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Tschernobyl und die Langzeitfolgen

Studie: Kinder von AKW-Aufräumhelfern zeigen verstärkt genetische Veränderungen

BERLIN taz ■ Nach dem GAU von Tschernobyl gezeugte Kinder von AKW-Aufräumhelfern weisen siebenmal häufiger genetische Veränderungen auf als andere Kinder. Das haben Experten aus Israel und der Ukraine festgestellt. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie in den Biological Sciences, Fachblättern der britischen Königlichen Gesellschaft.

Die Wissenschaftler fanden eine unerwartet hohe Steigerung von Mutationen bei ukrainischen Kindern, die nach der Tschernobyl-Katastrophe gezeugt wurden. Alle Kinder stammten aus Familien, wo ein Elternteil zu den so genannten Liquidatoren zählte. Die Liquidatoren gehörten 1986 zu den Aufräumteams, die unmittelbar nach der Reaktorexplosion das radioaktiv belastete Gelände des Kraftwerks betraten. Bei allen Kindern wurde der genetische Fingerabruck auf Abweichungen zum Erbgut der Eltern untersucht. Die Ergebnisse wurden intern mit den genetischen Fingerabdrücken ihrer Geschwister verglichen, die vor der Katastrophe zu Welt kamen. Ein externer Vergleich erfolgte mit anderen ukrainischen Familien.

Die Forscher beobachteten bei den Kindern der „Liquidatoren-Familien“ aber auch, dass die genetischen Abweichungen geringer werden, je mehr Zeit von der Katastrophe bis zur Zeugung vergangen war. Außerdem spielte es eine Rolle, wie lange sich die Liquidatoren auf dem verstrahlten AKW-Gelände aufgehalten haben. Kurze Aufenthaltszeiten bewirkten weniger genetische Veränderungen.

Bei der Studie wurde in Betracht gezogen, dass sich die genetischen Veränderungen auch nach der Geburt hätten ergeben können. Doch mit dem Vergleich der Geschwister und anderer Familien glauben die Wissenschaftler nachgewiesen zu haben, dass die Veränderungen eindeutig von den „Liquidatoren-Eltern“ übertragen wurden. Wenn sich die Veränderungen erst nach der Geburt ergeben hätten, so die Forscher, sei es kaum zu erklären, dass die Geschwister, die unter denselben Bedingungen aufgewachsen sind, weniger genetische Veränderungen aufweisen.

Auch der Versuch, die Mutationen auf die Dauer zurückzuführen, die die Kinder der radioaktiven Strahlung ausgesetzt waren, scheidet nach Auffassung der Wissenschaftler aus: Die älteren, vor der Katastrophe gezeugten Geschwister hätten länger in der verseuchten Umgebung gelebt als ihre Geschwister, die Monate oder Jahre nach der Reaktorkatastrophe zur Welt kamen.

MARIUS ZIPPE

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