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Traumatherapeutin über Haasenburg„Das erinnert an die Nazi-Zeit“

Kinder in Not reagieren mit archaischen Schutztechniken, sagt die Therapeutin Michaela Huber. Maßnahmen wie in Haasenburg-Heimen machen alles nur schlimmer.

Ab 12 wollen Kinder Normen diskutieren. Bild: bumblebee65 / photocase.com
Kaija Kutter
Interview von Kaija Kutter und Kai Schlieter

taz: Frau Huber, eine 14-Jährige wird im Jahr 2008 in einem Heim der Haasenburg GmbH in ihrem Zimmer in Einzelbetreuung gehalten. Sie muss immer klopfen, wenn sie etwas benötigt und sagen, was sie möchte. Wörtlich heißt es in dem Protokoll: „Wenn sie etwas vergisst, soll sie, wie bei vergessenem Teebecher, 10 Liegestütze machen.“ Zeitgemäße Pädagogik?

Michaela Huber: Nein. Nach allem, was ich gelesen habe, kann man hier richtiggehend von schwarzer Pädagogik sprechen. Es erinnert mich an Konzepte, die wir aus alten Nazi-Zeiten noch kennen und das in unseligen DDR-Zeiten fortgesetzt wurde: Bindungsfähigkeit zerstören, Strafen und Sanktionen und Zwangsmaßnahmen, alle müssen sich einem gemeinsamen Willen unterordnen, der ihnen aufgezwungen wird. Das ist nicht nur menschlich unerträglich und moralisch verwerflich. Es ist auch sinnlos, weil es nicht hilft.

Was würde denn helfen?

Sie müssen sich vorstellen, dass es sich hier um Kinder und Jugendliche handelt, die bereits bindungstraumatisiert sind. Das heißt, sie haben zu Hause Verlassenheit erlebt beziehungsweise sie haben erlebt, dass sie seelisch missbraucht wurden, körperlich oder auch sexuell misshandelt wurden. Und wenn diese Kinder in eine solche Umgebung kommen, in der sie nicht beruhigt und achtsam behandelt werden, sondern weiter massiv unter Druck gesetzt werden, empfinden sie das natürlich als Strafe, nicht als eine Chance zu einer Veränderung ihrer Verhaltensweisen, die nach außen vielleicht bizarr wirken.

Welches Verhalten meinen Sie?

Verzweifelte Kinder und Jugendliche gehen immer wieder in Übererregung, also entweder in Panik oder in Wut. Wenn ihnen alles zu viel wird, gehen sie in Erstarrung. Oder sie erschlaffen bei und nach stressreichen Erlebnissen. Das alles sind ganz normale Selbstschutzreaktionen, wie sie auch Tiere in entsprechenden Situationen zeigen.

Bild: privat
Im Interview: Michaela Huber

Zur Person: Huber, Jahrgang 1952, ist Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin in Traumabehandlung. Sie zählt in Deutschland zu den wichtigsten Vertretern der Psychotraumatologie mit Schwerpunkt Dissoziative Persönlichkeitsstörungen und leitet die Deutsche Gesellschaft für Trauma und Dissoziation mit Sitz in Göttingen.

Ihr aktuelles Buch: „Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt“.

Was brauchen diese Kinder?

Man muss mit diesen Kindern und Jugendlichen bindungsorientiert arbeiten. Es ist wichtig, dass man ihnen zuallererst eine Beziehung anbietet. Und zwar von Erwachsenenseite aus. Dem Kind und Jugendlichen Sicherheit und Fürsorglichkeit vermitteln. Um diese Arbeit tun zu können, müsste das Personal traumapädagogisch geschult sein. Die dort Arbeitenden müssten aufmerksam sein für die Folgen von Gewalt. Sehen, wenn die Kinder in Zustände geraten, in denen sie nicht mehr so richtig wissen, was sie tun – und gleich ausrasten werden. Dass sie entweder in die Erstarrung gehen und nichts mehr sagen oder total zusammenbrechen oder sich oder andere angreifen werden.

Das sind, wie gesagt, ganz archaische Selbstschutzmechanismen, die auch Tiere zeigen, wenn sie in höchster Not sind. Wenn man da noch einmal eins obendrauf setzt, indem man das noch verstärkt – die Kinder isoliert, sie festhält, statt mit ihnen achtsam und wertschätzend zu sprechen und umzugehen, sie quält, sie fixiert – dann zeigen die Mitarbeiter, dass sie zu spät reagieren und nur noch auf das Sanktionieren beziehungsweise Beenden des „dysfunktionalen Zustands“ setzen. Ihr Verhalten lässt die Abwärtsspirale dann aber weiterdrehen, und dann kommt es sehr häufig zu schlimmen Re-Traumatisierungen.

