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UN-Bericht zu Israels PolitikSchuldig der Apartheid?

Erstmals prangert ein UN-Bericht die Politik gegen die Palästinenser als Apartheid an. Israels Reaktion: „Völlig verrückt“.

Nicht zimperlich: Israelischer Soldat will jungen Palästinenser nach einer Demonstration festnehmen Foto: ap

Jerusalem taz | Für schuldig des Verbrechens der Apartheid erklärt ein UN-Bericht den Staat Israel. Auf 74 Seiten untersuchte die UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien „Israels Vorgehen gegen das palästinensische Volk und die Frage der Apartheid“. Das Ergebnis ist vernichtend nicht nur für die von Israel besetzten Gebiete, sondern auch für Israels Politik gegenüber der arabischen Minderheit, die rund ein Fünftel der Staatsbürger ausmacht.

Israels „Politik, Methoden und Maßnahmen schaffen ein System rassischer Diskriminierung, die den regionalen Frieden und die Sicherheit der Region bedrohen“, heißt es in dem Bericht aus der Feder der beiden Amerikaner Richard Falk und Virginia Tilley.

Falk war jahrelang Sondergesandter des UN-Menschenrechtsrats in den Palästinensergebieten und gilt als Persona non grata in Israel. Seit er Israels Besatzungspolitik mit dem Nationalsozialismus verglich, darf er nicht mehr einreisen. UN-Generalsekretär António Guterres distanzierte sich von dem Bericht.

Rückenwind für BDS

Der Vorwurf, Israel sei ein Apartheidsstaat gehört zum Vokabular der Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) und ist für einen UN-Bericht ungewohnt scharf. Denkbar ist, dass der Bericht der Boykottkampagne Rückenwind verschafft. Erst vor wenigen Tagen verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das Boykottaufrufe gegen Israel verbietet und Einreisesperren gegen Befürworter verhängt.

Als einen „traurigen Moment für die UN“ bezeichnete Dan Gillerman, ehemals Israels Botschafter in New York, den Bericht. Überrascht sei er angesichts der Zusammensetzung der Mitgliedsstaaten, „deren liebstes Hobby das Niedermachen Israels ist“, nicht. Die Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien umfasst gut ein Dutzend arabische Mitgliedsstaaten und hat ihren Sitz in Beirut.

„Festung der Heuchelei“

Die Vereinten Nationen verfolgten, so kommentierte Gillerman, „schon lange keinen doppelten, sondern einen dreifachen Standard, einen für demokratische Staaten, einen für totalitäre Regimes und einen für Israel“. Die UN werde mehr und mehr zu einer „Festung der Heuchelei“.

Die UN werde zu einer Festung der Heuchelei

Der Bericht hält fest, dass das palästinensische Volk „insgesamt“ Opfer rassistischer Diskriminierung ist. Innerhalb Israels finde eine „Marginalisierung“ der arabischen Staatsbürger statt und „demografische Manipulationen“.

So sei es jüdischen Gemeinden möglich, arabische Zuzugswillige abzulehnen. Als „völlig verrückt“ bezeichnete Exbotschafter Gillerman hingegen den Apartheid-Vorwurf gegen Israel, dem einzigen Staat, in dem „ein Palästinenser vor den Obersten Gerichtshof ziehen kann, um gegen die eigene Regierung zu prozessieren“.

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22 Kommentare

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  • Klares, begrüßenswertes UN-Statement gegen Israels falsche Politik.

    Israel wird sich mit seinem Trump-Bündnis leider immer weiter isolieren.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Wer sich dafür interessiert, wie dieser "UN-Bericht" zustande gekommen ist, der interessanterweise von der UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien verfasst wurde, findet hier weitergehende Informationen:

    http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/diffamierung-israels-ein-kleiner-lehrgang/

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Die UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien hat diesen Bericht verfaßt, weil sie regional zuständig ist.

       

      Mit ihrem Vorwurf, wonach die arabischen Staaten als Betroffene "voreingenommen" und damit per se disqualifiziert für Kritik sind, hauen Sie auch nur in die gleiche Kerbe jener Deutschen, die genau dasselbe in Bezug auf die Juden und den Holocaust formulieren.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...würde den Bericht gerne selber lesen, erst dann kann ich darüber diskutieren, Apartheid ja oder nein.

    @taz ein Link wäre nicht schlecht, oder hab' ich den übersehen?

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Der UN-Generalsekretär Guterres veranlasste, vermutlich auf starken Druck der USA, den Bericht zurückzuziehen.

  • Eine große Hoffnung ist die Botschafterin der USA bei den vereinten Nationen Nikki Haley, die jüngst eine Rede gehalten hat, wie sie besser nicht sein kann:

     

    Hier die Rede: https://www.youtube.com/watch?v=uv8Hqlubst4

     

    Hier der Text zum nachlesen: https://usun.state.gov/remarks/7678 Text

    • @Günter:

      Na ja, man könnte jetzt sagen, der pro-palästinensische Bias der UN komplementiert den pro-israelischen Bias der USA, wobei letzterer allerdings deutlich stärkere realpolitische Auswirkungen hat.

      Es ist bedauerlich, dass kaum jemand wirklich die Interessen palästinensischer Menschen im Auge hat. die arabischen Staaten, Iran, Israel, die USA, selbst die Hamas sehen sie nur als strategische Manövriermasse in der Verfolgung ihrer eigenen Machtinteressen.

  • Ob der Begriff Apartheid angebracht ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Fakt ist, dass durch die Siedlungspolitik mehr oder minder systematisch Palästinenser enteignet werden und Israel rücksichtslose Interessenpolitik betreibt. Was mir immer wieder aufstößt ist, das berechtigte Kritik an dem grausamen Verhalten ISRAELS mit antisemitischen Ressentiments gleichgesetzt wird. Ich wehre mich entschieden gegen diesen Vorwurf. Es spielt keine Rolle, welche Religion, welche Volksgruppe die Institution "Staat" betreibt, wenn ebendiese Unrecht begeht. Es wird nach meinem dafürhalten allzuoft der Vorwurf des Antisemitismus als Argument gegen jedwede Kritik ins Felde geführt. Dies tritt das Andenken der Opfer mit Füßen.

     

    Dass in den umliegenden Regionen antisemitische Geisteshaltung stark ausgeprägt ist und somit der ganze Diskurs entsachlicht geführt wird ist unbestritten. Ebenso die Tatsache, dass Gewalt beidseitig ausgeübt wird.

     

    Fakt bleibt, dass Israel systematisch Unrechtstaten begeht.

  • Israels „Politik, Methoden und Maßnahmen schaffen ein System rassischer Diskriminierung, die den regionalen Frieden und die Sicherheit der Region bedrohen“, heißt es in dem Bericht ...(Zitat)

     

    War das anders zu erwarten? Israel basiert auf der Idee, dass die Israelis den Arabern im Land und in allen Nachbarstaaten überlegen sind. Das ist in Israel auch Teil des normalen Denkens - selbst von einigen Liberalen oder Linken. Und dann ist Israel eine Demokratie: Wenn die Arbeitspartei nach Frieden strebt, brauchen dies die anderen Parteien nicht zu unterstützen, sie können auch historische Umbrüche einfach wieder rückgängig machen. In so einem Land ist es extrem schwierig, diese negative Einstellung zu Arabern überhaupt zu korrigieren.

  • Schuld und Unschuld, ein nie enden wollender TeufelsKREIS.

    Es mag - objektiv betrachtet - zutreffend sein, was die UN sagt. Doch helfen wird es nichts.

    Das URSACHE-WIRKUNGS-Prinzips ist die Lösung des Problems. Solange es auf BEIDEN (!!) Seiten durchgeknallte GEWALT-Phantasten (zB HAMAS!) gibt, wird es keinen Frieden geben, sondern massive Massnahmen, die schlussendlich auch dem eigenen SCHUTZ vor Gewaltakten geschuldet sind.

    Ziel muss es sein, die GEWALT- und EXTREM-Fraktionen in beiden Lagern zu ENTmachten. Das ist die EINZIGE Möglichkeit, den Konflikt endlich zu lösen. Mit Schuldzuweisungen wird man da keinen Blumentopf gewinnen. Zeitverschwendung!

  • "Thymian und Steine", ein Buch von Prof.Dr.Sumaya Farhat-Naser erzählt Grundlegendes zum aktuellen Konflikt.

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Das Apartheid-Verbrechen wird in Art 7 Abs. 2 h des Römischen Statuts von 1998 wie folgt definiert: „unmenschliche Handlungen ähnlicher Art wie die in Absatz 1 genannten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten“.

     

    Völkerstrafgesetzbuch sorgen, in dessen § 7 Abs. 1 Nr. 10 es heißt, dass sich strafbar macht, wer „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung“ eine „identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt“

     

    Das alles ist schon vom ISTGH (unserem Gericht) im erheblichen Maß für die Besatzung bestätigt!!

    http://www.icj-cij.org/docket/files/131/1677.pdf

    (Menschenreechteverbrechen werden ab S9 begründet!)

     

    Insofern stellt sich die Frage nicht, wenn man die für uns geltenden Gesetze&Gerichte respektiert.

     

    Wenn man jedoch die Apartheid der Besatzung unterstützen mag, anstatt Recht und Menschenrechte der Palästinenser, verweigert man fast ins Wahnhafte gehend die Wahrnehmung von Fakten und lebt inmitten alternativer Fakten.

     

    Ich finde, man sollte über unsere Gesetz&Gericht berichten, anstatt dem Leugnen dieser Verbrechen in den Artikeln so viel Raum zu geben.

     

    In Israel gibt es natürlich keine Apartheid, gemessen am obigen Gesetz. Nur deutliche Diskriminierung, die nicht nur in Gesetzen manifestiert ist. http://www.adalah.org/en/law/index

  • Der Apartheid-Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Pink:

      Ist er schon. Vielleicht lesen Sie sich einmal unvoreingenommen diesen Text durch:

      https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/359_rechtspopulismus/apartheid

       

      Das ist der Verfasser:

       

      Nkululeko Nkosi kommt aus dem Township Kathlehong bei Johannesburg und ist der erste Student der dortigen High School, der an der Universität Witswaterand Jura studieren konnte. Er ist Vorsitzender der Universitätssektion der ANC-Jugendliga.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Der ANC hat sich schuldig gemacht.

        Nkosi Sikelele I Africa war es glaube ich. Da ich aber ohnehin gebeten wurde, meinen Senf hier nicht mehr abzulaichen im Kreise derer, die vor mir da waren.

        Und Nelson Mandela dreht sich im Grabe um.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Bei aller Sympathie für Israel, wenn zumindest große Teile der Israelis die Zweistaatenlösung ablehnen und eine Gleichberechtigung der Palästinenser in einem Staat ganz offensichtlich nicht in Frage kommt, bleibt doch nur noch eine Gesellschaft mit unterschiedlichen Rechten je nach Herkunft?

         

        Ob man das jetzt als Arpartheid bezeichnet oder anders, je nach Herkunft haben die Staatsbürger (?) unterschiedliche Rechte. Was stört Sie an dem Begriff Apartheid?

        • @A. Müllermilch:

          Die Menschen in Israel haben keine unterschiedlichen Rechte - diese Behauptung ist unglaublich. Aber einige haben weniger Pflichten, für Jüd*innen gilt die Allgemeine Wehrpflicht von 2 bzw. 3 Jahren. Arabische Muslime können, müssen aber nicht in der IDF dienen.

          • @Christoph Stolzenberger:

            Ok, wenn man mal die Möglichkeit der Eheschließung, die Chance auf gleiche Bildung, die Chance einen Job oder eine Wohnung zu finden, die Möglichkeit, eine Partei zu gründen und sich für das Parlament aufstellen zu lassen, ausser Acht läßt, haben sie natürlich Recht.

          • @Christoph Stolzenberger:

            "diese Behauptung ist unglaublich"

             

            Es geht doch um die besetzten Gebiete, denen Israel die Eigenstaatlichkeit verweigert und die für die Besiedlung durch Israelis in Anspruch genommen werden. Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass die dort lebenden Palästinenser die gleichen Rechte wie dort lebende Israelis haben?

  • Es ist entsetzlich, dass auch im 21. Jahrhundert die Pest des Antisemitismus nicht ausreichend bekämpft wird, sondern täglich stärker wird.

     

    Der Jude unter den Staaten - Israel - wird ständig delegitimiert.

     

    Auch heute muss mensch wohl fragen:

     

    Wie viele Jüd*innen dürfen das Recht auf Leben im Gaza-Streifen ausüben?

     

    Wer plant im Gaza-Streifen und im Westjordanland einen den wohl einzigen Staat ohne Jüd*innen?

     

    Wer hat im Gaza-Streifen religiösen Gebäude (Synagogen) außerhalb von Kriegen zerstört?

     

    Wer fordert die Vernichtung einer Menschengruppe (Juden) durch das hineintreiben ins Meer?

     

    Die Zahlen über Beschlüsse der UN gegen Israel und gegen andere Staaten sind mittlerweile so unglaublich ungerecht, dass die UN nicht mehr ernst genommen werden kann.

     

    Pfui!

     

    Gegen jeden Antisemitismus ist hier die einzige Losung die gelten muss!

    • @Christoph Stolzenberger:

      Bitte erlauben Sie mir einen Kommentar dazu.

      Auch die Palästinenser*innen haben ein Recht auf Dasein und Leben, auf Arbeit und Anerkennung.

      Auf der anderen Seite - aus meiner europäischen Sicht - muss ich Ihnen zustimmen - die Sündenböcke waren immer die Juden in der Vergangenheit bei uns. Hier stimme ich Ihnen zu - kein Platz für Antisemitismus.

      Das reale Leben in Israel sieht etwas anders aus ... zu viele NGO's, die alle partizipieren wollen. Zuwenig Anerkennung für dunkelhäutige Juden, zuviel Ressentiments.

      Israel ist auch kein Jude unter den Staaten. Dieser Satz ist - aus meiner Sicht - eine Anmaßung.