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Türkisch-griechischer StreitMittel zum Krieg

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Griechenland, die Türkei und Zypern streiten um Gasvorkommen im Mittelmeer. Dabei braucht diese niemand wirklich.

Französische und griechische Militärschiffe bei einer Übung im Mittelmeer Foto: ap

W enn die Zeiten schlecht aussehen, dann träumt es sich besonders schön von Reichtum, Wohlstand und Macht. Im östlichen Mittelmeer verwandeln sich solche Träume gerade in Albträume. Scheinbar geht es um Gas, das unter dem Meeresboden schlummert. Das Versprechen auf einen daraus folgenden Geldsegen lässt gleichermaßen Griechen, Türken, Zyprioten und weitere Anrainer hoffen. Ob es jemals eingelöst werden kann, wissen nur die Götter.

Die Träume sind es, die in der jüngsten Eskalation am Mittelmeer zum Vehikel machtpolitischer Avancen geworden sind, mit denen die Türkei ihren Einfluss vergrößern will. 200 Seemeilen ins Meer hinaus reicht die „ausschließliche Wirtschaftszone“, in der nach dem Seerechtsabkommen der Vereinten Nationen das jeweilige Land Bodenschätze fördern darf. Fast 170 Staaten haben diesen Vertrag unterzeichnet, darunter Griechenland und Zypern. Die Türkei nicht. Die Regierung in Ankara meint stattdessen, aus der Länge ihrer Küste Ansprüche ableiten zu können. Diese Auffassung hat die Türkei ziemlich exklusiv. Sie bedeutet, dass die anderen Anrainerstaaten beim Run ums Gas fast leer ausgehen würden.

Doch eine Rechtsauffassung ist das eine, ihre Durchsetzung eine andere Frage. Die Türkei hat neben Forschungs- auch Kriegsschiffe entsandt, um ihre Ansprüche zu verdeutlichen. Griechenland mobilisiert seinerseits Teile der Marine. Nationalismus greift um sich. Frankreich kündigt an, Griechenland und Zypern zu unterstützen.

Kein Mensch benötigt derzeit Gas vom Mittelmeer. Es ist unklar, ob sich dessen Förderung jemals rentiert. Es existiert kein Grund dafür, ausgerechnet jetzt nach dem Gas zu suchen. Ankaras Eskalationskurs soll offenbar nur von den schweren Wirtschafts- und Finanzproblemen im eigenen Land ablenken, unter denen die Bevölkerung leidet. Aber es hat schon geringere Gründe dafür gegeben, dass Länder in einen Krieg geschlittert sind, den sich eigentlich niemand gewünscht hatte. Die EU-Außenminister sind dringend gefordert, für eine Deeskalation zu sorgen.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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1 Kommentar

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  • Schon vor Monaten erschien in der Le Monde Diplomatique ein lesenswerter Artikel darüber, dass es in der Region weniger um das Gas, als die innenpolitischen Probleme Erdogans geht. Die Wirtschaft der Türkei sackt weiter ab, der Tourismus coronabedingt auch. So sucht der Sultan den außenpolitischen Konflikt, den Nationalismus verfängt immer- das aber auch in Griechenland. Mitsotakis in Athen spielt ebenso mit dem Hass gegen den 'Erbfeind', denn auch er sieht sein Land in der Krise. Jetzt hofft die Regierung in Athen auf die Unterstützung durch Trump, der mit Erdogan im Clinch liegt. Der US-Präsident hofft im Gegenzug auf die Stimmen der US-Griechen bei der Wahl. Insgsamt spielen alle beteiligten aus machttaktischen Gründen mit dem Feuer. Auf Chios habe ich seit Jahren die Dogfights zwischen türkischen und griechischen Kampfjets über der Insel beobachten können. Fazit: Das Gas ist nur ein Nebenkriegsschauplatz....