Das körperliche Begrenzen verbietet sich in der Jugendhilfe?

Ganz eindeutig. Wir haben gerade eine internationale Tagung zu Arbeit mit Körper und Beziehung bei Frühtraumatisierten gehabt. Die Ergebnisse von Studien haben eine klare Botschaft: Wenn du einen Menschen bessern willst, musst du ihn erst einmal respektieren. Man darf zum Beispiel niemanden festhalten gegen seinen Willen, von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, etwa wenn akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Man gibt ihnen aber sehr wohl einen Halt.

Körperlich kann Halt bedeuten, eine Hand in den Rücken zum Beispiel, um sie zu bestärken. Man gibt ihnen Sicherheit und ist selbst als Pädagoge achtsam und verlässlich. Jede Pädagogik, die ihren Namen verdient, sollte aber verbunden sein mit Respekt und Achtsamkeit. Zuerst müssen mal zum Beispiel die Erzieher die Grenzen wahren, bevor sie das von den Kindern fordern können. Wie sollen die jemals lernen, die Grenzen wahren zu können gegenüber anderen, wenn die Erzieher sich benehmen wie die Täter?

Das Ziel des Hilfeplans von einem Jugendlichen in einem Haasenburg-Heim lautet Akzeptanz von Regeln und Normen. Ist das zeitgemäß?

Wir brauchen bestimmte Grundvereinbarungen, wie wir miteinander umgehen. Die Grundlage, auf der wir das vermitteln, ist haltgebende Sicherheit. Dann können wir jederzeit auch sagen: Schau, hier ist eine Grenze. Die einzuhalten ist sehr wichtig. Wie kannst du lernen, diese Grenze rechtzeitig zu sehen, damit du sie einhalten kannst? Aber all das, was da auch an Normen existiert, darf auch hinterfragt werden. Ab zwölf kann man sehr deutlich merken, dass Jugendliche es brauchen, dass sie etwas hinterfragen und Normen diskutieren dürfen. Dass die Erwachsenen ihre Entscheidungen auch begründen müssen.

Was halten Sie von dem Verhaltenspunkt: Ich diskutiere nicht?

Was für ein Unsinn. Was für eine antidemokratische Haltung. Diese Art von Pädagogik verhindert, dass Jugendliche ihre Meinung äußern und ohne Gewalt vertreten können. Wenn man Kindern und Jugendlichen das Diskutieren verbietet, macht man sie zu gebrochenen Befehlsempfängern oder zu ständig im Widerstand und in Verzweiflung befindlichen Menschen, die sagen, „sobald ich hier raus bin, mach ich eh, was ich will“. Eine rein äußere Anpassung müssen wir später bei uneinsichtigen Gewalttätern zu erzielen versuchen; aber ein inneres Gebrochensein kann doch nicht das Ziel von Erziehung sein.

Es gibt die These, man müsse Jugendliche brechen, um ihr Verhalten dann neu aufzubauen.

Dazu kann ich nur sagen: Das „Phoenix aus der Asche-“Modell ist out. Ganz und gar. Egal ob in Schulen, Psychiatrien oder anderen Einrichtungen, die mit Menschen arbeiten. Wir wissen heute, dass wir sämtliche Ressourcen der Kinder – überhaupt aller Menschen – lebenslang fördern müssen, wenn wir seelische und körperliche Gesundheit wollen. Wir müssen herausfinden: Was sind deine Stärken? Was kannst du gut? Darauf bauen wir etwas anderes auf – nämlich Selbstwertgefühl und das, was wir Selbstwirksamkeit nennen. Das Kind lernt: Das, was ich tue, ist erfolgreich. Ich mache es gut und richtig. Die Selbstwirksamkeit wird nicht erreicht, indem man das Selbstwertgefühl erst einmal zerstört.

Aus den Unterlagen eines aktuellen Falls geht hervor, dass ein Junge begrenzt wurde, nachdem er „mit Wunschversagen nicht umgehen konnte“ und laut Bericht der Erzieher „fremdaggressiv“ wurde.

Wenn man bei ohnehin schon gequälten und verunsicherten Jugendlichen auch noch dieses sogenannte Wunschversagen macht, dann kann man zwei Dinge auslösen: einen Aggressionsschub oder Depression.

Was muss passieren?

Das Heim muss man zumachen. Da muss ein neuer Geist rein.

Wie schafft man das?

Das Problem vieler solcher Jugendhilfe-Einrichtungen ist erstens der Ungeist aus der Nazizeit – fortgesetzt zum Teil in der DDR. Zweitens dass sie zu wenig Personal haben. Drittens dass es keine angemessene Fachaufsicht gibt. Außerdem haben sie vermutlich keine gute Supervision, die schaut: Was macht ihr denn da? Ihr seid ausgebrannt. Ihr habt dieses „Wir und die da“-Denken entwickelt. Als seid ihr eine andere Kategorie Mensch als eure Schutzbefohlenen. Dann muss auch immer wieder unterstützend eingegriffen werden. Es gibt eine Menge von Modellen der stationären Jugendhilfe in Deutschland, wo das bereits sehr gut läuft. Man muss es nur machen und es braucht eine kompetente Fachaufsicht.

Viele ehemalige Bewohnern sagen, es geht ihnen nicht gut.

Kinder und Jugendliche, die Hoffnung in so eine Einrichtung gesetzt haben und dann derart schlimm behandelt wurden, tragen mit hoher Wahrscheinlichkeit so viele Bindungsschäden davon, dass sie sich dann überhaupt oft erst einmal an niemanden mehr wenden. Dass sie grundsätzlich misstrauisch sind. Oder umgekehrt, dass für manche von ihnen danach jeder sofort der beste Bindungspartner ist, weil sie so hungern nach Zuwendung. Was sie dann brauchen, ist vor allem noch einmal Mut für einen neuen Versuch, sich von Menschen unterstützen zu lassen.

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35 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • S
    Schuster

    "... sie haben zu Hause Verlassenheit erlebt beziehungsweise sie haben erlebt, dass sie seelisch missbraucht wurden, körperlich oder auch sexuell misshandelt wurden" - demnach hat Frau Huber also unter Berücksichtigung des strengen Sozialdatenschutzes jede Akte gelesen? Und die beschldigten Eltern wurden alle rechtskräftig verurteilt?

     

    Erfahrungsgemäß (seit den “Wormser Prozessen”) wurden doch hier nicht einmal Strafanzeigen gestellt, da die Anschuldigungen die zur Inobhutnahme führten, rechtsstatlich nicht verifizierbar waren.

     

    Wenn diese Anschuldigungen nun falsch waren, wovon in einem Rechtsstaat durchaus ausgegangen werden sollte, wie kann man denn dann mit diesen Kindern, wie mit jenen seinerzeit zu denen der “Wormser Prozessen” im “Spatzennest”, bindungsorientiert arbeiten?

     

    „Das erinnert an die Nazi-Zeit“

  • TI
    Traumatisierung ist ein Problem der Gesellschaft

    Ich habe einige Bücher von Frau Huber gelesen, da meine Lebensgefährtin selber in ihrer Kindheit von ihren Eltern schwersttraumatisiert wurde und unter die Diagnose "dissoziative Persönlichkeitsstörung" - auch bekannt als multiple Persönlichkeitsstörung - fällt.

     

     

     

    Die Informationen waren für uns in der Praxis sehr hilfreich, insbesondere da es in den üblichen Einrichtungen und Kliniken ähnlich wie offenbar in denen der Haasenburg GmbH nur so von Inkompetenz und Scharlatanerie wimmelt.

     

     

     

    Wie eine Patientin in einer geschlossenen, psychiatrischen Einrichtung mir einmal sagte: "Wenn ein Hartz-4-Empfänger meint, er wäre in Deutschland Angehöriger der untersten sozialen Schicht, dann soll er mal hier vorbeischaun. Wir sind der 'Abschaum', um den sich niemand wirklich kümmert."

