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Türkei nach dem Anschlag in AnkaraErdoğan lässt es eskalieren

Eine kurdische Studentin soll den Anschlag in Ankara verübt haben. Büßen sollen nun alle Kurden und alle, die für Frieden sind.

Die Türkei rüstet im Osten des Landes auf, Diyarbakir am 15. März 2016. Foto: Reuters

Berlin taz | „Terroristen sind nicht nur diejenigen, die den Finger am Abzug haben, Terroristen sind alle, die den Terror ermöglichen. Egal ob sie Abgeordnete, Akademiker oder Journalisten sind, alle, die den Terror unterstützen, müssen auch als Terroristen behandelt werden.“

Zwei Tage nach dem dritten verheerenden Anschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara, hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan klargemacht, wie er „den Terrorismus in die Knie zwingen will“. Jeder, der sich Forderungen der Kurden zu eigen macht oder auch nur für Frieden in den vom Bürgerkrieg erschütterten kurdischen Städten im Südosten des Landes eintritt, soll ab jetzt ebenfalls als Terrorist behandelt werden.

Den ersten Schritt in diese Richtung machte am Dienstag Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu.Er leitete dem Parlamentspräsidenten einen Antrag auf Aufhebung der Immunität von fünf Abgeordneten der kurdischen linken HDP zu, darunter die beiden Parteivorsitzenden Selahattin Demirtaş und FigenYüksekdağ.Damit würde der Weg frei für Anklagen gegen die führenden Kurdenpolitiker.

Am Mittwochmorgen begann außerdem der Prozess gegen über hundert Akademiker, die vor einigen Wochen einen Aufruf unterschrieben hatten, den Militäreinsatz gegen die Kurden im Südosten zu beenden und stattdessen zu den Friedensgesprächen mit der PKK zurückzukehren.

Weitere heftige Auseinandersetzungen erwartet

Doch die AKP-Regierung und ihr PräsidentErdoğandenken gar nicht daran, sondern setzen ganz auf eine Eskalation der Auseinandersetzung. Nach den Luftangriffen vom Sonntag begannen Militär und Gendarmerie in der Nacht auf Dienstag neue Operationen in den Städten Şırnak, Nusaybin und Diyarbakir.

Erstmals seit Beginn des Ausnahmezustandes in Diyarbakir Anfang Dezember wird jetzt auch außerhalb der Altstadt, im Bezirk BaBağlar, gekämpft. Das Armenviertel im Zentrum vonDiyabakır wurde von Explosionen erschüttert, Autos brannten und stundenlang wurde geschossen. Panikartig verließen hunderte Menschen am Mittwochmorgen ihre Wohnungen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Für die kurdischen Neujahrsfeiern am 20./21. März werden weitere heftige Auseinandersetzungen erwartet. Die US-Botschaft in Ankara warnte ihre Bürger an diesen beiden Tagen, öffentliche Plätze und Menschenansammlungen zu besuchen, es müsse mit weiteren Anschlägen gerechnet werden.

Unterdessen wurden am Mittwoch die 37 Opfer des Terroranschlags von Sonntagabend zu Grabe getragen. Es sind fast ausschließlich junge Leute, Schüler und Studenten, die bei dem Anschlag getötet wurden. Die türkische Polizei will jetzt die Selbstmordattentäterin identifiziert haben. Es soll eine junge kurdische Frau, Seher Çağlar Demir, gewesen sein, die anhand von Fingerabdrücken und eines DNA-Tests identifiziert wurde. Die Frau war selbst Studentin, soll sich aber vor zwei Jahren der Guerilla angeschlossen haben.

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11 Kommentare

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  • Fragen muss man doch warum das von Europa und den USA geduldet wird!? Das Problem ist größer als Erdogan und tief mit Machtstellungen vieler Parteien im Nahen Osten verbunden. Wie auch bei der Ukraine, so will jeder sein Scheibchen abhaben von der Macht über diese Schlüsselregion. Die PKK ist nicht besser als Erdogan und wird lange nicht von allen Kurden unterstützt. Keiner der aktuellen "Schachspieler" in der Tükei und Syrien hat etwas Humanitäres im Sinne. Es ist meiner Meinung nach am wichtigsten, dieses Streben nach Macht und Kontrolle, verbunden mit Manipulation des Volkes (in so ziemlich jedem Land) zu überwinden. Und das geht nur, wenn JEDER sich an seinen eigenen Kopf greift. Ohne die ganzen Waffen aus Europa, den USA, Russland, Tükei, Saudi Arabien usw. wäre die Situation eine ganz andere.

    • @Anonononon:

      Das ist natürlich auch wunderschön einfach, die Schuld eben mal so pauschal auf Waffenlieferungen abzuwälzen. Und schön auch mal wieder, die PKK an den Pranger zu stellen, nachdem es Erdogan war, der sich nicht an verabredeten Waffenstillstand gehalten und neue Gewalt provoziert hat. Jetzt wäre nur noch die Frage, in welchem Zusammenhang Sie da die Kurden sehen, bei diesem "Streben nach Macht und Kontrolle, verbunden mit Manipulation des Volkes".

  • >Ist das wirklich im Hier und Heute, in einem Staat, der zur EU gehören sollte?

     

    Neben Kaczyński, Orban und bald vielleicht Le Pen dürfte er nicht weiter auffallen

    • @Klappstuhl:

      Ach, ich wusste noch gar nicht, dass in Polen, Ungarn und Frankreich auch schon ganze Dörfer bombadiert werden als Vergeltung für Anschläge, für die die Schuldigen noch nicht mal zweifelsfrei erwiesen sind. (Obwohl es in Ungarn und Polen mit der Demokratie natürlich auch nicht gerade zum Besten steht.)

  • Das ist Staatsterrorismus pur, was Erdogan und seine Kumpane praktizieren. Die Kurden waren letztes Jahr soweit, Frieden zu schließen. Aber die Staatsmacht Türkei hat einseitig provoziert und die Kurden militärisch angegriffen. Da müssen sie sich nicht wundern, wenn nun der Gegenterror erfolgt.

     

    Es ist wirklich erschreckend, wenn man sieht, wie die Türkei über Leichen geht. Nun wird ein Generalverdacht auf Terrorismus auf alle Kurden übertragen. Es handelt sich um eine Kriegserklärung an das kurdische Volk. Dies tut dieselbe Türkei und derselbe Erdogan, mit denen sich die EU und Merkel verbündet haben. Glaubt denn jemand ernsthaft, die Türkei würde mit den Flüchtlingen menschlicher umgehen als mit den Kurden?

  • "alle, die den Terror unterstützen, müssen auch als Terroristen behandelt werden"

    Bingo.

    Jetzt müsste er nur noch bei sich selbst beginnen. Mit der adäquaten Behandlung. Und die von der taz gewählte Überschrift ist (mir) doch zu weichspülerisch. Denn dieser Macht-über-Alles-Terrorist "lässt" nicht eskalieren, wie mir scheint. Sondern tut es. Als Subjekt.

  • Mir läuft es kalt den Rücken runter wenn ich darüber nachdenke das die Mehrheit der Türken hier Erdogan wählt.

     

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/wahl-in-tuerkei-so-haben-tuerken-in-deutschland-abgestimmt-a-1037673.html

  • Mir läuft's nur noch kalt den Rücken runter, wenn ich Nachrichten aus der Türkei lese.

     

    Ist das wirklich im Hier und Heute, in einem Staat, der zur EU gehören sollte?