Tweek-TV: Fernsehen von Freunden

Mit Tweek TV muss man sich nicht mehr ums Fernsehen kümmern – Serien kommen von allein. Die Produktionsfirma gilt als vielversprechendes Start-Up.

Mehr als ein Testbild: TweekTV. Bild: Photocase / timbec

BERLIN taz | Irgendwann im Spätsommer 2010 hatte Marcel Duee seinen Job bei einer bekannten Handyfirma gekündigt, um mit zwei Freunden etwas eigenes hochzuziehen. Eine eigene Firma, ein Start-Up. Kaum einer ahnte, dass Start-Ups aus Berlin ein Jahr später weltweit Aufmerksamkeit bekommen würden.

Berlin war natürlich schon die Stadt der Projekte und Klitschen, der Kreativen und Medienfritzen. Aber niemand dachte daran, dass der kommende Mark Zuckerberg vielleicht an der Spree wohnt, das nächste Google seinen Hauptsitz im Prenzlauer Berg haben könnte.

So weit ist Berlin tatsächlich noch nicht, aber klar ist, dass Berlin nach Jahren des Rumwurstelns neben London zur europäischen Hauptstadt der Internet-Start-Ups geworden ist. Der sagenhafte Erfolg der von Berlin aus weltweit operierenden Musikplattform Soundcloud hat bewiesen, dass man auch in Berlin mit dem Internet richtig Geld machen und Arbeitsplätze schaffen kann.

Inzwischen verfolgt das Stadtmagazin Zitty die neue Start-Up-Szene regelmäßig, und der Tip hat ihr jüngst eine Titelgeschichte gewidmet. Neue Schlagwörter wie "Social Reading" geistern umher: Das Start-Up Readmill verspricht, via Internet Lesen zum kollektiven Erlebnis zu machen. Readmill wird großes Potential zugesprochen, und auch diese junge Firma kommt aus Berlin. Das Berliner Start-Up-Netzwerk Silicon Allee bekommt viel Aufmerksamkeit. Die Risikokapitalanleger schauen sich das Treiben in Berlin genauer an.

Geld kommt aus London

Eigenkapital hatten Duee und seine beiden Partner bei der Firmengründung so gut wie keines. Was sie hatten, war eine Idee, einen Plan: Die sich anbahnende Verschmelzung von Fernsehen und Internet voranzubringen. Jetzt musste nur noch jemand gefunden werden, der viel Geld in diese Idee investieren würde. Mehrmals flog Duee nach London und in die USA, um sich mit Investoren zu unterhalten. "Häufig kommt das Geld für wirklich innovative Ideen noch aus dem Ausland, primär aus London oder aus den USA", sagt er, "aber auch in der deutschen Investorenszene gibt es positive Entwicklungen. Die Zahl der Leute, die innovativ denken, steigt."

Zeit für etwas anderes als die Firma hat Duee seitdem nicht mehr. In seinem Tennisverein, dem TC Friedrichshain, hat man ihn in der letzten Saison fast nicht mehr gesehen. Dort wusste man nur, dass Duee an dieser Internetsache arbeite. Seitdem bekannt ist, dass aus dieser wohl etwas werden wird, sagt man: "Dann wird der Marcel jetzt Millionär, oder?" Und lacht dazu. Aber man lacht nur ein wenig.

Denn jetzt, gerade mal gut ein Jahr nach der Firmengründung, ist Marcel Duee tatsächlich plötzlich einer der Stars dieses seltsamen neuen Start-Up-Hypes in Berlin. Duees Firma Tweek TV wurde vor kurzem vom Wall Street Journal zu einem der am meisten versprechenden Start-Ups in Berlin gekürt, und Risikokapitalanleger investieren nun einen hohen sechsstelligen Betrag in die Firma, deren Produkt noch nicht einmal auf dem Markt ist. Die Firma, von der noch nicht klar ist, wie ihr Produkt, das erst im nächsten Frühjahr auf den Markt kommen soll, einschlagen wird, stellt mehrere neue Mitarbeiter ein. Den Start-Up-Boom in Berlin, von dem Experten behaupten, er sei keine "Blase" wie noch in den New-Economy-Zeiten, es gibt ihn wirklich.

Fernsehen neu erfinden

"Tweek TV" wird in den einschlägigen Blogs der Start-Up-Szene bereits dafür gefeiert, als erste deutsche Firma im neuen Internet-Trend des sogenannten "Second Screen", auch "Social TV" genannt, mitzumischen. In den USA gibt es schon mehrere Anbieter, wie Matcha TV oder Clicker, die den Fernsehkonsum via Internet neu definieren wollen. Jetzt will Tweek TV in direkte Konkurrenz mit ihnen treten.

Ausgehend von der Krise des klassischen Fernsehens und der Erkenntnis, dass sich auch das Betrachten von Filmen oder Serien immer stärker ins Internet verlagert, will "Social TV" unser Konsumverhalten neu prägen und auf der Facebook-Idee des sozialen Netzwerks aufbauen. Dank Tweek TV soll man sich dann abends auf sein Sofa hocken, seinen iPad anmachen und lauter Empfehlungen von Serien, Filmen, Youtube-Inhalten oder taiwanesischen Talkshows von seinen Facebook-Freunden bekommen. Man muss sich sein Lieblingsprogramm nicht mehr selbst zusammenstellen, das Lieblingsprogramm kommt von allein.

Marcel Duee, ein symphatischer, sportlicher Typ und kein Geek oder Nerd, der gerne einen Mitte-Schal trägt und durchaus so aussieht wie der hippe Firmengründer, der er ist, führt die Testversion von "Tweek TV" vor. Die Serien "Life on Mars" und "Ashes to Ashes" werden einem da von einem der Facebook-"Freunde" empfohlen. Klingen beide interessant. Als nächstes wird ein Trailer gezeigt und dann, wie legal am einfachsten an den Inhalt zum Herunterladen zu kommen ist.

Das Ziel von "Tweek TV" ist ein auf Dauer immer feiner arbeitendes Filtersystem, das Benutzern auf der Basis des Geschmacks von ausgesucht geschmackssicheren "Freunden" das Aufstöbern von persönlich relevanten Inhalten in den endlosen Weiten des Internets erleichtert. Wie bei den meisten neuen Dingen, die das Internet betreffen, dachte man vorher nicht unbeingt, dass man so etwas je brauchen würde: Fernsehtipps aus dem Internet.

Aber jetzt, wo es sie via Tweek geben soll, leuchtet das Konzept durchaus ein. Anfang März 2012 wird Tweek TV an den Start gehen. Dann wird sich zeigen, ob erneut ein Start-Up aus Berlin weltweit für Furore sorgen wird oder ob "Tweek TV" doch nur ein vielversprechendes Projekt unter vielen ist, das am Endekeine bahnbrechenden Auswirkungen haben wird.

"Gerade mal ein Start-Up von zehn hat im Durchschnitt so richtig Erfolg", sagt Duee. Er sagt das aber so, dass kein Zweifel besteht, dass seines zu den erfolgreichen gehören wird.

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