     

     

     

    Wer sich zu Recht über die Zustände in der Haasenburg aufregt, muß sich aber auch die Systemfrage stellen: Wie kann es sein, dass Kinder in die "Obhut" gewinnorientierter Unternehmen gegeben werden können? Und das nicht nur mit mangelhafter Aufsicht, sondern sogar noch mit Kollaboration und Vertuschung von Misständen seitens der Behörden? In eine Organisationsform, in welcher schon per Definition mit geringst möglichem Aufwand gearbeitet wird, um maximalen Profit zu realisieren? (Wobei andereseits natürlich der Umsatz, vom kleinen Mann über Steuern bezahlt, künstlich nach oben geschraubt wird.) Das wird in einem kapitalistisch orientierten System immer wieder passieren, denn u.a. die Gewinnprognosen für schwer traumatisierte Kinder oder auch psychisch belastete Erwachsene sind i.d.R. negativ.

     

     

     

    Vielen Dank nochmal an Frau Huber! Sie sind was das Thema psychische Traumatisierung angeht wirklich eine große Hilfe.

     

     

     

    Und vor allem mein Mitgefühl an die Insassen und Opfer der Haasenburg und ähnlicher Einrichtungen. Auch wenn es sich sicher oft so anfühlt: Ihr seid nicht allein - zumindest nicht ganz allein.

  • Ich habe mit 13 auch in der Haasenburg gewohnt.... Das ist der horror. Dieses Heim gehört geschlossen. vorallending jessern.

  • P
    Pro-Haasenburg

    Hallo ihr heuchler,

     

    alle meckern hier rum aber hat denn nur einer von euch schlauen Köpfen eine andere Lösung parat?? wohl nicht. Die Arbeit in solchen Einrichtungen ist hart und es sind auch keine lieben Kindergartenkinder dort untergebracht sonderen solche die schon so einiges zu vermelden haben. Ich wünsche euch einige dieser Kinder in eure Nähe dann würdet ihr hoffen das demnächst noch 10weitere Heime eröffnet werden. Danke

    • PH
      PRO Haasenburg 2
      @Pro-Haasenburg:

      Danke! Endlich jemand der es versteht! Ihr vergesst alle wer dort in dieser Geschlossenen sitzt! Es sind doch keine kleinen Delikte von denen wir hier sprechen. Haasenburg war die allerletzte Instanz! Die Bewohner gefährden sich oder die Allgemeinheit und deshalb MUSS man sie wegsperren! Und das geschieht ja nicht von jetzt auf gleich. Gruß an Heike (eins darunter). Du schreibst es war grausam? Hat deine kleine Tochter denn nur mal etwas geklaut oder ist 2 Wochen nicht zu Schule gegangen? SICHERLICH NICHT!!! Alternativ hätte sie in den Knast gemusst, dafür war sie aber noch zu jung. Du beschwerst dich über die, die den Karren wieder aus dem Dreck ziehen mussten. Solltest dir aber mehr Gedanken darüber machen was in den Jahren davor schief gelaufen ist... Daran ist keine Haasenburg schuld!

    • @Pro-Haasenburg:

      Lösung: Haasenburg-Heime schließen und die Jugendlichen auf andere Einrichtungen verteilen, die ein weniger sadistisches Konzept verfolgen. Gern auch in meiner Nachbarschaft.

       

       

       

      Es gibt viele Probleme in der Welt, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Dieses gehört nicht dazu. (Zumindest, was die unmittelbare Lösung betrifft.)

    • A
      Arne
      @Pro-Haasenburg:

      Ich wünsche mir auch jemanden aus einer geschlossenen Einrichtung in einer sozialpädagogishen Lebensgemeinschaft bei mir. Ich habe mit solchen Menschen gute Erfahrungen gesammelt und gute Erfolge erzielt. Das ist harte Arbeit, ja.

       

      In der BRD ist allerdings jemand, der arbeiten will, nicht viel Wert dank solcher Vorurteile.

    • @Pro-Haasenburg:

      @Pro-Haasenburg - Na, da du so gut bescheid weißt, wie wärs mit einem Monat Probe-Fixierung und "Einzelhaft"? Andere nenne das psychische Folter, aber für dich ist das natürlich der richtige Weg mit einem Kind umzugehen?

      • JI
        jk inc
        @Inazea:

        Fehlt die Frühtraumatisierung. Auf Probe geht das nicht.

         

         

         

        PS: Dont feed the troll!

  • H
    Heike

    Meine Tochter war in der Haasenburg in Jessern. Grausame Methoden werden dort angewandt. Wir könnten einen Roman schreiben. Während meine Tochter in der Haasenburg war, stürzte ein Mädchen aus dem Fenster, sie war sofort tod. Die Kinder durften mit niemanden darüber sprechen, was passiert ist. Die Haasenburg muss geschlossen werden, von dort kommen die Kinder krank zurück.

  • Irgendwie sind das die selben (angeprangerten) Methoden die mein Arbeitgeber (Tochtergesellschaft/Uniklinikum Münster) anwendet.

     

    Mir ist auf Seminaren aufgefallen, das entweder genau die selben Methoden oder zumindest in abewandelter Form auch in den ganzen "unsicheren" Beschäftigungsformen angewand werden.

     

    Im grunde sind das doch auch "verunsicherte" Menschen, die weitestgehend abgeschoben wurden in solchen Beschäftigungsformen und die man "gefügig" hält, ausserhalb jeglicher Rechtsstaatlichkeit mit "psycho-spielchen".

     

     

     

    Kann es wohl sein das derartige "schwarze Methoden" nicht nur bei Kindern sondern auch bei anderen "schwachen" Personen angewand werden und zwar Branchenübergreifend wie auch Bundesweit - das das eine der "Kompetenzen" der BRD ist(bestimmt super um die Statistiken zu drücken...).

     

     

     

    Sollte das so sein, wider mich die BRD an.

  • E
    Exerzieher

    "Schwarze Pädagogik" findet heute statt! Richtig David, dafür muss ich Kinder noch nicht einmal schlagen. In diesen Einrichtungen wird viel über Druck und Unterdrückung,absoluter Anpassung und Regelwerk gearbeitet. Das hat nichts damit zu tun, dass Kinder und Jugendliche ihre Grenzen kennen sollten. Von Supervision und Beratung träumen Mitarbeiter nur. Wenn ich Menschen, wie Frau Huber höre, dann wünschte ich sie würden sich all diese Einrichtungen über einen LÄNGEREN Zeitraum anschauen und würden selbsternannten Traumapädagogen das Handwerk legen! Traumatisierungen auch bei Mitarbeitern sind doch keine Seltenheit mehr, zumindest dann nicht, wenn man sich als Mitarbeiter gegen das System wehrt, welches vorherrscht und auch von den Angestellten absolute Unterordnung, Anpassung und Verschwiegenheit verlangt.

  • M
    Mosaik

    Vielen Dank an die taz und an Frau Huber für dieses hervorragend geführte und sehr informative Interview! Ich habe zu dieser Thematik lange keinen so guten und aufschlussreichen Beitrag wie diesen gelesen.

     

     

     

    Bleibt zu hoffen, dass die im Interview angesprochenen grundlegenden konstruktiven Einsichten von den Menschen, denen die Erziehung von Kindern und Jugendlichen - gleich ob als Eltern, Pädagogen etc. - anvertraut worden ist, im wahrsten Sinne des Wortes beherzigt und im Alltag angewandt werden.

     

     

     

    Wieviel weniger psychisches Leid könnte es dadurch geben...

  • Was ist denn "Wunschversagen"? Klingt irgendwie ziemlich unangenehm, hätte aber erläutert werden müssen.

     

    Ansonsten ein recht interessantes Interview, danke.

    • A
      Arne
      @tommy:

      Ich wollte schon vor einigen Tagen hier antworten, aber das neue Antwortsystem verschluckt leider manchmal die Texte, bevor man sie abschicken kann. (Ändert daran was, TAZ!) Vielleicht klappt es jetzt mal:

       

      Wunschversagen ist es, wenn ein Wunsch des Jugendlichen abgelehnt wird vom Machthaber über seine körperliche und seelische Integretität (in der Haasenburg u.ä. Einrichtungen wird das wohl "Erzieher" genannt). Z.B., der Jugendliche möchte auf Toilette gehen, er sagt aber nicht ordentlich "Herr Soundso, darf ich mal auf Toilette" oder geht nicht ordentlich rechts neben ihm oder der "Erzieher" hat einfach keinen Bock (Begründungen sind zwar pädagogisch sinnvoll, aber hier wohl eher die Ausnahme.) und promt wird ihm dieser Wunsch versagt. Darauf hin tritt er gegen die Tür ("Fremdaggression" gegen Sachen). Ergebnis: Er wird "räumlich begrenzt" also gefeseelt und auf seinem Bett fixiert.

       

      Wer solche Begriffe verwendet anstatt die tatsächlichen Umstände zu dokumentieren, hat schon was zu verbergen. Nicht umsonst spricht die Therapeutin in dem Artikel vom "sogenannten Wunschversagen."

      • @Arne:

        @Arne

         

         

         

        Danke für die Erläuterung. Das ist auf jeden Fall ein äußerst fragwürdiges Konzept, dessen Nutzung heute erschütternd ist.

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @tommy:

      ...bin ich auch drüber gestolpert. Ich schätze das bedeutet das vom Klienten geäußerte Wünsche versagt, also nicht erfüllt werden. Vermutlich ohne Begründung und nur um klar zu machen wer die Hosen an hat.

      • G
        gastanne
        @164 (Profil gelöscht):

        evtl. ist auch gemeint wunschversagen im unterschied zu bedürfnis-versagen. dass hier wohl die erzieher entschieden haben was ein wunsch und was ein bedürfnis der kinder ist nehme ich mal an.

        • 1G
          164 (Profil gelöscht)
          @gastanne:

          Richtig. Wenn man anderswo liest, dass Kinder um Hygieneartikel betteln mussten und aus Angst vorm Nachtdienst lieber ins Zimmer uriniert haben, dann könnte da was dran sein.

  • Vielen Dank, liebe Taz, dass ihr da dran bleibt!

     

     

     

    JaneO.

  • Dass man sowas heute noch diskutieren muss... das ist doch alles schon seit Jahrzehnten beantwortet!

     

     

     

    Es ist bereits ein Skandal, dass Heime mit einer solchen Konzeption überhaupt eröffnet werden durften. Und ein noch viel größerer Skandal ist es, dass sie nach all dem, was bislang bekannt geworden ist, IMMER NOCH NICHT geschlossen wurden!

     

     

     

    Es geht auch gar nicht um Einzelheiten, ob diese oder jene Maßnahme nun ungerechtfertigt oder ungesetzlich war, wann welche Praxis beendet und welche Hausordnung in Kraft war. Das ganze Konzept ist so eklatant sadistisch-totalitär angelegt, atmet von vorn bis hinten den Geist schwarzer Pädagogik, dass man über Einzelpunkte überhaupt nicht diskutieren muss. Diese Anstalten müssen einfach so schnell wie möglich geschlossen werden, fertig! Etwas anderes kann doch im Jahr 2013 nicht mehr ernsthaft zur Diskussion stehen! Wir sind doch nicht mehr in den 60ern!

  • X
    Xcefi

    Der neue Ministerpräsident sollte als erste Amtshandlung den Laden endlich machen!

  • Das Interview war eigentlich überflüssig. Es gab nur eine relevante Frage mit der entsprechenden Antwort:

     

    "Was muss passieren?

     

    Das Heim muss man zumachen. Da muss ein neuer Geist rein."

     

     

     

    Damit ist alles gesagt. Punkt. Am besten schon gestern.

  • Ein guter und wegweisender Beitrag zum Thema, der sich wohltuend abhebt von den üblichen Wegschließ- und Maßregel-Reflexen.

     

     

     

    "Schwarze Pädagogik" ist leider weit verbreitete Praxis, auch in sogenannten intakten Familien. Den Erwachsenen ist meist garnicht bewußt, was sie da tun und welche Chancen sie damit zunichte machen.

     

     

     

    Aus eigener Erfahrung in vergleichbaren Einrichtungen kann ich sagen, dass es neben dem guten Willen der politisch Verantwortlichen vor allem an kompetenter Supervision fehlt. Da führt dann auch die engagierteste Arbeit nicht weiter.

    • @Rainer B.:

      @Rainer B.:

       

       

       

      sehe ich auch so.

       

      Die "schwarze Pädagogik" betrachte ich als eine Variante der "Identifikation mit dem Aggressor". Die Missachtung, Demütigung und Gewalt, die der Erwachsene als Kind selbst erlebt und nicht verarbeitet hat, lässt er mehr oder minder vorsätzlich an den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen wieder aus. Sind diese früh traumatisiert worden und zeigen entsprechend herausforderndes Verhalten, dann sind sie sozusagen ein Spiegel für den Betreuer oder Therapeuten. Er wird alles daran setzen, dieses ungeliebte Selbst, das er da im Zögling erblickt kaputt zu machen.

       

      Das ist alles menschlich. Dagegen hilft nur eine Aufarbeitung in Form therapeutischer Arbeit an Primärtraumatisierungen. Und fortlaufende Supervision.

