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Trauern um CoronatoteSteinmeier schlägt Gedenkstunde vor

Der Bundespräsident hat angeregt, für die Menschen, die an Corona gestorben sind, eine offizielle Trauerfeier zu machen. Einen Zeitpunkt nannte er noch nicht.

Will den Coronatoten eine Trauerfeier widmen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Foto: Carsten Rehder

Berlin/Hannover epd/taz | Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat eine offizielle Trauerveranstaltung für die Corona-Opfer in Deutschland vorgeschlagen. Er werde einen entsprechenden Vorschlag mit Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht besprechen, sagte Steinmeier gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

„Wir müssen den Menschen in ihrer Trauer helfen – und darüber nachdenken, wie wir unser Mitgefühl ausdrücken können“, erklärte das Staatsoberhaupt. „Wann dafür der richtige Zeitpunkt ist und ob etwa eine Gedenkstunde der richtige Rahmen ist, darüber muss man sprechen, und das tue ich mit den Repräsentanten der anderen Verfassungsorgane.“

Die Trauer der Angehörigen dürfe nicht vergessen werden, mahnte Steinmeier. „Wir haben 9.300 Tote zu beklagen.“ Das seien zwar niedrigere Todeszahlen als in anderen Ländern. „Aber es sind in sechs Monaten dreimal so viel wie die jährlichen Verkehrstoten. Das sollten wir nicht übersehen“, unterstrich der Bundespräsident. Ohnehin trösteten die Zahlen jene nicht, die gerade einen geliebten Menschen verloren haben.

„Der Coronatod ist ein einsamer Tod“, fügte Steinmeier hinzu. Die Patienten in Krankenhäusern und Altenheimen seien meist ohne den Beistand ihrer Angehörigen gestorben. „Auch die Hinterbliebenen hatten keine Möglichkeit, Abschied zu nehmen“, sagte der Bundespräsident. „Das ist eine Seelenqual, davon haben mir viele Angehörige berichtet.“

Auf die kurzfristig abgesagte Gedenkkundgebung in Hanau am 22. August, wo die Angehörigen der Opfer des rassistischen Gewaltattentats an die neun Getöteten erinnerten, ging Steinmeier nicht ein. Diese hatte wegen der steigenden Coronainfektionen eine Höchstteilnehmer*innenzahl von 249 Menschen verordnet bekommen, der geplante Demozug wurde abgesagt. Einige Menschen kritisierten danach die Doppelstandards, die bei den teilweise stattfindenden Veranstaltungen trotz der Pandemie vorherrschten. Corona sei ein tödliches Virus, aber Rassismus töte auch. Doch die Möglichkeit mit der Veranstaltung bundesweit ihre Wut und Trauer und ihre Fragen an die Ermittlungsarbeit der Polizei zu stellen, wurde den Angehörigen der Opfer des Hanau-Attentats verwehrt. Durch einen Onlinestream der Reden aus Hanau erreichten sie zumindest eine größere Öffentlichkeit in mehreren Städten.

Weniger Verständnis bei zweitem Lockdown

Angesprochen auf das Szenario, dass es aufgrund der steigenden Coronainfektionen erneut dazu kommen könnte, dass Menschen vermehrt Zuhause bleiben müssen, warnte Steinmeier vor der wirtschaftlichen Problematik und sagte, dass mit weniger Akzeptanz in der Bevölkerung zu rechnen sei: „Deshalb ist die gesamte Politik in Bund und Ländern darauf ausgerichtet, dieses Szenario zu vermeiden. Gerade weil das allen bewusst ist, bin ich überzeugt, dass es gelingen wird – wenn alle mitziehen und die Menschen nicht nachlässig werden“, so der Bundespräsident. Er ruft im Interview zu weiterer Solidarität in der Bevölkerung auf: „Politik und Medizin werden das Virus nicht allein besiegen, sondern nur 83 Millionen Deutsche gemeinsam. Aus der Coronamüdigkeit darf keine Rücksichtslosigkeit werden.“

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1 Kommentar

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  • Wir haben einen mitfühlenden Bundespräsidenten. Das tut gut! Den Schmerz der Hinterbliebenen in einer gläsernen Gedenkschale auffangen und so sichtbarer machen zu wollen. Auch das tut gut!

    Bitte macht aber danach nicht einen Deckel drauf, der danach jedes Jahr aufs Neue hochgehoben, abgestaubt und dann wieder zurückgelegt wird. Der Schmerz um den verloren gegangenen Menschen ist individuell. Die Schale offen lassen und auch den Schmerz derer hinzufügen, die nicht durch ein unabwendbares Schicksal, sondern durch abwendbare, nicht rechtzeitige Achtsamkeit, ihre Liebsten aus dem meist jungen Leben gerissen sehen.

    Einer solchen Gedenkstunde könnte ich zustimmen - ohne damit zu meinen, dass dies durch jährliche Wiederholung zu einer langsam sinnentleerten Veranstaltung gerinnen darf. Vielleicht eine Zeit der gegenseitigen Wertschätzung, wäre das nicht auch etwas - für alle, gerichtet sowohl an Hinterbliebene trotz verzweifelter vereinter Anstrengung einsam am Virus Verstorbener - als auch an die Hinterbliebenen willkürlich aus Hass Getöteter - in dieser dunklen Zeit?

    Dennoch - Dank an den Bundespräsidenten für diesen guten Denkanstoß!