Trumps Polen-Besuch: Chaotisch, pathetisch, durchdacht
Der US-Präsident lässt sich in Warschau frenetisch feiern – und deutet einen Kurswechsel der amerikanischen Außenpolitik an.
„Arm in Arm verteidigen wir Artikel 5 der Nato-Charta“, sagte der US-Präsident denn auch tatsächlich in Warschau. Dabei forderte er allerdings erneut die europäischen Partner auf, sich finanziell stärker zu engagieren. Ob die USA – im Fall des Falles – ein Nato-Mitglied verteidigen würden, das nicht jährlich 2 Prozent des Bruttosozialprodukts in Armee und Rüstung steckt, ließ er offen. Ein Fanal klingt dann doch anders.
Für die vor dem Denkmal versammelten Polen hatte Trump hingegen viele warme Worte übrig. Zum Dank dafür feierten sie ihn mit frenetischen „Donald Trump! Donald Trump!“-Rufen. Der Verdacht, dass es sich dabei um von Polens Regierung bestellte Claqueure handeln könnte, erhärtete sich, als Trump nach Präsident Andrzej Duda und Premier Beata Szydło auch den ehemaligen Gewerkschaftsführer und Freiheitshelden Lech Wałęsa begrüßte.
Die Warschauer Trump-Fans dagegen pfiffen den Mann aus, dem Polen seine 1989 wiedergewonnene Freiheit und Unabhängigkeit verdankt. Trump, der davon gehört haben mag, dass die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) versucht, die Geschichte Polens umzuschreiben und Wałęsa als Stasi-Spitzel hinzustellen, hielt kurz inne. Fragend sah er in die Runde. Die Pfiffe irritierten ihn sichtlich.
Polen als „geografisches Herz Europas“
Dann ließ er die Geschichte Polens Revue passieren, erinnerte daran, dass Polen in der Zeit der Teilungen für 120 Jahre von der Landkarte Europas verschwunden und 1939 erneut von seinen Nachbarn Deutschland und Russland überfallen und geteilt worden war. Obwohl er vor dem Denkmal des Warschauer Aufstandes 1944 sprach, erinnerte er auch an die Ghettos, den Warschauer Ghetto-Aufstand 1943 und den fortwährenden Widerstand gegen Unterdrückung und Besatzung.
Obwohl in Trumps Worten viel Pathos mitschwang und die Rede insgesamt leicht chaotisch klang, wirkten diese Worte doch sehr durchdacht. Dies mag auch daran liegen, dass neben der First Lady Melania auch Trumps Tochter Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner mit nach Warschau gekommen waren. Die Großmutter von Jared Kusher überlebte die Schoah in der jüdischen Partisanengruppe der Bielski-Brüder im weißrussisch-polnischen Grenzgebiet.
US-Präsident Trump in Warschau
Während Donald Trump als Ehrengast für eine knappe Stunde am Drei-Meeres-Gipfel teilnahm, seine Frau gemeinsam mit Polens First Lady Agata Kornhauser-Duda das Kopernikus-Zentrum besuchte, nahmen Ivanka und Jared an einer religiösen Zeremonie vor dem Denkmal der Warschauer Ghettohelden von 1943 teil. Polens Oberrabbiner Michael Schudrich sprach das Kaddisch, das jüdische Totengebet. Die Geschichte Polens dürfte den Trumps also geläufig sein.
„Polen ist das geografische Herz Europas“, fiel der US-Präsident in seiner Rede am Krasinski-Platz wieder ins Pathos. „Und die Polen stellen für uns die Seele Europas dar!“ Sie hätten sich ihren Freiheitswillen nie nehmen lassen. Wieder jubelten die Claqueure „Donald Trump! Donald Trump!“, und so ging unter, dass es mit Rechtsstaat und Demokratie in Polen zurzeit nicht zum Besten steht. Trump kritisierte auch nicht, dass die derzeitige Regierung Polens die Freiheiten seiner Staatsbürger immer mehr einschränkt und nun auch die Zivilgesellschaft unter ihre Kontrolle stellen will.
„Destabilisierendes Verhalten“ Russlands
Statt dessen forderte Trump Russland und Wladimir Putin auf, die Ukraine nicht mehr weiter zu destabilisieren. Tatsächlich hat die USA den Ukrainern zugesagt, demnächst Defensivwaffen gegen die Separatisten in der Ostukraine zu liefern. Diese werden von Russland mit schwerem Gerät und Soldaten ohne Hoheitsabzeichen unterstützt. Der Satz über das „destabilisierende Verhalten Russlands in der Ukraine“ wurde von Moskau umgehend zurückgewiesen. „Mit dieser Sichtweise sind wir nicht einverstanden“, empörte sich Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag.
Auf dem G20-Treffen in Hamburg trifft Trump als Erstes mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, direkt danach aber auch mit Russland Präsidenten Putin. Hierzu tönte die Fanfare Trumps in Warschau laut und vernehmlich. „Lasst uns alle gemeinsam so kämpfen wie die Polen!“, beendete der US-Präsident seine Rede. „Für die Familie, für die Freiheit, für das Land und für Gott. Gott segne die Polen, unsere Bündnispartner und die Vereinigten Staaten von Amerika.“
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