       

       

       

      Daran hakt es. Nicht mal am fehlenden Geld. Aber an der Bereitschaft der "Helfer" bei sich selbst anzufangen.

       

       

       

      Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, Ergotherapeutin und eine von über 7 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland die in ihrer Kindheit Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

    • @Rainer B.:

      @Rainer B.,

       

       

       

      ich sehe es genauso wie Sie.

       

       

       

      Was ich in dem Zusammenhang noch wichtig finde ist, dass die wirksame Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die in Folge früher Traumatisierungen herausforderndes Verhalten zeigen, nur möglich ist, wenn die Betreuer und Therapeuten eigene Primärtraumatisierungen aufgearbeitet haben.

       

      Und an dieser Stelle hakt es noch gewaltig. In Helferberufen wird eigene Betroffenheit, obwohl sehr weit verbreitet immer noch weitgehend geleugnet.

       

       

       

      Angelika Oetken, Ergotherapeutin, Berlin-Köpenick, eine von über 7 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland die in ihrer Kindheit Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

    • @Rainer B.:

      @Rainer B.:

       

       

       

      sehe ich genauso.

       

       

       

      Wer mit früh traumatisierten, zu herausforderndem Verhalten neigenden Heranwachsenden erfolgreich arbeiten will, braucht regelmäßige Super- und Intervision. Ganz wesentlich ist es auch, sich als Betreuer oder Therapeut dieses Klientels mit eigenen Primärtraumatisierungen auseinanderzusetzen. Ansonsten droht ein Phänomen, was jede nachhaltige Veränderung blockiert: die Identifikation mit dem Aggressor. D.h. die verantwortlichen Erwachsenen nehmen mehr oder minder bewusst und vorsätzlich die Haltung Derjenigen ein, die im Leben der Kinder und Jugendliche Gewalt unterschiedlichster Form ausgeübt haben. Und das kann von emotional-psychischer bis hin zu physischen Übergriffen oder sexuellem Missbrauch reichen.

       

       

       

      Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, Ergotherapeutin, Missbrauchsopfer

    • @Rainer B.:

      @Rainer B.:

       

       

       

      Sehe ich auch so.

       

       

       

      Die notwendige Voraussetzung für qualitativ ausreichende Ergebnisse in so einem anspruchsvollen Feld wie es die Arbeit mit schwerst traumatisierten, zu herausforderndem Verhalten neigenden Kindern und Jugendlichen ist bieten nur klare Konzepte und geeignete, sehr belastbare Mitarbeiter. Die fortwährende Super- und Intervision und das Bearbeiten von Primärtraumatisierungen (des Personals!!!) ist dabei ein Muss.

       

      Schon ein Blick auf die Homepage der "Haasenburg GmbH" zeigt, dass es dort hinten und vorne zu haken scheint. Worauf auch immer das zurückzuführen ist. Schon dieser Satz unter "Unser Angebot" sagt eigentlich alles:

       

      "Sowohl die Dauer der Unterbringung als auch die Zusammenstellung und Intensität der einzelnen Komponenten der Unterstützungsleistungen orientieren sich an dem individuellen Hilfebedarf des Kindes bzw. des Jugendlichen. Aufgrund des stark beschützenden Rahmens der Maßnahme nicht länger als unbedingt notwendig andauern. Dauer und Intensität wird dabei stets zwischen allen Hilfebeteiligten abgestimmt und verlässlich vereinbart. Dieses Konzept unterliegt einer engmaschigen Fachaufsicht und Kontrolle."

       

       

       

      Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, Ergotherapeutin und Opfer schweren sexuellen Missbrauchs in der frühen Kindheit

    • @Rainer B.:

      @Rainer B.:

       

       

       

      Sehe ich auch so.

       

       

       

      Die notwendige Voraussetzung für qualitativ ausreichende Ergebnisse in so einem anspruchsvollen Feld wie es die Arbeit mit schwerst traumatisierten, zu herausforderndem Verhalten neigenden Kindern und Jugendlichen ist bieten nur klare Konzepte und geeignete, sehr belastbare Mitarbeiter. Die fortwährende Super- und Intervision und das Bearbeiten von Primärtraumatisierungen (des Personals!!!) ist dabei ein Muss.

