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Türkei setzt Deutsche Welle unter DruckSchmusekurs beenden

Kommentar von Wolf Wittenfeld

Der Online-Auftritt der Deutsche Welle steht in der Türkei vor seiner Abschaltung. Die Bundesregierung muss nun klare Kante zeigen.

Telekommunikationsturm in Istanbul

N ach Russland hat die Deutsche Welle nun auch ein Problem in der Türkei. Die türkische Medienaufsicht will, dass sich der Auslandssender innerhalb von drei Tagen eine Lizenz für ihren Internetauftritt besorgt, ansonsten würde ihre Website gesperrt. Doch anders als in Russland, wo die Welle quasi als Reaktion auf ein Sendeverbot für den russischen Staatssender RT in Deutschland ebenfalls verboten wurde, geht es in der Türkei nicht um eine Retourkutsche. Präsident Erdoğan geht es um mehr. Die Regierung will die komplette Kontrolle über die öffentliche Meinung im Land.

Denn es geht nicht nur um die Deutsche Welle (DW), auch Voice of America und Euronews sind mit derselben Forderung konfrontiert. Erdoğan hat in den vergangenen zehn Jahren nahezu sämtliche türkischen Fernsehsender und Zeitungsverlage unter seine Kontrolle gebracht. Unabhängige Zeitungen gibt es nur noch in Nischenbereichen, unabhängige Nachrichtenportale im Internet werden massiv drangsaliert, Twitter-Nutzer werden immer häufiger zum Ziel polizeilicher Angriffe.

Jetzt werden die Auslandssender der USA, der EU und Deutschlands ins Visier genommen. Gerade angesichts der Unterdrückung der freien Presse hat die Deutsche Welle in den letzten Jahren ihr Türkeiprogramm ausgeweitet und ist mit ihrem Online-Angebot zu einer wichtigen Quelle und einer echten Adresse für guten Nachrichtenjournalismus geworden.

Das soll nun über ein Lizenzverfahren ausgehebelt werden. Anders als die DW hat Voice of America die Forderung der Medienaufsicht bereits als massiven Angriff auf die Pressefreiheit zurückgewiesen. Die Leitung der DW hat dagegen anscheinend noch keine Anweisung aus dem Auswärtigen Amt bekommen, wie sie reagieren soll.

Der Angriff auf die Auslandssender wäre eine gute Gelegenheit für die neue Bundesregierung und insbesondere für die Grünen, den Schmusekurs, den Angela Merkel gegenüber Erdoğan gepflegt hat, auf den Prüfstand zu stellen. Wenn die Außenministerin die Schließung des Internetauftritts der DW in der Türkei widerstandslos hinnimmt, hat sie gegen Erdoğan schon verloren.

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10 Kommentare

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  • "Die Leitung der DW hat dagegen anscheinend noch keine Anweisung aus dem Auswärtigen Amt bekommen, wie sie reagieren soll"

    Mit diesem Satz zeigen sie letztendlich auf, dass die deutsche Welle (auch) nicht unabhängig ist!



    Wenn ein Medium erst auf staatliche Instruktionen warten muss, wie es genau zu reagieren hat, und nicht seine eigene, (unabhängige) Meinung dazu äußern darf, dann unterliegt es wie bereits erwähnt staatlicher Kontrolle!



    Müsste denn die taz zb bei einem Publikationsverbot im Ausland auf grünes Licht aus dem Außenministerium warten bevor sie sich äußert? Wohl kaum - weil sie unabhängig ist, im Gegensatz zur deutschen Welle.



    Man schaue sich nur mal deren Finanzierung und den dazugehörigen Zuständigkeitsbereich an - beides liegt beim Staat.



    Aber der Begriff Staatsmedien, wird hierzulande ausschließlich dann verwendet, wenn es um die "bösen Länder" geht.



    Bei ARD und ZDF möge man sich zudem einfach nur mal die Personen im Aufsichtsrat anschauen, und sich dann überlegen, ob dort ein Einfluss seitens der Politik gänzlich ausgeschlossen ist?

    • @Sven Unrau:

      Sehr gut geschrieben...

  • Die DW ist der Ausslandssender Deutschlands, ein Staatssender. Der offiziell laut Baerbck gar nicht in seiner Form existieren dürfte. Und bereits seit 2014 gezielt gegen Putin Politik macht. In Anbetracht der RT-Affäre wundere ich mich weshalb jetzt, wenn Staaten wie Russland und die Türkei dieselbe Tonart wie Berlin spielt, so eine Entrüstung durch die Medien geht.

    Man hätte das alles viel einfacher und diplomatisch eleganter haben können.

  • 4G
    49272 (Profil gelöscht)

    Den gleichen Fehler hat Neville Chamberlain vor langer Zeit auch gemacht. Kuschelkurs mit einem Despoten. Wann lernen Politiker aus der Geschichte? Niemals! Die Politik der europäischen Staaten erinnert an die letzten Züge des römischen Reiches, des Untergangs des osmanischen Staates... wenn man kein Rückgrat mehr hat, kann man nicht mehr aufrecht stehen. Die Sonne lacht über Europa und die Welt über uns^^

  • "Die Regierung will die komplette Kontrolle über die öffentliche Meinung im Land."

    Wenn man die Annahme hat (habe ich), das der Diktator und die Regierung in der Türkei Deckungsgleich sind, ja, dann stimmt der Satz.

  • Wie wird der Siegeszug der Diktatoren Putin und Erdogan gestoppt?



    Rausschmiss in Moskau, dann in Ankara. Und Deutschland will immer kooperieren mit Herrschern, die keine Vorstellung von Kooperation haben.

    • @nzuli sana:

      Wir kooperieren so viel mit der größten Diktatur auf dieser Erde: CHINA....

      Unsere Auto-Firmen kooperieren mit China, sogar Chineser sind größte Aktionär vieler deutschen Firmen.

      Sonst unsere Chemie Industrie, Bau-Industrie, Lebensmittel-Industrie, Tourismus-Industrie u.v.m. kooperieren mit China...







      Noch schlimmer, manche Zulieferer aus China haben anscheinend Arbeitskräfte(!) von Uiguren in Arbeitslager.



      Ja, mehrere Arbeitslager vom 21.JH... Nicht vom 1940-1945...

      Wenn diese Dich nicht stören, viel kleinere Fliege wie die Türkei oder Russland sollen dich auch nicht stören..

  • So macht Putin Politik. Erdogan hat er unter Kontrolle seit die Türkei in Syrien einmarschiert ist und Assad Putin um Hilfe gebeten hat. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Verschwörungstheorie.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Unser Staat muss mehr Geld an DW geben...

      Sie bringen die Stimme der Demokratie zu Diktaturen..

      DW ist immer unparteisch und nicht eine Regierungsmedien...