Türkei und Griechenland streiten um Gas: Logik der Nationalisten
Es hat schon banalere Gründe für einen Krieg gegeben: Der Konflikt um Gasvorkommen im Mittelmeer vor Zypern droht sich auf ewig zu verlängern.
W enn das eine Dorf einen Stromanschluss erhält, der Nachbarort aber nicht, dann ist das ungerecht. Aber daraus erwächst kein Drama. Wenn aber der eine Dorfvorsteher ein Grieche und der andere ein Türke ist, wenn Nationalisten die Stromfrage zur prinzipiellen Angelegenheit erklären und daraus Ansprüche für ein ganzes Land ableiten, wird es gefährlich.
Wenn sie dann bewaffnete Milizen gründen und die Einwohner der nächsten Stadt, ja des ganzen Landes mobilisieren und sich schließlich fremde Staaten in den Konflikt einmischen – dann, ja dann erwächst daraus ein Krieg. So begann vor mehr als 60 Jahren der Zypernkonflikt.
Heute geht es nicht mehr um die Straßenbeleuchtung von Dörfern, sondern um Gasvorkommen im Mittelmeer und Milliardengeschäfte. Aber das Prinzip ist das gleiche geblieben. Griechische und türkische Zyprioten streiten sich auf ihrer längst geteilten Insel um wirtschaftliche Ressourcen. Die „Mutterländer“ Griechenland und die Türkei nehmen für jeweils ihre Volksgruppe Partei und drohen einander. Es hat schon banalere Gründe für einen Krieg gegeben.
Völkerrechtlich betrachtet spricht vieles dafür, der griechischen Position recht zu geben, nach der nur Zypern das Gas rund um die Insel fördern darf. Die türkische Auffassung, man könne die Naturschätze vor der Küste ohne Rücksicht auf den Inselstaat ausbeuten, steht auf tönernen Füßen. Nordzypern, das Land, in dem heute die türkischen Zyprioten leben, ist international nicht anerkannt und kann daher keine Rechtstitel erwirken.
Im Sinne der Verständigung zwischen griechischen und türkischen Zyprioten – von Athen und Ankara gar nicht zu sprechen – ist das freilich nicht. Sie geböte eine Beteiligung der Nachbarn im Norden der Insel. Doch solange kein verantwortlicher Politiker dazu bereit ist, die eigene, national geprägte Logik zu überwinden, wird der Konflikt bis in alle Ewigkeiten verlängert werden – zum Leid aller Menschen, gleich ob Türken oder Griechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau