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Trittins Initiative zertrampelt

Der Umweltminister wollte verhindern, dass nur auf Bier- und Mineralwasserdosen Pfand erhoben wird, sind doch alle Dosen gleich umweltschädlich

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Für einen Moment war der Sitzungsleiter selbst irritiert. Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) stellte in der entscheidenden Abstimmung zunächst eine Minderheit gegen das Zwangspfand fest – um nach einem Zwischenruf noch einmal nachzuzählen. Und tatsächlich: Die Gegner hatten sich mit knapper Mehrheit durchgesetzt.

Damit kommt es nun zu einer Lösung, mit der eigentlich niemand glücklich ist: Es bleibt bei der alten Verpackungsverordnung. Somit wird spätestens ab 1. März 2002 ein Zwangspfand auf Mineralwasser und Bier in Dosen oder anderen Einwegverpackungen von 50 Pfennig erhoben, weil dort in zwei aufeinander folgenden Jahren die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwegquote von 72 Prozent unterschritten wurde.

Obwohl sich die Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD), Edmund Stoiber (CSU) und Wolfgang Clement (SPD) im Bundesrat mit ihrem Vorschlag durchsetzten, das Zwangspfand auszusetzen und stattdessen die Mehrwegquote um rund 10 Prozent zu senken, muss die Bundesregierung das nicht umsetzen – und wird es aller Voraussicht auch nicht tun.

Abgelehnt ist damit aber Jürgen Trittins Versuch, Klaus Töpfers Verpackungsverordnung von 1991 logischer zu gestalten und an neue Erkenntnisse anzupassen. Trittin wollte verhindern, dass nur auf Bier- und Mineralwasserdosen Pfand erhoben wird, obwohl doch alle Dosen gleich umweltschädlich sind und die Landschaft vollmüllen. Außerdem wollte er Karton-Getränkeverpackungen mit Mehrwegflaschen gleichstellen. Sie sind laut einer Studie des Umweltbundesamtes genauso umweltfreundlich.

Bis zum Schluss war unklar gewesen, wie der Bundesrat entscheiden würde. Auch das Kamingespräch mit dem Kanzler am Vorabend hatte keine Vorentscheidung gebracht. Die SPD-geführten Länder waren in ihrer Mehrheit nicht hinter den Antrag von Trittin zu bringen. So kam es gestern zum erwarteten Showdown im Bundesrat. In der emotionalen Debatte beschwor Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement gar Inflationsgefahren: Ein Zwangspfand treibe die Verteuerungsrate um 0,3 Prozent an, weil so viele Investitionen nötig seien. „Bei den Preisen können wir uns keine Fehltritte leisten“, mahnte der Sozialdemokrat. Der zweite Redner gegen das Zwangspfand, Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU), malte gar einen Bumerung-Effekt an die Wand: Das Zwangspfand würde nur dazu führen, dass die Unternehmen Mehrwegflaschen aus dem Sortiment nehmen. Trittin offenbare nur seine „Vollstreckermentalität“.

Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Klaus Müller hingegen verteidigte das Zwangspfand. Schließlich wisse die Industrie seit 1991, was ihr blühe, wenn sie nicht den Mehrweganteil stütze. „Als es mit der Erhebung 1997 erste Warnsignale gab“, so Müller, „hat die Industrie nicht reagiert.“

Umweltminister Trittin wurde noch deutlicher: „Die großen Bierbrauereien haben 1999 sechsmal so viel Bier in Dosen abgefüllt wie 1991 – die wussten, was auf sie zukommt.“ Der Handelskonzern Tengelmann habe gar während der nun einjährigen Debatte über das Zwangspfand „in Tausenden Plus-Läden“ weiter Mehrweg aus den Regalen genommen. Die mittelständischen Bierbrauer hätten dagegen in Vertrauen auf die Verpackungsverordnung samt Zwangspfand in den vergangenen Jahren eine halbe Milliarde Mark in Mehrweg investiert. „Es geht hier um die Frage, ob die Großen die Kleinen mit Hilfe des Einweges kaputtmachen“, sagte Trittin.

Der Umweltminister sprach damit den kleinen Privatbrauern aus der Seele. „Es ist die Politik von Aldi, Tengelmann und Co“, die der Bundesrat da vollziehe, schimpfte Roland Demleitner vom Verband der mittelständischen Privatbrauereien nach der Entscheidung. „Wir hatten nicht mal die Möglichkeit, mit Herrn Clement zu sprechen.“

Nun muss der Bundestag entscheiden, ob er den Alternativvorschlag des Bundesrates annimmt. Damit ist aber nicht zu rechnen, schließlich hatte er Trittins Verordnung zugestimmt. Selbst wenn er zustimmt, muss die Bundesregierung das nicht umsetzen.

So entweicht der Geist Klaus Töpfers aus der Dose: Die Verpackungsverordnung des früheren CDU-Umweltministers sah 1991 erstmals Sanktionen vor, falls die Industrie ihre Zusage nicht einhalte, den Mehrweganteil zu stabilisieren. Damit zog Töpfer die Konsequenz aus den gescheiterten Vereinbarungen von 1977 und 1987. Schon vor 25 Jahren also hatte der Handel eine Stützung des Mehrwegesystems versprochen. Doch im Ergebnis sank der Anteil von 87 Prozent (1970) auf 72 Prozent (1991).

Für diese Verfehlung war übrigens nie die Wirtschaft als ganze verantwortlich, sondern stets nur die Großen: die Discounter wie Aldi, die ausschließlich Einweg verkaufen – und inzwischen auch viele Supermärkte der großen Handelsketten. Der Handel hat nie versucht, aus eigener Kraft gegen diese Trittbrettfahrer der Selbstverpflichtung vorzugehen, die auf Kosten des Getränkefachhandels und der Tante-Emma-Läden ihr Geschäft machten. Im Gegenteil: Es waren die Handelskonzerne, im Verbund mit dem Dosenhersteller Schmalbach-Lubeca aus Nordrhein-Westfalen, die das Umweltministerium seit einem Jahr mit Vorschlägen und Gutachten bombardierten – und die Länder nach und nach auf ihre Seite zogen. Immerhin hatten im November die Umweltminister der Länder noch mit nur einer Gegenstimme für Trittins Vorschlag gestimmt. Zwar haben die großen Konzerne nun keinen zählbaren Erfolg. Doch konnte man dem ungeliebten Trittin eins auswischen.

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