       

      Schon ein Blick auf die Homepage der "Haasenburg GmbH" zeigt, dass es dort hinten und vorne zu haken scheint. Worauf auch immer das zurückzuführen ist. Schon dieser Satz unter "Unser Angebot" sagt eigentlich alles:

       

      "Sowohl die Dauer der Unterbringung als auch die Zusammenstellung und Intensität der einzelnen Komponenten der Unterstützungsleistungen orientieren sich an dem individuellen Hilfebedarf des Kindes bzw. des Jugendlichen. Aufgrund des stark beschützenden Rahmens der Maßnahme nicht länger als unbedingt notwendig andauern. Dauer und Intensität wird dabei stets zwischen allen Hilfebeteiligten abgestimmt und verlässlich vereinbart. Dieses Konzept unterliegt einer engmaschigen Fachaufsicht und Kontrolle."

       

       

       

      Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, Ergotherapeutin, Opfer schweren sexuellen Missbrauchs in der frühen Kindheit

  • D
    David

    vielen Dank für dieses spannende und informative Interview! Angesichts der hier schon mehrfach thematisierten Zustände in den Kinderheimen der Haasenburg GmbH ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die dort praktizierten "Maßnahmen" weder aus psychologischer, noch aus pädagogischer Sicht zu rechtfertigen sind.

     

     

     

    Erstaunt hat mich lediglich, dass Frau Huber die von ihr kritisierten Praktiken der "schwarzen Pädagogik" vor allem in der Nazi-Zeit und der "unseligen Fortsetzung in der DDR" verortet, finden diese doch hier und jetzt in der Bundesrepublik statt! Auch mit Blick auf die Tatsache, dass das Schlagen von Kindern in der Schule in der DDR 1949, in der BRD aber erst 1973 verboten wurde, erscheint die "Auslagerung" des Problems der schwarzen Pädagogik in die NS-Zeit und die DDR wenig plausibel.

     

     

     

    Demgegenüber gilt es wohl eher darauf aufmerksam zu machen, dass autoritäre und undemokratische Erziehungsmethoden in Deutschland eine (übrigens auch schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik bestehende) unselige Tradition haben, und sie im Zuge neoliberaler Elitendiskurse in den vergangenen Jahren durchaus auch im pädagogischen Fachdiskurs wieder prominent vertreten wurden.

    • @David:

      David, dann beschäftigen Sie sich doch mal mit den Jugendwerkhöfen in der DDR, in denen tausende von Jugendlichen bis 1990 weggesperrt wurden. Oder mit dem Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Denke darauf wird im Interview indirekt Bezug genommen.

  • "Das alles sind ganz normale Selbstschutzreaktionen, wie sie auch Tiere in entsprechenden Situationen zeigen. " Hilft diese Erkenntnis weiter?

    • G
      gastanne
      @lichtgestalt:

      ich denke sie hilft insofern weiter, als man als erzieher/pädagoge einfach wissen muss, dass die zb aggressive reaktion des kindes/jugendlichen nicht persönliche genommen werden darf, sondern in erster linie eine normale reaktion vor dem hintergrund der spezifischen geschichte des kindes.

    • @lichtgestalt:

      Abschließend hat mir das Interview sehr gefallen. Ja. Und all die Opfer schwarzer Pädagogik und (zu) stregner Erziehung, die sagen: "Es hat mir nicht geschadet.", die sind geschädigt.

      • S
        Sowirdssein
        @lichtgestalt:

        "...Und all die Opfer schwarzer Pädagogik und (zu) stregner Erziehung, die sagen: "Es hat mir nicht geschadet.", die sind geschädigt. ..."

         

         

         

        Das ist sicher wahr. Einmal im Krankenhaus in der Notaufnahme saß eine hübsche junge Frau mit einer Verletzung am Fuß. Wir mußten beide lange warten und kamen ins Plaudern. Anfangs gefiel mir ihre offen, fast etwas promiske Art, doch dann hörte ich diesen Satz von ihr ("Meine Mutter hat mich als Kind oft geschlagen, es hat mir nicht geschadet.")

         

        Fast zeitgleich offenbarte sie, dass sie sich als die "Hauptattraktion" des örtlichen Puffs betrachtet. Es war schockierend, wie sich dieser offensichtliche Widerspruch ihrem Bewußtsein vollständig entzog. Denn sie war da nicht gern, beklagte die brutalen Chefs und dass sie wegen der Verletzung im Erdgeschoss schlafen mußte, obwohl da nicht mal die Fenster vergittert sind usw. usf.

         

         

         

        Kinder zu (re-)traumatisieren, egal in welcher Form, ist ein Verbrechen!