Türken für die AfD: Rassistisch, aber keine Türkei-Feinde
Ein türkischer Journalist rät Deutschtürken, am Sonntag die AfD zu wählen. Unseren Gastautor regt das auf.
A m Sonntag ist Bundestagswahl. Diese Wahl wird besonders für uns in Deutschland lebende Immigranten eine entscheidende Rolle spielen. Ob es eine Fortsetzung der Großen Koalition oder Jamaika wird, werden wir nach der Wahl erleben. Wichtig ist mir, dass Parteien wie die AfD mit rassistischen Parolen und Fremdenhass keinen Erfolg haben.
Doch das sehen offenbar nicht alle Türken in Deutschland so. Der Journalist Erdal Altuntas schreibt in der September-Ausgabe der kostenlosen, türkischsprachigen Monatszeitung für Norddeutschland Post Aktüel, deren Geschäftsführer er ist: „Wenn ich bei dieser Wahl wahlberechtigt wäre, und wenn ich überhaupt wählen würde – wenn Sie neugierig sind, sage ich Ihnen: Mir geht die rechtsextreme Partei AfD durch den Kopf. Ich bin sicher, dass Sie sehr wütend auf mich sein werden. Die AfD steht für Fremdenhass und Feindschaft gegen Türken und Muslime. Doch das sagt diese Partei zumindest offen. Wenn wir uns dagegen die vier bislang im Parlament vertretenen Parteien anschauen: Welche davon ist kein Feind der Türkei? Welche Partei betreibt keine türkeifeindliche Politik?“
Es ist traurig und beschämend, von einem langjährigen Journalisten solche Wörter zu lesen, zumal Altuntas auch noch Vorsitzender des Bundes der Türkischen Journalisten in Hamburg (HTBB) ist. Schließlich sitzen in der Türkei mehr als 150 Journalisten ohne Grund in Haft. Tausende Akademiker sind grundlos entlassen worden, weil Sie nicht die Meinung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan teilen.
ist türkischer Journalist und Autor des Online-Magazins Avrupa Postası und schreibt gelegentlich für die taz. Er ist Mitglied im Bund türkischer Journalisten in Hamburg (HTBB).
Altuntas verfolgt mit seinem Wahlaufruf an die Deutsch-Türken nun die Linie eben dieses Recep Tayyip Erdoğans. Der Staatschef und Vorsitzende der Regierungspartei AKP hatte vor Kurzem die rund 720.000 wahlberechtigten türkischstämmigen Menschen in Deutschland aufgefordert, den Parteien bei der Bundestagswahl eine „Lehre“ zu erteilen.
Recep Tayyip Erdogan
Über CDU, SPD und Grüne sagte er: „Meinen Mitbürgern in Deutschland sage ich deshalb: Das sind alles Türkeifeinde, unterstützt sie bloß nicht. Gebt eure Stimmen den Parteien, die sich die Türkei nicht zum Feind erklärt haben. Das ist eine Angelegenheit der Ehre für alle in Deutschland lebenden Türken. Wir haben den Rat der Deutschen nicht nötig.“
Ich weiß, dass viele Hamburger Journalisten mit türkischen Wurzeln sehr sauer auf Herrn Altuntas sind. Ich fordere von ihm eine öffentliche Entschuldigung und seinen sofortigen Rücktritt als Vorstand des Journalistenbundes. Er kann uns türkische Journalisten in Hamburg nicht vertreten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart