piwik no script img

Trump-Behauptung zu AutismusDie Paracetamol-Verschwörung

Was haben das Schmerzmittel Tylenol und Autismus gemeinsam? Trump widmet sich dieser Frage und kommt wie immer zu unwissenschaftlichen Schlussfolgerungen.

Tylenol, ein Medikament mit dem Wirkstoff Paracetamol, hier in New York Foto: John Taggart/epa

Die Zahl der Autismusdiagnosen steigt weltweit an. US-Präsident Donald Trump findet auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus diese Woche eine vermeintliche Ursache: Er sieht einen Zusammenhang zwischen Autismus bei Kindern und dem Schmerzmittel Tylenol. Das rezeptfreie Medikament mit dem Wirkstoff Acetaminophen ist in Deutschland unter dem Namen Paracetamol bekannt.

Der Präsident warnt nun schwangere Frauen vor der Einnahme und rät, die Verwendung auf dringliche medizinische Fälle zu begrenzen. Trump kündigte auf der Konferenz zudem an, die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) würde Ärz­t*in­nen bald über das Autis­mus­risiko in Kenntnis setzen. Die Behörde ist in den Staaten unter anderem für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig.

Neben Acetaminophen, einem der weltweit gängigsten Medikamente zur Behandlung von Kopfschmerzen und Fieber, trifft Trumps Skepsis auch die Impfung gegen Hepatitis B. Auf genannter Pressekonferenz zweifelt er am Sinn der Impfung im Säuglingsalter. Hepatitis sei eine sexuell übertragbare Krankheit. Babys davor zu schützen, sei unnötig. Stattdessen empfiehlt er, den Impfschutz ab dem 12. Lebensjahr in Erwägung zu ziehen, sobald die Kinder „ausgereift“ seien.

Zweifel ohne Beweise

Für seine Behauptungen über die gesundheitlichen Auswirkungen der Impfung und des Wirkstoffs liefert Trump keine wissenschaftlichen Belege. In der aktuellen Forschung sind seine Autismustheorie und gesundheitlichen Empfehlungen so gewagt wie unhaltbar.

Gegenüber dem MDR klärt Sven Bölte, Leiter des Zentrums für Entwicklungsstörungen am Karolinska-Institut in Stockholm, auf: „Autisten denken und fühlen anders oder haben Probleme in sozialen Situationen“, heißt es im MDR-Bericht. Das habe mit der neurologischen Entwicklung und Funktionsweise ihres zentralen Nervensystems zu tun, erklärt Bölte. Ein schwacher Zusammenhang zwischen Autismus und Paracetamol bestehe zwar möglicherweise, habe aber einen „sehr, sehr, sehr kleinen Effekt“, so der Experte.

Warum manche Menschen Au­tis­t*in­nen sind und andere nicht, sei nicht abschließend geklärt. Sehr wahrscheinlich seien die Ursachen ein komplexes Zusammenspiel verschiedener genetischer und Umweltfaktoren. Die Verbindung zwischen Autismus und Paracetamol sei damit nur ein Punkt von vielen, die bereits wissenschaftlich erforscht wurden. Den Anstieg der Diagnosen wertet der Experte als „statistisches Phänomen“. Es gebe mehrere Erklärungsansätze dafür. Einer davon sei die verbesserte Diagnostik von Autismus.

Die Folgen sind noch unklar

Auch die Impfskepsis des Präsidenten findet in der Wissenschaft wenig Halt. Auf seiner Website informiert das Robert-Koch Institut über Hepatits B: Eine Impfung im Säuglingsalter sei deshalb sinnvoll, weil eine Erkrankung in diesem Entwicklungsstadium mit höherer Wahrscheinlichkeit einen chronischen Verlauf annimmt. Während Hepatitis B bei 10 Prozent aller erkrankten Erwachsenen chronisch wird, liegt das Risiko bei Säuglingen bei 90 Prozent.

Welche Konsequenzen Donald Trumps Widerstand gegen die Wissenschaft für das US-amerikanische Gesundheitssystem haben wird, bleibt zunächst unklar. Bislang hält die FDA an der Sicherheit von Paracetamol fest.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare