Trump eskaliert Konflikt mit Venezuela: Caracas nennt Stürmung von Öltanker „Piraterie“
Nach Angriffen der USA auf angebliche Drogenboote vor Venezuela beschlagnahmen sie dort erstmals einen Öltanker. Nobelpreisträgerin Machado in Oslo.
dpa/taz | Die venezolanische Regierung hat die Erstürmung eines Öltankers vor der Küste des südamerikanischen Landes durch das US-Militär scharf verurteilt. Der bewaffnete Einsatz sei „ein dreister Raubüberfall und ein Akt internationaler Piraterie“, wetterte das Außenministerium in Caracas.
US-Justizministerin Pam Bondi und FBI-Chef Kash Patel hatten die außergewöhnliche Aktion damit begründet, dass das Schiff Teil eines illegalen Netzwerks zum Transport von Öl gewesen sei, mit dem ausländische Terrororganisationen unterstützt werden sollten.
Der Tanker sei der größte, der jemals beschlagnahmt wurde, sagte US-Präsident Donald Trump. Er kündigte an, dass auch noch andere Dinge geschehen würden, nannte aber keine Details.
Mit der Erstürmung des Öltankers am Mittwoch haben die Spannungen zwischen beiden Ländern eine neue Eskalationsstufe erreicht. In den vergangenen Monaten versenkte das US-Militär immer wieder Schnellboote in der Karibik, die angeblich mit Drogen beladen waren. Außerdem zogen die USA in der Region eine schlagkräftige Streitmacht aus Kampfflugzeugen, Soldaten und Kriegsschiffen zusammen, darunter den weltgrößten Flugzeugträger.
Venezuela: Es geht Trump nur um unsere Bodenschätze
Venezuela hat riesige Ölvorkommen, ist stark von den Exporteinnahmen abhängig und liefert sein Öl vor allem an den US-Rivalen China. Der autoritär regierende Präsident Nicolás Maduro wirft der Trump-Regierung vor, es bei der Eskalation des Konflikts vor allem auf das Öl abgesehen zu haben und einen Machtwechsel in Caracas erzwingen zu wollen.
„Jetzt zeigen sich die wahren Gründe für die andauernde Aggression gegen Venezuela. Es geht nicht um Migration. Es geht nicht um Drogenhandel. Es geht nicht um Demokratie. Es geht nicht um Menschenrechte“, hieß es in der Erklärung des venezolanischen Außenministeriums. „Es geht immer um unsere Bodenschätze, unser Öl, unsere Energie, um die Ressourcen, die ausschließlichen dem Volk Venezuelas gehören.“
Der Tanker sei für den Transport von sanktioniertem Öl aus Venezuela und dem Iran genutzt worden, schrieb US-Justizministerin Bondi auf der Plattform X. FBI-Chef Patel behauptete dagegen, der Tanker sei verwendet worden, um Öl aus Venezuela an den Iran zu liefern.
Die New York Times berichtete unter Bezug auf einen ungenannten Mitarbeiter der Küstenwache, das Schiff fahre unter dem Namen „Skipper“ und habe Öl der staatlichen venezolanischen Ölgesellschaft transportiert. Früher sei es mit dem Schmuggel iranischen Öls in Verbindung gebracht worden.
US-Soldaten seilen sich auf Schiff ab
Bondi und Patel veröffentlichten ein Video, das die spektakuläre Aktion zeigen soll. Darauf ist ein Tanker zu sehen, dem sich ein Hubschrauber nähert. Soldaten seilen sich aufs Deck des Tankers ab und sichern das Schiff mit gezückten Waffen. Von der Mannschaft ist nichts zu sehen.
Wohin das Schiff unterwegs war und unter welcher Flagge es fuhr, war angesichts der widersprüchlichen Angaben aus den USA zunächst unklar. An der Erstürmung des Tankers waren laut Bondi die Küstenwache, das FBI und das Heimatschutzministerium beteiligt, mit Unterstützung des inzwischen als „Kriegsministerium“ bezeichneten Pentagons.
Seit Monaten eskaliert Trump den Konflikt mit Venezuela. Seine Regierung rechtfertigt den Einsatz militärischer Gewalt als notwendiges Mittel im Kampf gegen organisierte Drogenkriminalität und Rauschgift schmuggelnde „Terroristen“, die eine Gefahr für die USA seien. Aus Sicht von UN-Menschenrechtsexperten verstößt Trumps Regierung damit gegen das Völkerrecht.
Der US-Präsident genehmigte auch Einsätze des Auslandsgeheimdienstes CIA in Venezuela. Zuletzt sagte er dem Nachrichtenportal Politico auf die Frage nach einer möglichen US-Bodeninvasion, er wolle weder etwas bestätigen noch ausschließen. Doch Maduros „Tage sind gezählt.“
Machado soll per Boot ausgereist sein
Die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin, die untergetauchte venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado, ist Stunden nach der offiziellen Preisverleihung in Oslo eingetroffen. Sie zeigte sich in der Nacht auf Donnerstag auf einem Balkon des Grand Hotel in der norwegischen Hauptstadt. Danach begrüßte sie auf der Straße ihre Anhänger.
Medienberichten zufolge war Machado von Venezuela zunächst per Boot auf die Karibikinsel Curaçao gebracht worden und dann per Privatflugzeug über die USA nach Norwegen geflogen. Sie war am Mittwoch in Abwesenheit „für ihren unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes und für ihren Kampf für einen gerechten und friedlichen Übergang von Diktatur zur Demokratie“ mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Da sie es nicht pünktlich zur Zeremonie schaffte, nahm ihre in den USA lebende Tochter Ana Corina Sosa Machado den Preis im Osloer Rathaus für sie entgegen.
Venezuelas Regierung kritisierte die Nobelpreiszeremonie als politische Show. Machado ist die wichtigste Vertreterin der venezolanischen Opposition. Sie war im letzten Jahr die treibende Kraft hinter dem Wahlkampf des Oppositionskandidaten Edmundo González, der die Präsidentenwahl nach Einschätzung der Regierungsgegner und zahlreicher Drittstaaten gewann. Trotz der Betrugsvorwürfe ließ sich der autoritäre Präsident Maduro allerdings zum Sieger erklären. González ging nach Spanien ins Exil. Auch zahlreiche andere Oppositionelle sind längst ins Ausland geflohen.
In Venezuela wird unter anderem wegen Vaterlandsverrats gegen Machado ermittelt. Vor ihrer Reise nach Oslo lebte sie seit über einem Jahr weitgehend im Untergrund. Die Staatsanwaltschaft hatte angekündigt, Machado als flüchtig zu betrachten, sollte sie das Land verlassen. Bei einer Rückkehr nach Venezuela könnte sie demnach festgenommen werden. Denkbar wäre aber auch, dass ihr die Einreise in ihr Heimatland verweigert wird.
Der britischen BBC sagte Machado am Donnerstag: „Natürlich kehre ich zurück“, sagte sie am Donnerstag der britischen BBC. Sie sei sich der Risiken, die sie eingehe, vollkommen bewusst. Sie wolle aber an dem Ort sein, „wo ich unserer Sache am nützlichsten sein kann“.
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