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„Turn up Charlie“ auf NetflixMal was anderes als Drogen und Mord

In der Serie „Turn up Charlie“ verkörpert Idris Elba einen erfolglosen DJ. Überzeugender als der Plot ist die Spielfreude des Hauptdarstellers.

Der Vielleicht-James-Bond Idris Elba als Hochzeits-DJ Charlie Ayo Foto: imago-images/Prod.DB

D as Wort „nett“ hat einen viel zu schlechten Ruf. Wahrscheinlich weil sich irgendwann mal irgendwer ausgedacht hat, dass „nett der kleine Bruder von scheiße“ sei. „Turn up Charlie“ ist nett. Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger. Und schon gar nicht scheiße.

Idris Elba spielt in der Netflix-Serie den DJ Charlie Ayo, der in den 90ern mal sehr kurzfristigen Erfolg hatte. Seinen Eltern in Nigeria suggeriert er bis heute, dass er mittlerweile ein erfolgreicher Musikproduzent und noch immer mit der geliebten Schwiegertochter zusammen sei. Ist er beides natürlich nicht. Er legt auf Hochzeiten auf, auf denen niemand tanzt. Er wohnt mit Aunt Lydia (Jocelyn Jee Esien) und seinem besten Kumpel Dell (Guz Khan) in einer WG in London. Er ist ständig blank, und die paar Einnahmen, die er bekommt, muss er seinen Eltern schicken, um weiter vorzugaukeln, dass Geld keine Rolle spiele.

Charlies große Chance bietet sich als sein superreicher und einst bester Freund von Los Angeles nach London zieht: David (JJ Feild) ist ein Hollywood-Superstar, seine Frau Sara (Piper Perabo) ist eine internationaler Top-DJane, deren gemeinsame Tochter Gabrielle (Frankie Hervey) ist ein Monster, das ihre Nannys frisst. Obwohl, können elfjährige Kinder überhaupt Monster sein? Sind sie nicht Opfer ihrer Erziehung? Ja, bestimmt. Trotzdem ist sie ein Monster. Erstmal.

Es kommt natürlich so, dass Charlie die neue Nanny wird – und er es schafft, Gabrielle zu knacken. Die beiden werden Freunde. Und Sara hilft Charlie im Gegenzug beim Comeback. Aber natürlich gibt es irgendwann Verwerfungen, denn bei allem Buddy-hilft-Buddy-Getue ist doch immer klar, wer oben und wer unten ist.

Nicht unbedingt fürs Hirn, eher für den Bauch

Ja, die Story wirkt nicht super frisch. Eher wie diese Ware im Supermarkt, auf der so ein 30%-Aufkleber drauf ist. Auch weiß die Serie nicht so recht, was sie sein will: Wohlfühlkomödie? Sozialkritisches Drama verpackt in eine Comedy-Serie? Beziehungskiste? Blick hinter die Kulissen des Jetset-Lebens der Superreichen? „Turn up Charlie“ bietet von allem ein bisschen was und bleibt so immer auf halbem Wege stecken.

Dennoch: Die acht knappen Folgen sind gut anzusehen, gut gespielt – und: unterhaltsam. Nichts unbedingt fürs Hirn, sondern eher für den Bauch. Und das ist doch schon mal mehr als man von vielen anderen Serien behaupten kann. Außerdem muss es doch auch noch was anderes geben als Drogen, Mord, Armut und Hass.

Die acht knappen Folgen sind gut anzusehen, gut gespielt – und: unterhaltsam

Nur stellt sich natürlich die Frage: Warum hat Netflix die Serie ins eigene Programm gehievt? Die wollen doch sonst immer alles so edgy haben. Die Antwort ist vermutlich der (Mit-)Erfinder der Serie: Idris Elba. Dem meint man in jeder Szene anzusehen, dass er einfach Bock darauf hatte, mal nicht den kaputten, starken Mann spielen zu müssen. Voller Komplexe, harte Schale, weicher Kern, vernarbtes Herz, Sie wissen schon.

Und mit Elba, dem aufgehenden Stern über den Hollywood Hills, dem Vielleicht-James-Bond, hat Netflix womöglich noch Größeres vor. Da kann es nicht schaden, ihm solch eine Serie zu ermöglichen.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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