Tschechiens neuer Ministerpräsident: Der Eiertanz

In der Fünf-Parteien-Koalition in Tschechien knirscht es gleich zu Beginn. Der Akademiker Petr Fiala muss zwischen EU und Nationalstaat balancieren.

Portrait von Petr Fiala

Wird's jetzt praktisch? Akademiker Petr Fiala ist seit Kurzem Ministerpräsident von Tschechien Foto: Tomas Tkacik/imago

PRAG taz | Seinen ersten großen Showdown musste Petr Fiala bezwingen, da war er noch gar nicht als tschechischer Ministerpräsident im Amt. Präsident Miloš Zeman, Tschechiens letzter Politdinosaurier, der seit einer Covid-19-Infektion stilvoll in einem gläsernen Terrarium amtiert, hieß den neuen designierten Ministerpräsidenten Fiala auf die ihm spezielle Art in der Exekutive willkommen, indem er dessen Kandidaten, den Piraten Jan Lipavsky, nicht zum Außenminister ernannte. So watschte er den konservativ-großbürgerlichen Politologieprofessor Fiala gleich zu Beginn seiner Amtszeit ab.

Zwar gab Zeman nach zwei Tagen Zähnefletschen nach, als ihm klar geworden war, dass Fiala seinen Außenminister auch per Verfassungsklage durchboxen würde. Den Tonfall seiner künftigen Beziehungen zu Fiala hatte Zeman jedoch klar gesetzt, bevor er ihn am Freitag schließlich zum Chef einer Fünf-Parteien-Regierungskoalition ernannte.

Auch ohne Zeman wird das Regieren eine Herausforderung für den Akademiker Fiala, der erst vor zehn Jahren in die praktische Politik gestolpert ist. Als Theoretiker hatte sich der heute 57-Jährige zuvor ein halbes Leben lang mit der Politik auf dem Papier beschäftigt.

Gleich nach der Wende, 1990, gründete Fiala, dessen Stammbaum in der großbürgerlichen mährischen Bildungselite bis in die Erste Tschechoslowakische Republik zurückreicht, die Politikwissenschaften an der Brünner Masaryk-Universität neu mit. Seine Karriere blieb mit seiner Alma Mater verbunden, die er immerhin sieben Jahre lang leitete, bevor er 2013 in der hohen Politik landete.

Zwischen Nationalstaat und EU

Als Wertkonservativer – Fiala war zum Beispiel aktiv in der Paneuropäischen Union, ­deren mährischen Ableger er lange Jahre leitete – fand er sich politisch in der konservativ-bürgerlichen Partei ODS wieder, die sich nach dem Rücktritt ihres Gründervaters Václav Klaus in einer permanenten Identitätskrise befand. Innerhalb von sechs Jahren schaffte es Fiala vom parteilosen Berater zum Vorsitzenden der Partei.

Die erfuhr unter Fiala einen Paradigmenwechsel, der nicht unbedingt von allen Mitgliedern der Basis getragen wird: Die einst euro­skep­tische Partei des Václav Klaus ist unter Fiala zu einer EU-freundlichen Partei geworden.

Als deren Vorsitzender und umso mehr noch als Regierungschef wird Fiala nun den Eiertanz zwischen einer weiteren europäischen Integration und dem Hang zum Nationalstaat, der in Tschechien und innerhalb seiner Stammwählerschaft nicht unerheblich ist, zu bewältigen versuchen.

Mit seinem gepflegten bürgerlichen Image und seinen akademischen Würden hat Fiala es geschafft, eine breite und bunte Zahl von Wählerinnen und Wählern hinter sich zu versammeln. Er verspricht das, wonach sich die Generation Václav Havel so sehr sehnt: ein klares Bekenntnis zu westlichen Werten und eine Abkehr vom korporativistischen Politikstil eines Andrej Babiš, eine weiße Weste, am besten unterm Smoking.

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