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Türkei-Pläne für Nordsyrien-OffensiveErdoğans verhängnisvolle Obsession

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der türkische Präsident Erdoğan lässt seine Armee für einen Einsatz in Nordsyrien auffahren. Er riskiert ein Gemetzel und internationale Isolation.

Besessen vom Kampf gegen YPG-Milizen: Präsident Erdoğan bei Militärzeremonie Foto: dpa

N iemals werde die Türkei einen „Terrorstaat“ an ihrer Grenze dulden. Mit dieser Feststellung wies der türkische Vizepräsident Fuat Oktay am Montag die Aufforderung von US-Präsident Trump zurück, die Kurden in Nordsyrien nicht anzugreifen. Er beharrte darauf, dass sein Land gegen die „Terroristen“ an der gemeinsamen Grenze vorgehen werde.

Woher rührt diese Obsession der türkischen Regierung, die kurdischen, mit den USA verbündeten YPG-Milizen zur nationalen Gefahr für die Türkei hochzustilisieren? Warum will Erdoğan unbedingt den Einmarsch in Nordsyrien, auch wenn er sich damit praktisch gegen die ganze Welt stellt? Ist die YPG wirklich eine Bedrohung für die Türkei?

Tatsächlich hat es bislang keinerlei Angriffe syrischer Kurden auf türkisches Territorium gegeben. Dennoch sind die Ängste in Ankara, die von einem großen Teil der türkischen Bevölkerung geteilt werden, nicht völlig abwegig: Die syrische Kurdenorganisation PYD, deren bewaffneter Arm die YPG darstellt, gehört zur türkisch-kurdischen PKK – auch wenn das Pentagon diese Zugehörigkeit kleinredet. Sie sind ein Ableger der PKK und verehren den PKK-Gründer Abdullah Öcalan geradezu kultisch. Insofern könnte ein von der PYD kontrolliertes kurdisches Autonomiegebiet entlang der Grenze zur Türkei tatsächlich potenziell eine Bedrohung darstellen. Allerdings nur dann, wenn Präsident Erdoğan weiterhin darauf besteht, die PKK mit allen Mitteln auf Leben und Tod zu bekämpfen.

Das sah vor ein paar Jahren noch ganz anders aus. Im Jahr 2014 schickte derselbe Erdoğan Emissäre zum inhaftierten Öcalan auf die Gefängnisinsel İmralı und zur PKK-Führung im Nordirak, um über ein Ende des bewaffneten Kampfes zu verhandeln. Als diese Gespräche ein Jahr später scheiterten, setzte Erdoğan ganz auf die militärische Karte und schwor, die PKK zu vernichten.

Seitdem wirft die türkische Regierung den USA vor, ihre Zusammenarbeit mit den syrischen Kurden im Kampf gegen den IS stärke die PKK und sei deshalb völlig unannehmbar. Auf den Vorschlag von US-Diplomaten, doch erneut Gespräche mit der PKK aufzunehmen, da die syrischen Kurden sofort zu Gesprächen bereit wären, reagierte der türkische Präsident bislang mit strikter Ablehnung.

Doch das liegt nicht an den Kurden. Erdoğans derzeitige islamo-nationalistische Koalition macht Verhandlungen unmöglich; er müsste sich andere innenpolitische Bündnispartner suchen, wenn er erneut mit den Kurden reden wollte. Stattdessen lässt er nun die Armee auffahren – und riskiert ein blutiges Gemetzel und die völlige internationale Isolation der Türkei.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Es ist schon erstaunlich, wie die EU einerseits die Türkei ungestraft ganze Völker vertreiben lässt, sich dann aber wundert, wenn die Flüchtlinge kommen. Einfach ekelhaft.

  • Es ist leider völlig falsch zu behaupten es hätte keine Angriffe von Seiten YPG auf türkisches Territorium gegeben. Die Türkei hat schon oft genug rübergeschossen und wie das so üblich ist hat man das auch teils vergolten.

    Stellt ja auch das Fazit ehrlicher und passender heraus: Die Türkei wäre sicher vor kurdischer Gegenwehr, wenn sie ihren Willen nicht militant über die Menschen bringen würden.

    Da ist bisher nichts beim völkerrechtswidrigen Einmarsch in Afrin passiert und es würde leider von internationaler Seite auch nichts passieren. Der Westen/Nato/USA sind ebend keine verlässlichen Bündnispartner, solange man nicht dauerhaft etwas anbieten kann (siehe Türkei).

  • Erdogan müsste sich andere Koalitionspartner suchen um mit den Kurden reden zu können?Vielleicht hab ich das derzeitige türkische System falsch eingeschätzt, aber ich dachte der E. hat sich das System so eingerichtet, dass er niemandem mehr Rechenschaft schuldig ist oder a auch nur Konsens suchen müsste. Das Parlament braucht er jedenfalls nicht mehr, nach allem was ich die letzten Jahre gelesen habe. Klar bleibt da ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er jetzt plötzlich mit den Todfeinden verhandeln wollte, die er über Jahre bombardiert und eingekerkert hat. Will er? Ich glaube nicht.

  • Wir sollten uns da raushalten.Uns würde wirtschaftlich und politisch eine Rolle wie die der Schweiz besser passen!

  • 7G
    79762 (Profil gelöscht)

    Wäre ja schön, wenn Erdoğan mit einer militärischen Invasion in Syrien die völlige internationale Isolation der Türkei riskieren würde, aber tatsächlich ist das natürlich nicht so. Er riskiert ein paar diplomatische Protestnoten aus dem Westen, und das war's.

  • Russland und China werden ihre Absatzmärkte wahren..

  • Von gefährlichen Psychopathen wie Trump, Erdogan und all die anderen narzisstischen Despoten, ist eben keinerlei Entwicklung zu erwarten!



    Wir können alle nur froh sein, wenn diese hochgradig erkrankten Persönlichkeiten, die Welt nicht mit in den Abgrund ziehen...