Treffen der EU-Außenminister: Europas leise Stimme
Die EU-Außenminister rufen im Israel-Iran-Krieg nach Diplomatie. Und halten trotz der humanitären Katastrophe in Gaza weiter zu Israel.

Ungeachtet der katastrophalen humanitären Lage in Gaza und massiver Proteste der Zivilgesellschaft will die EU bis auf Weiteres keine Sanktionen gegen Israel verhängen. Das seit Monaten strittige Thema habe keine Priorität, der Krieg gegen Iran sei wichtiger, hieß es bei einem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel.
Die europäischen Chefdiplomaten forderten Teheran zu direkten Gesprächen mit Washington auf. „Wir brauchen eine Verhandlungslösung, sie ist dringender als je zuvor“, sagte Außenminister Johann Wadephul. Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas mahnte eine diplomatische Lösung an. Sie forderte, Gesprächskanäle offenzuhalten.
Es spricht wenig dafür, dass Israel und die USA noch auf die Europäer hören. Nur zwei Tage nach deren Vermittlungsversuch hatten sich die USA in der Nacht zum Sonntag in den Krieg zwischen Israel und Iran eingeschaltet. US-Präsident Trump hatte zuvor erklärt, die Europäer würden nicht gebraucht. Dem widersprach nun Wadephul. Die europäische Botschaft sei nicht richtig verstanden worden, erklärte er. Iran müsse mit den USA verhandeln und sei dabei auch auf die Hilfe der EU angewiesen, so der CDU-Politiker.
Johann Wadephul, deutscher Außenminister
Beim Thema Gaza stand Wadephul auf der Bremse: „Wir brauchen dieses Assoziierungsabkommen [mit Israel] und sollten es in keiner Weise in Zweifel ziehen“, so Wadephul. Die humanitäre Situation im Gazastreifen sei aber „nach wie vor nicht akzeptabel“. Deutschland, Österreich und Ungarn sind die letzten EU-Länder, die Israel in Schutz nehmen. Sogar der Auswärtige Dienst der EU war zuletzt auf Distanz gegangen. Es gebe zahlreiche Hinweise darauf, „dass Israel seine Menschenrechtsverpflichtungen verletzt“ haben könnte, heißt es in einem Bericht des EU-Dienstes.
Aufmerksamkeit hat sich „verlagert“
Der Bericht war auf Drängen von 17 EU-Ländern erstellt worden; Deutschland hatte sich dem vergeblich widersetzt. Das Gaza-Papier beschreibt die Verweigerung humanitärer Hilfe durch Israel, Angriffe mit einer hohen Opferzahl, auf Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen, Vertreibung und mangelnde Rechenschaftspflicht. Nach Artikel 2 des Assoziierungsabkommens mit der EU ist Israel zur Einhaltung von „Respekt für Menschenrechte und demokratische Prinzipien“ verpflichtet.
Vor dem Treffen der EU-Außenminister hatten mehr als 110 humanitäre und zivilgesellschaftliche Organisationen gefordert, das EU-Israel-Abkommen sofort auf Eis zu legen. Die EU dürfe sich vom Konflikt mit Iran nicht davon abhalten lassen, die „anhaltende Vernichtung und Apartheid gegen die Palästinenser“ zu verurteilen, sagte Claudio Francavilla von Human Rights Watch.
Die Außenminister wollten das Thema jedoch vertagen. „Die politische und mediale Aufmerksamkeit hat sich von Gaza auf Iran verlagert“, so ein EU-Diplomat. Doch wenn nicht alles täuscht, wird die europäische Stimme auch im Iran-Israel-Krieg nicht mehr gehört.
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