piwik no script img

Tschechiens Regierung in der KriseNull Charisma trifft null Rückhalt

Der deutsche Kanzler kann in Tschechien nicht begeistern. Das ist misslich für Premier Petr Fiala. Dessen Koalition gerät schon an ihre Grenzen.

Kein Glanz, der auf Fiala abstrahlen könnte: Olaf Scholz am Montag in Prag Foto: David w. Cerny / reuters

Prag taz | Die europäische Grundsatzrede, die Kanzler Olaf Scholz zu Wochenanfang an der Prager Karls-Universität gehalten hatte, traf in Tschechien kaum auf Anklang: schwach und unüberzeugend, titelte die Presse, wobei Scholz vor allem dadurch auffalle, dass er über gar kein Charisma verfüge. Seine Vision, die EU unter deutscher Führung weiter zu einen und zu reformieren, hat die Befürchtungen der EU-skeptischen Hälfte des Landes wie auch altgediente Vorurteile gegenüber Deutschland nur befeuert.

Selbst Ministerpräsident Petr Fiala, der sich politisch als Vertreter einer weiteren europäischen Einigung versteht, reagierte eher verhalten auf den Auftritt des Kanzlers in Prag. Dabei könnte Fiala etwas außenpolitischen Glanz gut gebrauchen. Denn auf der heimischen Bühne schwindet seine Legitimität immer weiter, und das nur zehn Monate nach seinem ohnehin knappen Wahlsieg.

Die Koalition aus fünf Parteien hat von Anfang an nichts anzubieten gehabt außer einer gemeinsamen Plattform gegen den Oligarchen Andrej Babiš. Der gegenwärtigen Krise stehen Fiala und seine Truppe ziemlich hilflos gegenüber. Umso mehr, als die Krise in der Energieversorgung offenlegt, wie sehr Tschechien von Deutschland abhängig ist.

So wird Gas zum Beispiel nicht direkt aus Russland importiert, sondern über Deutschland. Ein Umweg, der eigentlich längerfristigen Verträgen und mangelnden Gasspeichern geschuldet ist. Dass die Regierung Fiala es trotz aller Solidaritätsappelle bislang nicht geschafft hat, Deutschland Zusagen für eine Gaspreisbremse oder einen Austausch gegen Atomstrom abzuringen, wird ihr von einer steigenden Anzahl von Wählerinnen und Wählern als Schwäche angerechnet.

Die Regierung wirkt arrogant gegenüber der Bevölkerung

Hinter Fialas wohlkalkuliertem wie gepflegtem Image als gutbürgerlicher Akademiker und Erbe des inzwischen zum Mythos verklärten Dichterpräsidenten Václav Havel lässt sich nur wenig an politischer Substanz und Prinzipien erkennen. Umso mehr geben sich Fiala und seine Kabinettsmitglieder als abgehoben bis verächtlich gegenüber den Ängsten der Bevölkerung.

Da helfen auch keine Durchhalteparolen mehr, die darauf bauen, dass jegliche Einschränkung im Kampf gegen das Böse geschieht, wie die tschechische Regierung sich gegen Russland und Putin positioniert. Die undurchsichtigen Geschäfte seiner Koalitionspartner, denen gegenüber Fiala eher hilflos dasteht, helfen nicht unbedingt, den Ruf der Regierung zu stärken.

Die steigenden Energiepreise und dazugehörige Unsicherheit am Markt treffen schon jetzt immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen, die allein angesichts ihrer voraussichtlichen Stromkosten im kommenden Jahr lieber die Schotten dichtmachen. Die Befürchtungen des Durchschnittstschechen vor dem nächsten Winter werden von Regierungsseite arrogant abgehakt: zieht halt einen extra Pulli an, riet die Vorsitzende der Regierungspartei TOP 09, Markéta Pekarová Adamová.

Ähnlich arrogante Ratschläge über den gesundheitlichen Nutzen schlecht beheizter Räume oder Pläne, auch privaten Stromverbrauch unter Strafandrohung einzuschränken, kommen beim Wähler nicht unbedingt an.

Einer Umfrage nach gilt ­Fiala als der unbeliebteste Regierungschef europaweit: ganze 71 Prozent der Wähler sind mit seiner Politik unzufrieden. Die Rechnung kommt spätestens Ende des Monats, wenn in Tschechien Kommunalwahlen stattfinden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Jetzt soll der deutsche Kanzler nicht nur die Ukraine retten, sondern auch noch die tschechische Regierung (nur leider wusste er in Prag nicht zu begeistern)? Der arme Mann … ein bisschen viel verlangt, oder?😉

  • Im Artikel heißt es:

    "Die steigenden Energiepreise und dazugehörige Unsicherheit am Markt treffen schon jetzt immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen, die allein angesichts ihrer voraussichtlichen Stromkosten im kommenden Jahr lieber die Schotten dichtmachen. Die Befürchtungen des Durchschnittstschechen vor dem nächsten Winter werden von Regierungsseite arrogant abgehakt: zieht halt einen extra Pulli an, riet die Vorsitzende der Regierungspartei TOP 09, Markéta Pekarová Adamová.

    Ähnlich arrogante Ratschläge über den gesundheitlichen Nutzen schlecht beheizter Räume oder Pläne, auch privaten Stromverbrauch unter Strafandrohung einzuschränken, kommen beim Wähler nicht unbedingt an."

    Das ist eine Beschreibung der Zustände in Tschechien. In Deutschland ist es nicht viel anders.

    • @Budzylein:

      Diese Arroganz der Macht - siehe auch das Statement unserer Außenministerin in Prag - wird uns hier in Deutschland auch noch gewaltig um die Ohren fliegen … und damit ist der Ukraine nun wohl nicht wirklich gedient, wenn ihre Verbündeten aufgrund innenpolitischer Konflikte ins Schlingern geraten, oder?