Transport von radioaktiven Material: Das Wendland ist überall
Rund 10.000 Transporte mit gefährlichem radioaktivem Material rollen pro Jahr über deutsche Straßen und Schienen. Eine Grünen-Studie erfasst erstmals ihre Wege.
BERLIN taz | Die Bundestagsfraktion der Grünen hat erstmals eine Studie über die Transportwege radioaktiver Stoffe in der Bundesrepublik erarbeitet und am Montag vorgestellt. "Wir wollten damit klarmachen, dass neben den Castortransporten nach Gorleben noch viele weitere Atomtransporte in Deutschland stattfinden", sagte die atompolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, bei der Präsentation der Studie in Berlin.
Laut dieser Studie fänden in Deutschland jährlich rund eine halbe Million Transporte radioaktiver Stoffe statt. Die Untersuchung der Grünen beschränkt sich auf die 10.000 Transporte, die in Zusammenhang mit der Erzeugung von Atomstrom stehen. Das Gefahrenpotenzial dieser Transporte sei wesentlich höher als das der übrigen 490.000, heißt es.
Am stärksten ist Niedersachsen von diesen Transporten betroffen. Hier befindet sich nicht nur die Brennelementefabrik Lingen, zahlreiche Transporte durchqueren das Land auch auf ihrem Weg von oder zu den Seehäfen im Norden.
Wegen dieser Umschlagplätze werden auch Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern stark von Atomtransporten frequentiert. Auch durch Nordrhein-Westfalen führen viele Transporte, da sich hier die Urananreicherungsanlage Gronau befindet.
Unterschätzte Gefahr
Der Autor der Studie, Diplomphysiker Wolfgang Neumann, wies bei der Präsentation vor allem auf die Gefahr durch den Transport von Uranhexafluorid hin, das für die Anreicherung von Uran bedeutsam ist: "Dieses Thema ist in der Bevölkerung bisher zu Unrecht nur wenig bekannt. "Von den Transporten dieser Stoffe gehe die größte Gefahr aus, da bei einer Freisetzung der hochgiftige Stoff Fluorwasserstoff entstehen könne.
Trotz des beschlossenen Atomausstieges rechnet die Studie mit einer Zunahme der Atomtransporte. So würde die geplante Inbetriebnahme des Endlagers Konrad für radioaktiven Abfall mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung alleine 700 bis 1.000 Atomtransporte pro Jahr verursachen.
Die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus dem Bergwerk Asse II, das sich als untauglich erwiesen hat, würde bei optimaler Abwicklung mit etwa 10.000 Bahntransporten zu Buche schlagen. Darüber hinaus zeichne sich der Trend ab, abgereichertes Uranhexafluorid in Südfrankreich aufbereiten zu lassen und anschließend wieder nach Deutschland zu holen.
Kotting-Uhl sagte, die Erkenntnisse der Studie sollten dazu dienen, Atomtransporte sicherer zu machen. "Wir brauchen dringend mehr Transparenz in diesem Bereich." Die für die Studie angefragten Informationen aus den Ländern seien teilweise nur schwer geflossen. Andere Länder hätten die Atomtransporte statistisch nicht erfasst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“