Treffen der G7-Außenminister:innen: Protest gegen russisches Uran

Umweltverbände protestieren gegen russische Brennstofflieferungen in Münster. Zeitgleich findet dort die Au­ßen­mi­nis­te­r:in­nen­kon­fe­renz statt.

Männer in Schutzanzügen in einem Betonschacht

Steckt mit drin: Im AKW Saporischschja ist Russlands Rosatom ebenso involviert wie in den Uranhandel Foto: Smoliyenko Dmytro/Ukrinform/ABACA/picture alliance

Vor Beginn des Treffens der G7-Außenminister:innen in Münster haben mehr als 20 Umweltinitiativen die deutsche Außenamtschefin Annalena Baerbock (Die Grünen) aufgefordert, sich für ein Ende der russischen Lieferungen von angereichertem Uran in die Brennelementefabrik im emsländischen Lingen einzusetzen. Denn Lieferant des Brennstoffs sei der Kreml-hörige russische Staatskonzern Rosatom, heißt es in einem auf den 1. November datierten offenen Brief an die Grüne.

Rosatom sei direkt in die Besetzung des „heftig umkämpften ukrainischen AKW Saporischschja“ eingebunden, schrei­ben die Umwelt-Initiativen, zu denen etwa ausgestrahlt, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg gehören. Rosatom-Mitarbeiter sicherten fachlich die Übernahme des Kraftwerks ab, das „von Präsident Putin rechtswidrig zu russischem ‚Eigentum‘ erklärt“ worden sei. Über Lingen liefen also „Geschäfte mit dem Besatzer von Saporischschja“ einfach weiter.

„Absolut inakzeptabel“ sei das – schließlich warnen Atom-Experten seit Monaten vor einem möglichen GAU des AKW: Erst an diesem Donnerstag war Saporischschja nach Beschuss der Umgebung erneut vom Stromnetz getrennt worden, konnte nach ukrainischen Angaben nur noch über Diesel-Notstromgeneratoren mit Energie versorgt werden.

Die Lingener Brennelementefabrik gehört dem französischen Unternehmen Framatome, das wiederum eine Tochter des französischen Staatskonzerns EdF ist. Mit Brennstoff versorgt werden von Lingen aus nicht nur die belgischen Atommeiler Doel und Tihange, sondern auch AKWs in der Schweiz, den Niederlanden, in Schweden und Finnland. Insgesamt liefere Russland rund 20 Prozent des in der EU verbrauchten Urans, schätzen Insider.

Wladimir Sliwjak, Umweltaktivist

„Für diese Abhängigkeit wird Putin die Rechnung servieren“

„Freiwillige Abhängigkeit“

Umweltaktivisten wie Wladimir Sliwjak, Träger des Alternativen Nobelpreises, warnen deshalb vor einer Abhängigkeit von Russland wie beim Gas. Die Lieferungen, zuletzt am 28. und 29. September, zeigten, dass sich Deutschland und Frankreich trotz des Kriegs in der Ukraine „nicht von ihrer Atompartnerschaft mit dem Kreml trennen wollen“, sagt Sliwjak. „Für diese freiwillige Abhängigkeit wird ihnen Präsident Putin eines Tages die politische Rechnung servieren.“

Dennoch sollen die Transporte, die zunächst mit dem russischen Atom-Frachtschiff „Mikhail Dudin“ über niederländische Häfen und dann weiter per Lkw nach Lingen laufen, offenbar noch Jahre weitergehen. Die niederländische Behörde für nukleare Sicherheit und Strahlenschutz (ANVS) hat bereits bis 2025 Transportgenehmigungen erteilt.

Auch die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke sieht sich nicht in der Lage, die Lieferungen durch Weisungen an nachgeordnete deutsche Behörden wie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) zu stoppen. „Es besteht derzeit kein Ein- oder Ausfuhrembargo der EU für Kernbrennstoffe zur friedlichen Nutzung gegen Russland.

Eine rechtliche Handhabe gegen Einfuhren sowie für eine Aufhebung von erteilten Genehmigungen besteht damit nicht“, heißt es aus ihrem Ressort. „Das Ministerium würde gleichwohl grundsätzlich die Erweiterung der EU-Sanktionen auf die kerntechnische Industrie Russlands begrüßen“, so ein Sprecher zur taz. Eine entsprechende Initiative aber gibt es derzeit nicht.

Ende der Abhängigkeit von Russland gefordert

Von Seiten Baerbocks und ihres Ministeriums kam bisher keine Reaktion auf den offenen Brief der Umwelt-Initiativen. Im Vorfeld hatte die deutsche Außenministerin erklärt, Münster ganz bewusst als Tagungsort ausgewählt zu haben – im Friedenssaal des dortigen Rathauses, das die Au­ßen­mi­nis­te­r:in­nen kaum verlassen werden, war 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet worden. Hauptthema des bis Freitag laufenden Treffens dürfte die Außen- und Sicherheitspolitik sein, auch mit Blick auf China und Iran.

Schon am Donnerstag hatte die Polizei Teile von Münsters Innenstadt zur Hochsicherheitszone erklärt. Insgesamt 13 Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen sind von Friedensbewegten, Un­ter­stüt­ze­r:in­nen der Proteste in Iran und Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen angemeldet worden. Allein zu einer Demo unter dem Motto „Global Climate Justice – Diese Welt gehört nicht nur den G7!“ erwarteten die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen Tausende. „Wir stehen klar an der Seite der Ukraine, fordern ein Ende der Abhängigkeit von Russland durch einen viel schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien“, sagte Philipp Voß von Greenpeace Münster im Vorfeld. Dazu gehöre auch die endgültige Absage an die Atomkraft.

Ein weiterer Schritt dazu wäre ein Verbot der Lieferungen von angereichertem Uran aus Russland nach Lingen. „Die Bundesregierung muss handeln und diese Transporte verbieten“, fordert etwa Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.

Einwände, damit Klagen zu riskieren, lässt er nicht gelten – die Bundesrepublik sei gerade in einer „starken Verhandlungsposition“, argumentiert Eickhoff: „Ich glaube nicht, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angesichts des Angriffskriegs auf die Ukraine mit der Forderung Schlagzeilen machen wollen, unbedingt auf Atomgeschäften mit Russland zu bestehen.“

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