde, Sofian Sliti.
Die UNO sieht das ganz anders. Kartas ist seit zwei Jahren Mitglied der für Libyen zuständigen fünfköpfigen UN-Expertengruppe. Und da er im Auftrag der Vereinten Nationen über Rom reiste, gelte für ihn die „funktionelle Immunität“, bekräftigte ein Sprecher des UN-Generalsekretärs in New York.
Die Recherchen der Gruppe haben bisher zur Verhängung von Strafmaßnahmen gegen zwei libysche Politiker und vier Milizenführer geführt. Sie gelten als das effektivste diplomatische Druckmittel der internationalen Gemeinschaft in Libyen.
Er hatte Waffenschmuggel aufgedeckt
Das mit der UN-Resolution 1973 beschlossene Waffenembargo gilt für die international anerkannte Regierung in Tripolis und die Armee von Feldmarschall Chalifa Hafter, die seit fünf Wochen Tripolis und damit die Regierung angreift.
Tatsächlich sind die Grenzen des 5-Millionen-Einwohner-Staates weitgehend unkontrolliert. Die Kriege in Mali und der Zentralafrikanischen Republik wurden maßgeblich mit Waffen aus Libyen gestartet; Rebellengruppen aus dem Tschad und Sudan sowie Anhänger des „Islamischen Staates“ betreiben Trainingscamps.
Neben den Führern der Milizen fürchten auch Firmen und Geheimdienste die Recherchen der UN-Experten, die nach Namen und dem Vorgehen von Sanktionsbrechern fahnden.
Moncef Kartas ist innerhalb der Gruppe für Waffenschmuggel zuständig und konnte mehrere Waffenlieferungen an die Konfliktparteien nachweisen. „Dennoch sollte man die Arbeit nicht überbewerten: Die Experten stehen unter ständiger Beobachtung der Geheimdienste“, sagt ein Kollege.
Nach der Revolution 2011 forschte Kartas für die Nichtregierungsorganisation Small Arms Survey über die informelle Schmuggel-Ökonomie an der libysch-tunesischen Grenze. Zusammen mit dem Sicherheitsanalysten Matt Herbert gründete er den Analyse-Think-Tank Marhabal und schrieb Analysen für Firmen und staatliche Kunden.
Kartas beriet auch das tunesische Verteidigungs- und Innenministerium. Genau von dort kommen nun die Anschuldigungen, dass Marhabal indirekt für einen Drittstaat gearbeitet habe, „vielleicht auch unwissentlich“.
Nach tunesischem Antiterrorgesetz können Verdächtige bis zu 14 Monate festgehalten werden. Sollte Staatsanwalt Bechir Akremi auf seinen Vorwürfen beharren, droht Kartas sogar die Todesstrafe.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links