Türkei-Konferenz der Linksfraktion: Scharfe Worte gegen Erdoğan
Bundestagspräsident Lammert wirft der türkischen Regierung einen Putsch gegen die Verfassung vor. Wagenknecht nennt Erdoğan „Terrorist“.
Lammert warf Erdoğan vor, in der Türkei einen Putsch von oben zu inszenieren. Nachdem der Putschversuch „wildgewordener Militärs“ im Sommer vergangenen Jahres „am bemerkenswerten Widerstand der Menschen in der Türkei gescheitert“ sei, müssten sie jetzt zur Kenntnis nehmen, „dass die von ihnen gewählte Regierung nun gegen die eigene Verfassungsordnung putscht“. Der demokratische Rechtsstaat werde zugunsten „eines autoritären Regimes“ ausgehebelt.
Besonders entsetze ihn dabei „die faktische Selbstauflösung eines türkischen Parlaments, das allerspätestens nach der Verhaftung eigener Mitglieder den Aufstand gegen die eigene Regierung hätte proben und aufführen müssen“, sagte der Christdemokrat unter dem Beifall der rund 400 KonferenzteilnehmerInnen. Falls die Verfassungsreform durchkomme, wäre das „die demonstrative Abwendung von einer europäischen Zivilisation“.
Bei einem Ja beim Referendum würde die Türkei zu einer Ein-Mann-Diktatur, warnte der Journalist Can Dündar. Allerdings sei die Entscheidung völlig offen, die letzten Meinungsumfragen sähen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Deswegen verliere er auch seine Hoffnung nicht. Ein Nein würde bedeuten, „diese Diktatur zu bremsen“. Es könne der Anfang vom Ende der katastrophalen Ära Erdoğans sein. Dündar, der seit dem vergangenen Jahr im deutschen Exil lebt, forderte dazu auf, „solidarisch mit der anderen Türkei“ zu sein, die trotz aller Repression weiter für die Demokratie kämpfe.
Der HDP-Abgeordnete Ertuğrul Kürkçü erinnerte daran, dass in den vergangenen zwei Jahren rund 5.000 Mitglieder der linken prokurdischen Partei inhaftiert worden seien, darunter auch die Parteivorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş. Der 68-jährige Kürkçü rief zu einer „Koalition der Freiheit“ gegen die „neue Art von Faschismus“ auf, die in der Türkei drohe. Das Land befinde sich jetzt an einer „kritischen Wegscheide“.
Bundestagspräsident Lammert (CDU)
Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht bezeichnete Erdoğan als „Terrorpaten“ und „Terroristen“. Zur Begründung zitierte sie einen Satz, den der türkische Präsident vor wenigen Tagen in Ankara gesagt hat: „Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können.“ Das sei ein „Aufruf zum Terrorismus“, sagte Wagenknecht. „Nichts anderes ist das.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt sie vor, zu lange zu dem Treiben Erdoğans geschwiegen zu haben. Mit ihren Reisen in die Türkei – zuletzt im Februar – habe Merkel ihm sogar noch den Rücken gestärkt. Das sei unverantwortlich gewesen: „Da wird man mitschuldig, wenn man das tut.“ Außerdem kritisierte Wagenknecht die Rüstungslieferungen an die Türkei und den „unseligen Flüchtlingspakt“, durch den sich die Bundesregierung abhängig gemacht habe. Sie forderte dazu auf, mehr Druck zu machen für die Freilassung des Welt-Journalisten Deniz Yücel und der vielen anderen politischen Gefangenen in der Türkei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen