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Tsipras in der TürkeiUm Entspannung bemüht

Der griechische Premier besucht Erdoğan. Auf der Agenda soll die gesamte Palette der immer wieder krisenhaften Beziehungen stehen.

Erst nach Ankara, dann nach Istanbul: Alexis Tsipras Foto: reuters

Istanbul taz | Eigentlich hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras zu einer Bootsfahrt auf den Bosporus eingeladen. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen treffen sich die beiden im Präsidentenpalast in der türkischen Hauptstadt Ankara.

Nachdem Erdoğan 2017 Griechenland einen Besuch abstattete, ist der griechische Ministerpräsident am Dienstag und Mittwoch in der Türkei. Nach der erfolgreichen Beilegung der Mazedonien-Krise kommt er mit frischem Rückenwind nach Ankara.

Dass Tsipras die Einigung mit Mazedonien gegen großen innenpolitischen Widerstand durchsetzen konnte, hat sein Ansehen in der Türkei erhöht. Vielleicht, so hoffen nun viele Beobachter in Ankara, sind jetzt auch Fortschritte bei den Territorial­fragen in der Ägäis möglich. Auch im Dauerstreit um Zypern wäre eine Verständigung zwischen Ankara und Athen Voraussetzung für eine mögliche Annäherung zwischen griechischen und ­türkischen Zyprioten auf der Insel.

Beide Regierungschefs haben ein Interesse daran, die Beziehungen zu verbessern. Tsipras muss für die griechische Parlamentswahl im Oktober dieses Jahres Punkte sammeln; Erdoğan möchte angesichts der Probleme im Nachbarland Syrien zumindest an der tür­kischen Westgrenze Ruhe haben.

Für den Dauerkonflikt in der Ägäis, der vor 23 Jahren fast zum Krieg eskalierte, ist es womöglich sogar nützlich, dass Tsipras’ rechter Koalitionspartner, die Anel-Partei, die Regierung wegen des Mazedonien-Streits verlassen hat.

Auf den ehemaligen Verteidigungsminister, Anel-Chef Panos Kammenos, folgt der bisherige Generalstabschef Evangelos Apostolakis. Er trifft in Ankara auf Hulusi Akar, der ebenfalls Generalstabschef war, bevor er Verteidigungsminister wurde, und genauso wie sein griechischer Kollege nach wie vor mehr Militär ist als Politiker.

Die beiden Ex-Generäle können zumindest bei der Ver­einbarung von technischen Konfliktvermeidungsstrategien sachkundig verhandeln, um Situationen wie vor einem Jahr zu vermeiden, als sich die Spannungen in der Ägäis aus politischen Gründen gefährlich hochschaukelten.

Theologische Hochschule auf dem Programm

Nach dem Putschversuch in der Türkei im Sommer 2016 waren Gespräche zur Lösung der Territorialkonflikte zwischen den beiden Ländern eingestellt worden. Sie sollen jetzt wieder aufgenommen werden.

Leichter als in der Ägäis-Frage könnten die beiden Regierungen Verbesserungen für die jeweiligen griechischen und türkischen Minderheiten in ihren Ländern beschließen. Aus ähnlichen nationalistischen Motiven, wie sie lange Zeit den Namensstreit mit dem Nachbarstaat Mazedonien geprägt haben, werden in Griechenland der türkischen Minderheit in Thrakien kulturelle Rechte verwehrt. Genauso haben verschiedene türkische Regierungen die griechische Minderheit in Istanbul drangsaliert.

Alexis Tsipras will am Mittwoch, nach seinem Besuch in Ankara, auch nach Istanbul reisen, um dort mit dem griechischen Patriarchen Bartholomäus I. die griechische Theologische Hochschule auf der Prinzeninsel Heybeli im Bosporus zu besuchen. Die Hochschule wurde im Jahr 1974 während des Zypern-Krieges geschlossen. Seitdem kann die griechisch-orthodoxe Kirche keine Priester mehr ausbilden.

Schon mehrfach war die Wiedereröffnung des Priesterseminars angekündigt worden. Präsident Erdoğan könnte in Griechenland, aber auch bei der Europäischen Union in Brüssel punkten, wenn er für die Wiedereröffnung grünes Licht gäbe.

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1 Kommentar

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  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Schon mehrfach war die Wiedereröffnung des Priesterseminars angekündigt worden. Präsident Erdoğan könnte in Griechenland, aber auch bei der Europäischen Union in Brüssel punkten, wenn er für die Wiedereröffnung grünes Licht gäbe"?



    Mit solchen 'Maßnahmen' kann also der Autokrat Erdoğan bei der EU "punkten"?



    So einfach geht das, vielleicht sollte Maduro in Venezuela auch ein Pristerseminar eröffnen?!