Twitter und Facebook sperren Trump: Macht der Tech-Giganten
Twitter und Facebook sperren Trump, um mehr Gewalt zu verhindern. Ihr Vorgehen wirft aber einmal mehr Fragen nach der Macht der Konzerne auf.
Mehr als 1.400 Tage konnte sich Donald Trump auf den sozialen Medien austoben. Facebook und Twitter haben Trump groß gemacht, Trump hat Facebook und Twitter groß gemacht. Eine klassische Win-win-Situation für beide Seiten. Kurz vor dem offiziellen Amtsende des US-Präsidenten am 20. Januar ist nun Schluss damit.
In den vergangenen Tagen hagelte es Sperren und Ausschlüsse auf Twitter, Facebook, Instagram. Auch die Konten seiner treuesten Anhängerschaft wurden dort blockiert. Die Ausweich-Plattform Parler ist von Google und Apple aus ihren App-Stores verwiesen worden.
Es sind Entscheidungen im Stundentakt, die unmittelbar auf die Krawalle im und am Kapitol in Washington am vergangenen Mittwoch folgen. Und sie sind ein weiteres Zeichen für die Machtkonzentration und Entscheidungsgewalt digitaler Plattformen, die weltweit Milliarden Menschen nutzen.
Tatsächlich versuchen Demokraten und Republikaner seit Jahren, die Macht der Tech-Giganten zu brechen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auf die Freude vor allem innerhalb linker Kreise über die Sperren nun eine kontroverse Debatte über die Monopolstellung einiger weniger Tech-Konzerne folgt.
Unterschiedliche Argumente für Entmachtung
Im Kern geht es um eine Regulierung von Onlineplattformen, insbesondere die sogenannte Section 230. Sie ist Teil eines Internetgesetzes, des Communications Decency Act von 1996. Darin heißt es, kurz zusammengefasst, dass die Unternehmen hinter den Webseiten nicht verantwortlich sind für die Inhalte, die ihnen Nutzer:innen liefern. Es bleibt allein den Tech-Giganten überlassen, ob sie eine Sperre oder Blockade veranlassen.
Insbesondere die US-Wettbewerbsbehörde FTC sowie mehrere Dutzend US-Bundesstaaten versuchten, die enorme Machtkonzentration von Google oder Facebook zu zähmen. Beispielhaft wurde das von Mark Zuckerberg geschaffene Imperium Facebook verklagt, weil es durch immense Zukäufe den Wettbewerb behindert. Das Verfahren wird vermutlich noch Jahre andauern. Expert:innen zufolge wird es bereits bei Datenschutzverstößen nicht auf einen Vergleich hinauslaufen, sondern auf eine gesetzlich angeordnete Zerschlagung des Konzerns. Gelingt dies, könnte dies den Präzedenzfall schaffen für andere Tech-Konzerne wie Google.
Die Demokraten haben demnächst die Überhand in beiden Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Auch sie werden mit großer Sicherheit die von Trump angestoßene Anti-Kartell-Gesetzgebung weiterverfolgen. Ein Zeichen dafür ist die Nominierung von Vanita Gupta, einer prominenten Bürgerrechtsanwältin und Facebook-Kritikerin, als zukünftige Nummer drei im Justizministerium.
Die Argumentation zwischen Republikanern und Demokraten ist unterschiedlich: Während die Republikaner sich vor allem auf vermeintliche Zensur und Cancel Culture stützen, setzen die Demokraten darauf, dass die Tech-Giganten sich durch mehr Wettbewerb verantwortlicher für die Inhalte auf ihren Plattformen zeigen. Und damit früher menschenverachtende Äußerungen sperren oder löschen. Letzteres hätte zur Folge, dass auch Posts aus internationalen Regimen, die Hass und Hetze verbreiten, früher unterbunden werden.
Mit den Sperren sind die Anhänger:innen Trumps nun nicht verschwunden. Sie wandern zur Plattform Parler. Apple und Google haben sie aus ihren jeweiligen Stores bereits entfernt oder geblockt. Sicher ist, dass sich Trump-Fans online ein neues Forum suchen, um ihre kruden Ideologien zu radikalisieren und zu verbreiten. Sogar von einer eigenen, neuen Plattform ist die Rede. Trump hat jedenfalls schon „Großes“ angekündigt. Mit einer Zerschlagung der Machtkonzentration der Tech-Giganten ist es also noch nicht getan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“